Paki S. Wright’s THE ALL SOULS‘ WAITING ROOM (Teil 1)

The All Souls‘ Waiting Room : Wright, Paki S.: Amazon.de: Bücher

Dieser „Roman“ ist die extrem verfremdete Autobiographie der Tochter („Johnnine“) der zeitweisen Lebensgefährtin („Dinah Hapgood“) des Orgonomen Michael Silvert („Daniel Pahlser“) von Mitte der 1940er bis Anfang der 1960er Jahre. Dinah war eine Krankenschwester, eine unabhängige, resolute Frau, die dem Alkohol nicht abgeneigt war, Bars besuchte, dort Männerbekanntschaften machte und imgrunde kalt war. Jedenfalls fühlte sich Johnnine von ihrer alleinerziehenden Mutter „verängstigt, verraten, ungeliebt und ungeschützt“ – aber sie wuchs „sexuell frei“ auf…

Von Anfang an war die Orgonomie von schlichtweg „verrückten Leuten“ durchsetzt. Zunächst war da die zutiefst gestörte Hexe Felicia Saxe, die ich vor kurzem in einer anderen Buchbesprechung beschrieben habe. Im hier zu besprechenden Buch betritt zunächst der Orgontherapeut „Ernesto Febrillo“ das Horrorkabinett. Während der Orgontherapie von Johnnine zieht Dr. Febrillo unvermittelt einen kleinen Dildo (sic!) aus einer Tasche seines Kittels, fragt Johnnine, was das ist, und fordert die Vierjährige auf den Dildo kräftig zu beißen, um ihre Wut rauszulassen. Wer war „Ernesto Febrillo“? Trotz aller Verfremdung habe ich eine Idee angesichts der Erinnerungen eines weiteren der damaligen „Kinder der Zukunft“: Malcolm J. Brenner in seinem Buch Growing Up in the Orgone Box.

Es folgt der Auftritt von Daniel Pahlser, also Silvert: Nachdem er und Johnnines Mutter mitbekommen hatten, daß die kleine Johnnine und ihr kleiner katholischer Spielkamerad Brian am Strand Geschlechtsverkehr spielen wollten, Brian aber gar nicht wußte, was das ist, mußten sie zur sexualökonomischen Tat schreiten. Johnnine, 4 Jahre, kommt nach Hause und findet ihre Mutter weinend und völlig aufgelöst im Wohnzimmer vor. Das Kind solle ins Schlafzimmer gehen, wo ihr quasi Stiefvater (und Orgontherapeut ihrer Mutter) auf sie warte. Der nackte und halberigierte Silvert fordert das Mädchen auf sich auszuziehen und den Geschlechtsverkehr mit ihm auszuüben. Sie solle ihn streicheln, er kann mit seinem „riesigen Penis“ nicht in sie eindringen, Ejakulation.

Sie reagierte wie jedes kindliche Opfer derartiger sexueller Übergriffe reagiert: „Ich weiß noch, daß ich damals wußte, daß meine Mutter mich hassen mußte, daß sie mich bestrafen wollte. Die einzige Möglichkeit weiterzuleben, bestand darin, mein Herz zu versteinern, so zu tun, als wäre es mir egal, als wäre ich nicht in dem Zimmer mit [Silvert], als wäre ich in Wirklichkeit ganz woanders, eine Million Kilometer weit weg“ (S. 63).

Weil sie durch eine entscheidende Prüfung am College durchgefallen ist, verübt Johnnine mit 18 einen Selbstmordversuch, um den diese „Novelle“ kreist. In diesem Zusammenhang fällt eine Bemerkung, die mich zusätzlich innerlich aufgewühlt hat: „Du hast einen großen Teil deiner Seele aus deinem Körper verbannt, den Teil, der sich verängstigt, verraten, ungeliebt und ungeschützt fühlte. Selbstmord ist manchmal ein letzter Versuch, sich wieder mit den verbannten Teilen der Seele zu vereinen” (ebd.)

Es sollte erwähnt sein, daß die Autorin Reich bis heute keinerlei Vorwürfe macht! Meine Erachtens war Reich Opfer zweier Dynamiken: Erstens stand er vorbehaltlos für eine sexualpositive Einstellung, was schnell entgleiten kann. Beispielsweise bin ich vorbehaltlos für den privaten Waffenbesitz, da das unveräußerliche Recht auf Leben, Unversehrtheit und Eigentum das grundlegende Menschenrecht ist, wenn „Menschenrechte“ überhaupt irgendeinen Sinn haben sollen. Über die Gegenwahrheit zum privaten Waffenbesitz brauchen wir nicht zu diskutieren… Zweitens: nehmen wir das Beispiel der Hare Krishna-Sekte. Als deren stockbürgerlicher Begründer im fortgeschrittenen Alter und einem Leben mit Beruf und Ehefrau nach seinem Mönchsgelübte nach Amerika kam und von einem süßen kleinen kuhäugigen Jungen namens „Krishna“ schwärmte, konnte er sich nicht im Entferntesten ausmalen, daß er damit vor allem heimliche Homosexuelle und Päderasten anzog und daß der Horror, den Kinder später in dieser Sekte durchmachten, damit unausweichlich vorprogrammiert war. Ähnlich bei Reich. Wie soll man als einigermaßen gesunder Mensch die von Steig und Wright und anderen beschriebenen Abgründe und schiere IDIOTIE auch nur ansatzweise antizipieren! Es ist weit außerhalb jedes Horizonts!

Schlagwörter: , , , , , , ,

10 Antworten to “Paki S. Wright’s THE ALL SOULS‘ WAITING ROOM (Teil 1)”

  1. Avatar von Peter Töpfer Peter Töpfer Says:

    Das ist ja schrecklich! Ich konnte/wollte es ehrlich gesagt nicht zu Ende lesen.
    Ich habe die Orgonomen immer in Schutz genommen und daß man sie nicht mit Alfred Charles Kinsey usw. verwechseln soll. Aber das kann ich mir fürderhin abschminken.

    • Avatar von Robert (Berlin) Robert (Berlin) Says:

      Was ich bei der ganzen Sache nicht verstehe: wieso hat Reich von all diesen Ekelheiten nichts gewusst oder hat er solche Fakten bewusst verdrängt, weil er niemand anderen zur Verfügung hatte?

    • Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

      Saxe, eine deutsche Migrantin war „Kindertherapeutin“, meines Wissens ohne entsprechende konventionelle Ausbildung und Lizenz. Reich hat sie, Baker zufolge, rausgeworfen, als sie auch ewachsene Patienten behandeln wollte. Ob der Rauswurf auch wegen ihrer Übergriffe gegenüber Kindern erfolgte, weiß ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen.

      Was Duvall betrifft gab es eine Auseinandersetzung wegen Cott, der, zuständig für die „Ethik“ unter den Orgontherapeuten, sich vehement Reich gegenüber wegen Duvall beschwerte, weil der (man kannte sich lange schon vor der Reich-Zeit) ein schlimmer Neurotiker sei. Reich hielt zu Duvall, was Cott (neben anderen Faktoren) dazu brachte, sich langsam aber sicher von Reich zu lösen, bis er sogar mit der FDA kooperierte – was Reich zeigte, daß er zu dem richtigen gestanden hatte. Es gab schon damals Vorwürfe gegen Duvall, doch drehten sich vor allem darum, daß er keine Lizenz für New York, sondern nur für New Jersey habe etc. Schließlich ging er nach Californien und hatte viele prominente Patienten aus Hollywood – und deren Kinder…

      Es gab lange nach Reichs Tod Beschwerden gegen ihn, die man Baker unterbreitete – und man war entsetzt, daß Baker nichts tat. Problem war, daß Baker und Duvall schon lange vor der Orgonomie enge persönliche Freunde waren, Duvall eine wichtige Rolle spielte (Hollywood) und viele Orgonomen, etwa Blasband, wirklich nichts Schlechtes über ihn sagen konnten… DeMeo hat die Vorwürfe von Malcom Brenner gegenüber Duvall mit dem „Argument“ zurückgewiesen, Brenner habe ja schließlich von seiner Liebesaffäre und dem Sex mit einer Delphinin (sic!!!) berichtet. Worauf ich nur sagen konnte: wenn DAS das Ergebnis von Duvalls Therapie ist, dann…

      Silvert ist ein Fall für sich, allein schon, weil er wirklich keinen einzigen Freund unter seinen Kollegen hatte, sozusagen aus dem Nichts auf Orgonon auftauchte und sich sofort als der Ultraorthodoxeste profilierte und Reich in allem nachäffte. Unabhängig voneinander haben Orgontherapeuten berichtet, wie entsetzt und angewidert sie waren, als Silvert ihnen erzählte, Gepanzerte dürften keinen Sex haben. Eine vollkommen irre und durch und durch widersinnige Aussage, die etwa so sinnvoll ist, daß sich nur Spitzensportler bewegen dürfen… Reich mußte ihm wiederholt verbieten Patienten zu behandeln, insbesondere weibliche, weil es immer wieder zu Beschwerden von Übergriffigkeiten kam. Beispielsweise zeigte er ein auffälliges Interesse für die weiblichen Sexualorgane, wollte mit den Frauen „pornographische“ Details besprechen… Ein Widerling und Ekeloid!

      Warum ihn Reich nicht rausgeworfen hat? Es gab Patienten, die ihn geradezu vergöttert haben, insbesondere seine Entbindungen und seine Betreuung (von der Ausbildung her, war er, wenn ich recht orientiert bin, Frauenarzt); auch seine männlichen (!) Patienten, die er in Orgontherapie hatte, verehrten ihn und hielten ihm noch lange nach seinem Tod die Treue. Er war der einzige, der sich wirklich in der Orgonbiophysik engagierte, Cloudbusting betrieb, das ORUR nach Arizona flog und wirklich stets superengagiert war und was auf die Beine stellen konnte. Wyvell zufolge, Reichs Sekretärin und zeitweise Geliebte, war auch kurz mit Silvert zusammen und beschrieb ihn als echten pestilenten Charakter – und genau das faszinierte Reich, denn die Heilung SIlverts, eines echten pestilenten und damit UNHEILBAREN Charakters, sollte der kröhnende Abschluß von Reichs Karriere als Psychotherapeut sein. Wyvell berichtete, daß Aurora Karrer, Reichs Frau, ihr gestanden habe, daß Reich nach den Sitzungen mit Silvert absolut unausstehlich war und sie sich zu diesen Zeiten deshalb tunlichst von Reich fernhielt. Auf seiner Selbstmordnotiz schrieb Silvert, er habe sich umgebracht, weil er an einer „unheilbaren Krankheit“ leide…

  2. Avatar von O. O. Says:

    „Damals wie heute“, sage ich dazu. Haltet euch fern von dieser „Szene“.

    Es ist so „schrecklich“, dem schließe ich mich an. Und so „ekelhaft“, dass mir schlecht wird. Keiner mag es lesen oder hören, noch kann oder will ich es überhaupt glauben. – Doch danke ich Peter, dass dass hier mal zur Sprache kommen kann!

    Die Idole der Orgonomy mutieren zu Monstern. Derjenige (wie Cott), der darauf hinweist, ihm wird nicht geglaubt und wird isoliert. Und DeMeo – wo er hier schon einmal erwähnt ist, verteidigt ein Monster, was mich um nichts wundert. Und wir wissen welchen Einfluss er in Berlin und auf die deutsche „Orgonomie“ hatte, fett mit dem ACO verbunden war und Reich wie Silvert „nachlebte“ und im Ergebnis das DOR propagierte (meine Interpretation). Natürlich könnte man bei ihm sich immer begeistern, weil er scheinbar „für das Richtige“ stand. Er stand Seite an Seite mit Bernd Senf, ein weiterer „Begeisterer“ aus Berlin, der mit „Nach Reich“, die Orgonomy zur unkenntliche Esoterik entwickelte – alles mit allem vermischte – von „Akkupunktur des Himmels“ hin bis zu seinen DOR-Akkumulatoren, die das Orgon-„Gifting“ (schönes deutsches Wort!) erst ermöglicht haben. Vom cloudbuster zum chembuster wird Reich verunstaltet und gleichgesetzt und damit sabotiert. Und immer beziehen sich alle auf Senf (nicht auf Reich) oder … oder … oder …

    Cott ging zur FDA, verständlich aus seiner Sicht, und er wird zum Feind. Er stoppte damit die gesamte Orgonomy und zerstörte mit ihr Reich. Ein Trauma und eine willkommene Gelegenheit für die Monster, sich als Opfer zu inszenieren. „Reichianer“ sind damit „moralisch im Recht“ und kämpfen für das vermeintlich Gute. Das macht(e) uns blind; und das ködert(e) uns. Und es brachte uns wieder in die Falle der Orgonomy – frei nach Bakers „Der Mensch in der Falle“.

    Silvert zeigte einen Hauch von Ehre durch seinen Suizid und gleichzeitig, glaubte ich ihn „als Opfer“ – unwissend darüber, was er wirklich tat. Er beendete damit seine „unheilbare Krankheit“ und verhinderte damit, weiteren Schaden in der Zukunft anzurichten. Reich scheiterte mit seiner Orgontherapie an Silvert. Der krönende Abschluss Reichs als „Psychotherapeut“ blieb aus und es endete mit einer Tragödie.

    Der Tag, an dem ich Blasband (als Präsident des ACO) kennenlernte, änderte mein Leben komplett. Ich rannte blind in die Falle.

  3. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Interessant:

    Reich hat auch in der Kultur seine Spuren hinterlassen. So ließen sich beispielsweise Schriftsteller der Beat-Generation inspirieren und bauten ihre eigenen Orgonschränke. Der Jazzmusiker Gil Evans ging bei einem von Reichs Schülern in Therapie und schuf den Song Orgone, den er mit Miles Davis aufnahm. In Sigurd Hoels letztem Roman, Der Trollring (1958), gibt es eine Hauptfigur, die eindeutig Wilhelm Reich nachempfunden ist. Und in John Lennons Song Mind Games (1973) findet sich ein Hinweis auf Reichs blaue Orgonenergie: „Aus der blauen Lebensenergie, wie ein UFO kamst du zu mir“.

    Wilhelm Reich | Skeivt arkiv

    • Avatar von Robert (Berlin) Robert (Berlin) Says:

      Siehe aber auch die Kritik von Svein Atle Skålevåg:

      Es sind die Auswirkungen Reichs auf die norwegische Literatur und das kulturelle Leben, die Nilsens Geschichte prägen. Sigurd Hoels Arbeit am Roman 
      Trollringen eröffnet und beendet das Buch. Hoel wurde von Reich analysiert, und dieser Roman ist laut Nilsen in Wirklichkeit ein Roman über Reich. Darüber hinaus ist der Roman Syndere i sommersol ein Gruppenporträt des radikalen Milieus, das 1934 das Reich in Norwegen begrüßte. Derselbe Hoel war Herausgeber von Agnar Mykles Roman Sangen om den røde rubin , was dazu führte, dass der Autor vor Gericht gestellt wurde in einem Fall, der als „Echo“ des Streits um galt. Und Arnulf Øverlands Gedicht „Du darfst nicht schlafen“, das dem Buch seinen Namen gab, ist laut Nilsen „einer der deutlichsten Ausdrucksformen der Wirkung der Psychoanalyse in der norwegischen Kulturgeschichte“. Nilsen beschreibt gut, wie das Leben dieser Schriftsteller mit Reich und der Psychoanalyse verknüpft ist. Sowohl bei Hoel als auch bei Øverland erfahren wir viel über die Probleme, die in ihren jeweiligen Analysen auftraten. Ich denke immer noch, dass Nilsen etwas zu hartnäckig nach Ausdrucksformen der Wirkung der Psychoanalyse sucht, ohne tatsächlich zu zeigen, dass die Analytik der Psychoanalyse in der Literatur irgendeinen Unterschied macht. Wir erfahren, dass Arnulf Øverland sich einer Analyse mit Reich unterzog, während er „Du darfst nicht schlafen“ schrieb, aber trägt das zu unserem Verständnis des Gedichts bei? Die Autoren, die wir treffen, befassen sich mit der Analyse (und mit Reich), aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie irgendetwas in der Welt damit anfangen – als Autoren. Stattdessen handelt es sich hier bei allen Romanen um Schlüsselromane, die leicht entschlüsselt werden können, um herauszufinden, was die Schauspieler zu bestimmten Zeitpunkten meinten und dachten. Eine ähnliche Lesart kennzeichnet die Lektüre der psychoanalytischen Fallbeschreibungen, die ebenfalls als unproblematische Eindrücke der äußeren Realität gelesen werden. In beiden Fällen hätte die Analyse von einer etwas komplizierteren Lesart und einer genaueren Suche nach Widersprüchen in den Texten profitiert.

      Historisk tidsskrift

      https://www.idunn.no/doi/10.18261/ht.102.3.9

  4. Avatar von Robert (Berlin) Robert (Berlin) Says:

    „Derselbe Hoel war Herausgeber von Agnar Mykles Roman Das Lied vom roten Rubin , was dazu führte, dass der Autor vor Gericht gestellt wurde in einem Fall, der als „Echo“ des Streits um Reich galt.“

    Dazu Wikipedia:

    „Das Lied vom roten Rubin“ brachte ihm 1957 einen Gerichtsprozess ein, der großes Aufsehen erregte. Man klagte ihn der Verbreitung pornographischer und unmoralischer Schriften an. In Deutschland wurden Verkauf und Weitergabe an Minderjährige verboten. Zwar wurde Mykle schließlich freigesprochen, die als unzutreffend empfundenen Anschuldigungen zeichneten ihn aber für den Rest seines Lebens, das er in strenger Zurückgezogenheit verbrachte. Bis zu seinem Tod veröffentlichte er nur noch wenig.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..