Jeremy Steig (Teil 1)

Get Me Out of Here: A Memoir : Steig, Jeremy: Amazon.de: Bücher

Der Jazz-Flutist (DER Jazz-Flutist) Jeremy Steig ist mir seit Mitte der 1970er Jahre stets ein Begriff gewesen. Er gehörte zu den Pionieren des Jazzrock und hatte ab und an mit dem Keyboarder Jan Hammer gespielt. Jan Hammer war einer meiner Helden, weil er beim ursprünglichen, von mir mit fanatischer Inbrunst vergötterten Mahavishnu Orchester gespielt hatte. Über Hammer war ich auf Wilhelm Reich gestoßen, als er ihn 1974 in einem NDR-Radio-Interview mit Michael Naura in einem Nebensatz erwähnt hatte. Um so erstaunter war ich, als mir vielleicht 20 Jahre später aufging, daß Jeremy Steig tatsächlich der Sohn von William Steig war: am Ende einer der engsten Vertrauten Reichs, der beispielsweise entscheidend für die Herausgabe von Reichs letztem Buch Contact with Space war.

Entsprechend freudig gespannt und voller Neugier war ich, als ich Jeremy Steigs Autobiographie Get Me Out of Here! zur Hand nahm. Hatte er Jan Hammer auf Reich aufmerksam gemacht, als sie zusammen 1970 Steigs Album Energy (!) einspielten? Im Buch erfährt man davon nichts. Überhaupt, es ist zwar ab und an abschätzig vom „Reichianischen Kult“ die Rede, aber Orgonon wird nicht erwähnt, Reich nicht beschrieben, kein einziger Orgontherapeut. Der junge Steig muß auf Orgonon gewesen sein, muß mit Reichs Sohn Peter gespielt haben und, vor allem, er muß Reich häufiger persönlich begegnet sein. Nicht ein Wort! Erwähnt wird, was Kinder bis zum heutigen Tag immer wieder beklagen: daß die Orgontherapeuten Sadisten sind, die Kinder mit ihrer schmerzhaften Behandlung (Druck auf spastische Muskeln) quälen und traumatisieren. Auch wird Felicia Saxe erwähnt, eine frühe „Orgontherapeutin“, die sexuell übergriffig war, Kinder masturbierte und ihre Brüste und Vulva ins Gesicht drückte. Eine wirklich ekelerregende Person, die Reich bald rausschmiß. (Ein entsprechender Artikel von Susanna Steig, Jeremys Cousine, ist im Buch vollständig abgedruckt.) Und nicht zuletzt wird beschrieben, wie Kinder als Versuchsobjekte betrachtet wurden, deren Sexualität neugierig verfolgt wurde. Bei Jeremy kam hinzu, daß sein Vater sich nach der frühen Trennung von seiner Mutter kaum um seinen Sohn kümmerte und wenn er ihn besuchen durfte, mit immer neuen Geliebten seines Vaters konfrontiert war. Die vermeintlichen „Kinder der Zukunft“ störten und kaum eines wurde zu einem glücklichen Erwachsenen. Steig erwähnt beispielsweise den Sohn von Reichs Assistenten Myron Sharaf und Grethe Hoff, der späteren kurzzeitigen Gefährtin Reichs: er beging als Teenager Selbstmord.

Jeremy Steig imponiert auch nicht gerade als „Kind der Zukunft“. Er führte ein zielloses (und kinderloses) Leben, war zeitlebens ständig bekifft, driftete mit Meskalin, LSD und anderen Psychedelika ab, seine Karriere als Musiker verlief im Sande (am Ende konnte er nur deshalb finanziell überleben, weil die Beastie Boys eine kurze Passage von ihm gesampelt hatten) und er starb schließlich an Krebs. Seine Musik ist mir stets merkwürdig auf den Keks gegangen und seinen Produkten als Zeichner fehlt m.E. jede Tiefe. Das Buch, an dem Steig bis kurz vor seinem Tod arbeitete, selbst ist bar jeder tieferen Einsicht ins Leben: 40 Jahre als bekiffter Messie in einer New Yorker Sozialwohnung. Fünf Kurzehen und zahllose sexuelle Eskapaden ohne jede tiefere emotionale Bindung (bis auf die letzte Ehe mit einer Japanerin). Er imponiert mir als Produkt dessen, was ich mir als die New Yorker liberale Kulturschickeria ausmale.

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9 Antworten to “Jeremy Steig (Teil 1)”

  1. Avatar von Peter Töpfer Peter Töpfer Says:

    Gut zusammengefaßte Bilanz.

  2. Avatar von Robert (Berlin) Robert (Berlin) Says:

    https://malcolmbrenner.com/2019/03/09/breaking-the-silence-secrets-of-the-reichian-cult/

    New York City 1947. Susanna Steigs Mutter nimmt das dreijährige Mädchen die Treppen eines großen Betonlagers hinauf und in das Büro ihrer Orgontherapeutin für Kinder, Felicia Saxe, einer Anhängerin von Wilhelm Reich. Saxe behandelt Susanna wöchentlich, weil das Mädchen eifersüchtig auf ihre neue kleine Schwester ist. Susannas Eltern glauben, dass Saxes Behandlungen „ihre Panzerung auflösen“ werden, sodass ihre Orgonenergie frei fließen kann und die Geschwisterrivalität durch positivere, „natürlichere“ Emotionen ersetzt wird.

    Felicia Saxe ist eine zigeunerhafte Frau mit dunkler Haut und dunklem Haar, gekleidet in glänzende Seide, deren Brüste aus ihrer Bluse quellen. Sie ist professionelle Tänzerin; es ist unklar, wer ihr die Genehmigung für eine therapeutische Praxis erteilt hat. Susanna muss ihre Kleider ausziehen. Die Therapie besteht darin, dass Saxe ihre Finger und Nägel in Susannas Körper gräbt und große Schmerzen verursacht, Schmerzen, die so intensiv sind, dass das Kind, wie sie später sagt, „zu einer Schrei- und Weinmaschine wird, die sich nie abstellen lässt.“ Dann nimmt Saxe Susanna auf den Schoß und masturbiert sie. Das kleine Mädchen geht mit seiner Mutter fort: „Mir ist kalt, ich bin allein und ich habe kein Gefühl“, erinnert sich Susanna später. Diese qualvolle „Therapie“ dauert Monate.

  3. Avatar von Robert (Berlin) Robert (Berlin) Says:

    http://www.rogermwilcox.com/reich/others.html

    Susanna Steig (geb. 1944) ist die Nichte von William Steig. (William Steig war ein prominenter Anhänger Reichs, vor allem bekannt für seine Illustrationen in Reichs „ Listen, Little Man! “.) Hier ist Susannas Bericht:

    MEINE KINDHEITSERFAHRUNGEN MIT DER REICHISCHEN THERAPIE

    Von Susanna Steig

    Ich war drei Jahre alt. Woran ich mich erinnere: Meine Mutter führte mich durch den langen, dunklen Flur unserer New Yorker Wohnung. Den kalten, gefliesten Flur. Ein Bus. Ich ging die Treppen eines Betongebäudes hinauf, kalt, riesig und unheimlich (ein Lagerhaus, wie mir jetzt klar wird).

    Sie saß auf einem Stuhl. Eine zigeunerhafte Frau, in glänzende Seide gekleidet, deren Brüste aus der Bluse hingen. Ihr Name war Felicia Saxe. Ich war mit ihr allein. Der scharfe Schmerz ihrer Finger und Nägel bohrte sich in meine Schultern. Und dann war ich gefangen in etwas, das sich wie eine Schrei- und Weinmaschine anfühlte, die niemals aufhören würde. Mein Schreien und Weinen war genau das, was sie wollte.

    Weitere Erinnerungen: Mein Gesicht kam immer näher an ihre Brüste, wurde gegen ihre Brüste gedrückt – ich bekam keine Luft! Eine riesige Vagina, die immer näher an mein Gesicht kam. Und dann, wie aus weiter Ferne, hielt sie mich auf ihrem Schoß, ihre Hand unter meinem Rock, masturbierte mich.

    Ich erinnere mich, wie ich mit meiner Mutter im Bus dorthin fuhr. Dort standen frisch blühende Frühlingsbäume. Ich sagte etwas zu dem, was dort geschah. Meine Mutter schaute aus dem Fenster.

    Als ich erwachsen war, erzählte mir meine Mutter, dass sie mich monatelang zu dieser Therapie mitgenommen und mir beim Schreien zugehört hatte. Was war der Grund? Ich war eifersüchtig auf meine jüngere Schwester, die geboren wurde, als ich zwei Jahre und zwei Monate alt war, und ich war aggressiv ihr gegenüber.

    Das änderte sich, als mein Vater mich eines Tages abholen kam, sah, was los war, und entschied, dass ich nicht mehr zurückgehen sollte. Er weinte und bat mich um Verzeihung. Ich weiß nicht, ob meine Eltern bemerkten, dass ich mich von einem fröhlichen, ausgelassenen Kind in ein ängstliches, ruhiges verwandelte.

  4. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Ich sollte das nicht kommentieren…

    • Avatar von O. O. Says:

      Das passt ja wunderbar zur Sendung der Parteivorsitzenden nach der Europawahl, wo Frau Alice Weidel als „Nazi“ von einem Altparteien-Vorsitzenden beschimpft und beleidigt wurde. Wobei der/die nächste Alparteien-Vorsitzende zur Hilfe eilte und meinte: Ja das dürfe man sagen … – bis die Vorstizende der BSW dann zu vermitteln versuchte. Also, wenn mich einer als N. betitelt, darf er damit rechnen, dass ich ihn auch für einen N. halte. – Irgendwie ist das Nievau aber auch schon wieder ein Kindergartenniveau, wo bei sich Kinder vernünftiger verhalten und das „N. Wort“ nicht benutzten würden.

      by the way: 15.9 % sind aufgerundet 16% und damit ist noch viel Luft nach oben, würde ich sagen.

  5. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Auch das kann ich nicht kommentieren, denn was ich zum Thema Kinderficker zu sagen hätte…

    Niedersachsens Kitas im Sexualpädagogik-Sumpf | PI-NEWS

  6. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Klingt gut:

    Orgon Akkumulator (outlander-lb.shop)

    • Avatar von O. O. Says:

      Zitat – angeblich von Wilhlem Reich – aber keine Quellen angabe!

      Oder sind die sooooo zuverlässigen Quellen unten gemeint.

      „Die Länge der Sitzungen kann von Mal zu Mal erhöht werden, bis man sicher ist, dass kein Kollaps … auftritt, der durch eine plötzliche Kontraktion verursacht werden kann. Das Platzen von Blutgefäßen, vegetative Schocks, Aussetzen des Herzschlags sind durchaus möglich, wenn in solchen Fällen Überladung mit z. B. einem 20-fachen Akkumulator geschieht. Es hat sich bisher in 10 Jahren der Anwendung von Orgon-Energie keinen Todesfall wegen Überladung gegeben, aber die Möglichkeit kann nicht völlig ausgeschlossen werden. Man sollte besonders im Falle hohen Blutdrucks wachsam sein, da dieser auf den ausdehnen vagotonen Einfluss der Orgon-Energie mit einem plötzlichen Anstieg anstatt mit einer Abnahme des Drucks reagieren könnte.“

      Reich hätte dies, wenn überhaupt, in den 50-er Jahren äußern können. Vermutlich sogar 1951 vor dem Oranur-Experiment, was alles veränderte. Erschreckend ist, dass wohl auch Reich schon von „Überladung“ gesprochen hat, was ein fettes (ungelöstes) Problem ist!

      Reich hatte nie einen Disclaimer und Haftungsausschluss hinzugefügt. Wenn jemand den Akku mit einer „Überladungsthematik“ bewirbt, stimmt sowieso etwas ganz geheuerlich nicht. Wüsstet Ihr die Todesfälle der letzten 30 Jahre nur für Deutschland, würdet Ihr nicht eine Sekunde darüber nachdenken, so ein Teil zu kaufen.

      Anders ausgedrückt, bin ich gerne bereit, denjenigen der nur ein Jahr einen Akku regelmäßig benutzt hat und dies überlebt, zu interviewen, um zu wissen, wie er das hinbekommen hat. Und ich würde dies auch anonymisiert veröffentlichen, wenn ich so ein Fallbeispiel finden könnte.

      Was an diesem Angebot jedoch – abgesehen vom Text – gut ist, ist dass man einen Bausatz angeboten bekommt, den man selbst noch variieren könnte. Die Idee geht in die richtige Richtung.

  7. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Charlotte über die unverzichtbare Rolle des Vaters:

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