DER ROTE FADEN (Band 2): 15. Die gesetzlichen Grundlagen des Vorgehens der FDA
Archive for the ‘www.orgonomie.net’ Category
Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 67)
28. Mai 2023[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]
Alle blicken auf den vollkommen perplexen Reich, behandeln ihn als Sonderling, manövrieren ihn in eine Außenseiterposition, indem sie ihm vorwerfen er würde sich in eine Außenseiterposition hineinmanövrieren – und als Fazit wird dann kurioserweise IHM vorgeworfen, ER habe sich in was „hineinmanövriert“. Dies und das folgende kann man mit Variationen auch über LaMettrie am Hofe von Friedrich dem Großen und über Stirner im Umfeld der Junghegelianer sagen!
Die Frage ist doch ganz einfach: war Reich (LaMettrie, Stirner) beknackt oder alle anderen? Normalerweise liegt die Antwort auf der Hand. Das Alltagsgeschäft der Psychiater. Aber ab und an kommen auch, wie es Baker in einem Fallbeispiel beschreibt (Der Mensch in der Falle), vollkommen Gesunde zum Psychiater, weil sie sich in der Gesellschaft wie Sonderlinge vorkommen und so behandelt werden – dann ist es Aufgabe des Psychiaters ihnen klarzumachen, daß tatsächlich sie im Recht sind und praktisch 100 % ihrer Mitmenschen durchgeknallt sind. (Es wäre doch eine Ungeheuerlichkeit gewesen, hätte Baker der betreffenden Frau gesagt: „Sie sollten sich mal überlegen, ob sie nicht auch selbst teilweise Schuld für Ihre Probleme im Leben tragen!“)
Reich war so ein Fall. Daß er auch Fehler strategischer und taktischer Natur gemacht hat (wie sollte es anders sein?), fällt dabei nicht ins Gewicht. Schließlich konnte er nichts dafür, daß die Welt ein einziges großes Irrenhaus ist.
Alle Ansichten von Bakers gesunder Patientin stimmten vollkommen mit dem überein, was etwa in Die sexuelle Revolution stand. Es ist einfach „gesunder Menschenverstand“ (d.h. wirklich gesunder). Dazu gehört auch, daß die meisten dieser gesunden Menschen, inkl. Reich, ein ziemlich naives Verhältnis zur Geschichte haben. Sie sehen nur den guten Kern und glauben, was man ihnen erzählt. Entsprechend finden sie, inkl. Reich, die folgenden Leute gut: Jesus, Marx, Lenin, Lincoln, Gandhi, Luther, Nietzsche, Madame Curie, Einstein, Freud, Beethoven, Darwin, Kolumbus, Edison, etc. – durchweg Denker und historische Persönlichkeiten, die nichts mit LSR zu tun haben, bzw. teilweise geradezu LSR-Antipoden sind.
Bei Reich wechseln einige wenige, aber alles entscheidende Stellen unglaublicher Einsichten, die sonst keiner hatte (außer L und S), ab mit langen Passagen, die nicht etwa schlecht oder daneben sind, sondern einfach nur naiv. So naiv, wie jeder gesunde Mensch von Natur aus Pazifist ist (auch wenn dadurch die organisierte Emotionelle Pest triumphiert), den Dalai Lama gut findet, weil er so schön lächelt (obwohl er tatsächlich eine diabolische Figur ist) oder gegen den Klimawandel ist (obwohl er damit Milliarden Menschen auf eine Hungerkatastrophe zusteuern läßt).
Verkomplizierend kommt hinzu, daß Reich in seinen späteren Jahren teilweise nicht mehr so naiv war, sondern „konservativ“ wurde – was auch nichts mit LSR zu tun hat.
Bernd Laska begründet Reichs Verhalten damit, daß Reich im „brennenden Haus“ nicht zu Atem kam. Ich glaube das nicht. Reich war „einfach nur“ naiv.
Andererseits möchte ich mich auch dagegen verwahren, die Welt als „Narrenhaus“ zu sehen. Natürlich leben wir nicht im Narrenhaus! Wenn jemand seine Arbeit macht und die Stadt wie auf wundersame Weise perfekt funktioniert (Arbeitsdemokratie), wenn Kinder spielen, die Jugend Lebensfreude ausströmt und die Alten immer mehr ihre innere Schönheit nach außen tragen, wenn die Vögel zwitschern und die Bäume rauschen – dann sind wir nicht im Irrenhaus. Im Irrenhaus sind wir, wenn das einfache scheinbar unendlich kompliziert wird. Wenn wir vor dem „Reformstau“ stehen und „die Lage noch nie so ernst war wie heute“. Das höre ich, seit ich höre, also etwa seit 1971!
In diesem Sinne war Reichs Naivität Ausdruck seiner Gesundheit: Es gibt keine Probleme, alles ist lösbar!
Zum Themenkomplex von Reichs Naivität gehört auch, daß es schlichtweg falsch ist, daß der frühe Reich sich klar ausgedrückt hat und alles tat, um verstanden zu werden und daß der späte Reich kryptisch wurde. Abgesehen von ein paar wenigen technischen Artikeln, die eh nicht für die Verbreitung bestimmt waren, sondern „for the record“, wurden Reichs Schriften immer zugänglicher. Die frühen psychoanalytischen Aufsätze sind in einem gewundenen und mit der psychoanalytischen Geheimsprache durchsetzen Stil geschrieben, dem man nur mit großer Konzentration folgen kann. Danach hat Reich auf eine geradezu einschläfernde Weise allgemeinverständlich geschrieben. Und das mit der „orgonomischen Geheimsprache“ ist ein Mythos. Später hat er sogar weitgehend auf „Orgon“ verzichtet und lieber von „kosmischer Lebensenergie“ gesprochen. „Melanor“, etc. findet sich nur in den erwähnten paar Artikeln – und selbst die sind sofort verständlich, wenn man denn guten Willens ist. „Geheimsprachlich“ drücken sich vielmehr Reichs Gegner aus: Wissenschaftler (etwa Psychologen), die ständig mit neuen Wortschöpfungen aufwarten und „Denker“, die sich a la Adorno daran berauschen, daß kein Mensch ihnen folgen kann.
Es waren vor allem Ollendorff und Neill, die Reich vorgeworfen haben, er würde es seinen Lesern viel zu schwer machen. Das hat Reich ernst genommen und tatsächlich noch einfacher geschrieben (etwa in Äther, Gott und Teufel). In seiner Naivität erkannte Reich nicht, daß es nicht etwa an der (nicht vorhandenen) Kompliziertheit seiner Ausdrucksweise lag, – sondern an der inneren Abwehr von Ollendorff und Neill.
Hierher gehört auch, daß Reich nur „immanente Kritik“ zuließ, – denn selbst ihm wurde die innere Abwehr seiner Mitmenschen manchmal zu viel. Wer nicht zuhören, wer nicht lesen kann (und die meisten Menschen, können nicht lesen – sie lesen, was sie lesen wollen, nicht was auf dem Papier steht), – hat kein Recht „kritische Fragen“ zu stellen! Das meinte Reich mit seiner Forderung nach „immanenter Kritik“.
Die Welt ist ein Irrenhaus, also ist es nur logisch, daß der Nicht-Beknackte Reich da zugrunde gehen mußte? Kein gesunder Mensch braucht in dieser Welt zugrundezugehen. Die meisten, praktisch alle, kommen sogar hervorragend zurecht. Wie etwa Neill verblüfft konstatierte, als ausgerechnet seine Schüler hervorragend im wohl neurotischten Teil der Gesellschaft zurechtkamen, der Armee. An ihr (und allgemein an der Gesellschaft) scheitern allenfalls die Allerkränkesten… Ich bin nicht stolz auf mein Scheitern als Soldat!
Auch Reich ist hervorragend in der Welt zurecht gekommen: im Krieg, als Emigrant.
Er ist nicht an seiner Gesundheit gescheitert, sondern wegen dieses „Plus“, von dem ich oben sprach: das „LSRische“. Kurz: er hatte eine Mission. Das hat die Emotionelle Pest aktiviert. Deshalb auch seine Faszination für die Christus-Figur.
Eine Leseliste zur Einführung in Bernd A. Laskas LSR-Projekt
20. Mai 2023
Die folgenden Bücher und Artikel sollte man in dieser Reihenfolge lesen, um sich in Bernd A. Laskas LSR-Projekt einzuarbeiten.
Am Anfang steht natürlich Laskas Reichs Biographie sowie Reich selbst und zwar jenes Buch, das Laska ursprünglich in seinem LSR-Verlag neu herausbringen wollte: Reichs von seinen beiden engsten Mitarbeitern, dem Psychiater Elsworth F. Baker und dem Gynäkologen Chester M. Raphael, kurz nach Reichs Tod zusammengestellte Ausgewählte Schiften.
Daß Reich in dieser Liste an erster Stelle steht, hat sowohl historische als auch inhaltliche Gründe: mit ihm hatte sich Laska zuerst beschäftigt (und das als einer der ersten in unserem besetzten Vaterland) und zweitens ist Reich eine notwendige Einführung, um LaMettrie überhaupt verstehen zu können, nämlich daß sich beide Ärzte mit genau den gleichen beiden Dingen beschäftigt haben – nur daß dies bei LaMettrie zeit- und „verfolgungsbedingt“ nicht so eindeutig ist. Die besagten beiden Dinge sind das Angehen des Charakterpanzers (also des Über-Ichs) und die Orgasmustheorie, bei LaMettrie entspricht das seinen Theorien über das Schuldgefühl und „die Kunst Wollust zu empfinden“.
Die Frage ist natürlich, warum ich Stirner an die dritte Stelle verschoben habe, hatte Laska diesen doch nach Reich und vor LaMettrie für sich entdeckt. Zunächst einmal waren Reich und LaMettrie Ärzte und ihre beiden Theorien machen, wie angedeutet, einander verständlicher und zweitens wollte Laska in der Chronologie seines LSR-Projekts zunächst durchaus inhaltlich vorgehen, d.h. jeweils die Theorien seiner drei Helden herausarbeiten. Ansatzweise hat er das bei Reich und den Vorreden zu seinen LaMettrie-Übersetzungen auch gemacht, doch änderte er dann seinen Plan: „Die Widerstände und Abwehrmechanismen gegen L/S/R traten (….) in den Vordergrund meines Interesses; sie waren aufzudecken und zu studieren, bevor an ein Verständnis für die Intentionen von L/S/R auch nur zu denken war. Hier bot sich allerdings aus verschiedenen Gründen vorzugsweise Stirner bzw. dessen Wirkungsgeschichte an, so daß anstelle der ursprünglich geplanten Schriftenfolge zunächst die Stirner-Studien erscheinen.“ Dieses „Zunächst“ erwies sich dann als der eigentliche Abschluß des LSR-Projekts. Stirner ist nur in der von Laska angedeuteten Weise erschließbar, d.h. vom Widerstand gegen sein Werk her, und die Vorkenntnisse, die wir durch die Auseinandersetzung mit Reich und LaMattrie erworben haben, dienen uns hierbei als Orientierungspunkte, ohne die wir uns allzuleicht verirren könnten, beispielsweise „Stirner als Vertreter des Egoismus und Herold der nihilistischen Transgemeinde“.
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich (https://www.amazon.de/gp/product/3499502984)
Wilhelm Reich: Ausgewählte Schriften (https://www.buchfreund.de/de/d/p/76916429/ausgewaehlte-schriften-eine-einfuehrung-in-die)
Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): A. Allgemeiner Überblick (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatus.html)
Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): B. „Früher“ contra „später“ Reich eine überflüssige Kontroverse (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatusb.html)
Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): C. Freuds „Kommentar“ zu Reich (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatusc.html)
Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): D. Reichs Krise 1926/27 (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatusd.html)
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich – ohne Freud, Marx, Orgon (http://lsr-projekt.de/wrlex.html)
Bernd A. Laska: Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei Wilhelm Reich (http://lsr-projekt.de/wrnega.html)
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich als Sexuologe (http://lsr-projekt.de/wrsex.html)
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich als Faschismusforscher (http://lsr-projekt.de/wrfasch.html)
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich – Essenz und Konsequenz (http://lsr-projekt.de/wrinnuce.html)
—
Bernd A. Laska: Intro LSR (http://lsr-projekt.de/intro.html)
Bernd A. Laska: LSR als „anarchistisches“ Projekt (http://lsr-projekt.de/anarcho.html)
Julien Offray de La Mettrie: Der Mensch als Maschine (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu1)
Julien Offray de La Mettrie: Über das Glück oder Das höchste Gut („Anti-Seneca“) (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu2)
Julien Offray de La Mettrie: Philosophie und Politik (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu3)
Julien Offray de La Mettrie: Die Kunst, Wollust zu empfinden (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu4)
Bernd A. Laska: La Mettrie und die Kunst, Wo(h)llust zu empfinden – ein Portrait (http://lsr-projekt.de/lmsex.html)
Bernd A. Laska: La Mettrie – ein gewollt unbekannter Bekannter (http://lsr-projekt.de/lm-un-bekannt.html)
Bernd A. Laska: 1750 – Rousseau verdrängt La Mettrie (http://lsr-projekt.de/Rousseau-La-Mettrie.pdf)
Bernd A. Laska: Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei Lamettrie (http://lsr-projekt.de/lmnega.html)
Bernd A. Laska: Panajotis Kondylis – unfreiwilliger Pate des LSR-Projekts (http://lsr-projekt.de/kondylis.html)
Bernd A. Laska: Martin Walser und La Mettrie (http://lsr-projekt.de/walser.html)
—
Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum (https://www.amazon.de/Einzige-sein-Eigentum-Reclams-Universal-Bibliothek/dp/3150030579)
Bernd A. Laska: Parerga, Kritiken, Repliken (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu2)
Bernd A. Laska: Ein heimlicher Hit (http://lsr-projekt.de/verlag.html#ss1)
Bernd A. Laska: Ein dauerhafter Dissident (http://lsr-projekt.de/verlag.html#ss1)
Bernd A. Laska: „Katechon“ und „Anarch“ (http://lsr-projekt.de/verlag.html#ss1)
Bernd A. Laska: Max Stirner in nuce (http://lsr-projekt.de/msinnuce.html)
Bernd A. Laska: Max Stirner – Leben, Werk, Wirkung (http://lsr-projekt.de/mslex.html)
Bernd A. Laska: Der Stachel Stirner (http://lsr-projekt.de/stachel.pdf)
Bernd A. Laska: Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei Max Stirner (http://lsr-projekt.de/msnega.html)
Bernd A. Laska: Max Stirner als Psychologe (http://lsr-projekt.de/Max-Stirner-Psychologe.html)
Bernd A. Laska: Nietzsches initiale Krise (infolge Stirner) (http://lsr-projekt.de/nietzsche.html)
Bernd A. Laska: Die Individualanarchisten und Stirner (http://lsr-projekt.de/msinda.html)
Bernd A. Laska: Der schwierige Stirner (http://lsr-projekt.de/msswi.html)
Bernd A. Laska: Den Bann brechen ! – Teil 1: Stirner, Marx, Marxforschung (http://lsr-projekt.de/msbann1.html)
Bernd A. Laska: Den Bann brechen ! – Teil 2: Stirner, Nietzsche, Nietzscheforschung (http://lsr-projekt.de/msbann2.html)
Bernd A. Laska: Max Stirner – ein anarchistischer Pädagoge? (http://lsr-projekt.de/mspa.html)
Bernd A. Laska: Der sexuelle „Verein“: Prototyp des Stirner’schen „Vereins“ (http://lsr-projekt.de/mssex.html)
Bernd A. Laska: Vade retro! – Zur Repulsionsgeschichte von Stirners ‚Einzigem‘ (https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/52066/file/Jahrbuch_FVF_22_2016_Laska_71_100.pdf)
Das große Mißverständnis
12. Mai 2023Der vorurteilsbeladene Ignorant denkt und spricht nur Belangloses; er drischt, wie man sagt, nur leeres Stroh; oder, was auf dasselbe hinausläuft, er käut ständig die kümmerlichen Weisheiten unserer Scholastiker wieder (sofern er sie kennt). Der begabte Mensch hingegen folgt Schritt für Schritt der Natur, der Beobachtung und der Erfahrung. Er erkennt nur als gültig an, was den höchsten Grad an Wahrscheinlichkeit für sich hat. Und er zieht seine Schlüsse nicht vorschnell, unumstößlich und gegen jede vernünftige Einsicht, sondern aus Tatsachen, die zumindest ebenso klar sind wie die bereits bewährten, produktiven Prinzipien. (Julien Offray de LaMettrie: Philosophie und Politik, S. 34f)
All die Idioten verlassen die Orgonomie, weil diese von Natur aus schmutzig ist und zwar in wirklich allen Aspekten. Es begann mit der klinischen Beurteilung von und der Therapie mit schmutzigen Menschen (triebhafte Charaktere, echte Borderline-Freaks). Es ging nicht, wie bei Freud, um die Sublimierung der Triebe dekadenter Oberschichtler, sondern um schmutzige Gefühle, um Sexualität. Es ging um schmutzige Kommunisten, schmutzige „Sexualreform“ und schmutzige Politik. Politik, bei der man sich die Hände schmutzig macht, was „linke Intellektuelle“ wie Otto Fenichel oder Erich Fromm nie getan haben. Reich setzte sich mit dem schmutzigen Faschismus (er sprach mit echten Nazis und las ihre Ergüsse) und dem Alltagsleben des kleinen Massenmenschen auseinander. Seine Bion-Forschung begann mit einfacher „Gemüsesuppe“, Heuaufgüssen usw. Aus der Sicht des Physikers geht es bei Orgon und Co. nur um „Datenrauschen“ – Schmutz. Nichts ist bei Reich klar und eindeutig. Funktionalismus ist „unscharfe Logik“. Selbst die organisatorischen Aspekte der Orgonomie waren von Anfang an und sind bis heute chaotisch. Die Orgonomie ist kein sicherer Ort für „Sucher“, keine feste Weltanschauung, keine Lebensform. Es gibt nichts „Sauberes“ und klar Umrissenes an ihr. Sie ist der ultimative Alptraum für den mechano-mystischen Geist, der in einer aseptischen platonischen Welt leben möchte, da er eine Todesangst vor Bewegung und Veränderung hat.
Ein typisches Mißverständnis ist es, Artikel mit der Überschrift „… aus orgonomischer Sicht“ zu schreiben. Ich tue das auch ab und an, aber es ist vom Ansatz her grundlegend falsch, oder sagen wir lieber irreführend. Es gibt keinen festen „orgonomischen“ „Ort“, von dem aus man die Dinge betrachten könnte. Orgonomie ist die Anstrengung in der Ebene, das Forschen und ständige Korrigieren, sozusagen „das Wühlen im Dreck“. Das sieht man etwa an einer korrekt durchgeführten Orgontherapie. Ein richtiger Orgonom tritt nicht als „Guru“ auf, der dich mit seherischem Blick durchschaut und dir den Weg weist! Es geht um die Etablierung der Selbstregulation, bei der Anweisungen, was man zu tun oder zu lassen hat, ein Widerspruch in sich selbst wären. Es geht schlicht und ergreifend um die Konfrontation mit deinem neurotischen Charakter und mit deiner biophysischen Rigidität. Irgendwelche Idioten, die sich zu „Reichianischen“ Therapeuten aufschwingen und meinen, den Patienten das vermeintlich „richtige“, quasi „orgonomische“ Funktionieren lehren zu können, „orgonomische Prinzipien“ aufoktroyieren zu können, verfehlen die ganze Angelegenheit auf denkbar fundamentale Art und Weise. Es ist eine genaue Entsprechung der obenerwähnten dogmatischen Vorgabe „des orgonomischen Standpunkts“. Entweder arbeitet man mit Funktionen, Beziehungen, Kontakt – oder man wirkt nur zerstörerisch.
Was ich hier beschreibe, sind schlichtweg die Entstellungen der Orgonomie durch den Kleinen Mann, der aus jedem fruchtbaren Ansatz eine sterile Doktrin macht. Wie Reich in Äther, Gott und Teufel erläutert, ist der Kleine Mann ein Mechano-Mystiker, der keine Unsicherheit, Unbestimmtheit, keine Bewegung und Spontanität ertragen kann und entsprechend aus dem Universum eine Maschine, sowie aus seinen Kindern Roboter macht. Er gestaltet die Welt nach seinen vorgefaßten Ideen. Reich hingegen hat sich stets der Wirklichkeit ausgesetzt, ist wirklich an die Front des Lebens, des Labors und der Umwelt gegangen, um sich der einen und einzigen Quelle der Wahrheit auszusetzen: der Wirklichkeit. Alles, was sich nicht der Wirklichkeit gemäß verhält, alles was nicht naturgemäß ist, wird von der Natur erbarmungslos ausgemerzt. Orgonomie ist nichts anderes als Secundum naturam. Folge der Natur oder krepiere! Deine saubere Welt aus Konstruktionen und „Theorien“ ist ein lächerliches Kartenhaus, das beim nächsten kleinen Lufthauch kollabieren wird. Vielleicht ist es nicht schade um dich, aber mit Sicherheit ist es schade um die, die du mit in den Abgrund reißt.
DER ROTE FADEN (Band 2): 13. Die FDA-Untersuchung und die Gefahr eines abgekarteten Spiels
10. Mai 2023Die drei Kreise der Orgonomie
3. Mai 2023Was ist Orgonomie? Am Anfang steht der Entdecker der Lebensenergie. Was hat er entdeckt? 1. die Funktion des Orgasmus, 2. das Orgon und 3. die objektive Logik der Natur (orgonomischer Funktionalismus) sowie 4. ORANUR/DOR. Das ist der Kern der Orgonomie.
Wirkliches Leben wird der Orgonomie aber nur eingehaucht in der Klinik (medizinische Orgonomie), im gesellschaftlichen Leben (soziale Orgonomie), im Labor (biophysikalische Orgonomie) und in der Studierstube (Orgonometrie). Das ist sozusagen der „zweite Kreis“ der Orgonomie, ihre „mittlere Schicht“, wenn man so will – das „Mesoderm“.
Der dritte Kreis, die „soziale Fassade“ der Orgonomie ist die Tradition, die Organisation, die „Kultur“ der Orgonomie. Selbstverständlich kann jeder die Orgonomie für sich selbst studieren und sich selbst die Dinge praktisch erarbeiten, etwa am Mikroskop, aber wie in jeder anderen Wissenschaft, gibt es auch hier so etwas wie ein „Peer Review“. Etwas, was nicht der kritischen Überprüfung durch andere ausgesetzt wird, existiert schlichtweg nicht. Außerdem kann eben nicht jeder „tun und lassen, was er will“. Bzw. kann er schon, aber er muß die Konsequenzen tragen. Wissenschaft ist weder eine Demokratie und schon gar nicht eine Anarchie. Sie ist eine Monarchie, solange der Gründer bzw. die Gründergeneration noch tätig ist und geht dann in eine Republik über, die von Gesetzen bestimmt wird und dem ständigen Austausch zwischen den Gliedern der Gesellschaft getragen wird, von denen sich einige eine besondere Autorität erarbeitet haben. Von daher wären Mehrheitsabstimmungen über Sachfragen oder libertäre „Freiheit“ vollkommen abwegig.

Man wird fragen, ob denn nicht das Labor im Zentrum stehen müßte, aber das macht weder historisch Sinn noch „funktionell“. Am Anfang steht immer ein „Wilhelm Reich“, der eine Beobachtung macht bzw. eine Hypothese aufstellt und die dann überprüft. Es ist, man verzeihe mir den Vergleich, wie bei einem Rockstar. Normalerweise überbieten sich diese bei ihrem überschwenglichen Dank an die Fans, die das ganze erst möglich machen würden. Sie, die Fans, wären sozusagen „der Kern“ der ganzen Angelegenheit. Diese Haltung ist genauso universell wie unlogisch. Das ist mir bei einem Interview mit Doyle Wolfgang von Frankenstein aufgegangen, der sich über die Zudringlichkeit seiner Fans schrecklich aufregte und vollkommen richtig meinte, sie, die Fans würde es (eben als Fans) gar nicht geben, würde er, Doyle, seine Vision und seine Arbeit, nicht existieren! Sie sollen gefälligst ihm dankbar sein und ihn bezahlen, wenn sie seine Musik hören wollen.