Es gibt zwei Management-Ansätze, in denen die Arbeitsdemokratie in Betrieben heute konkret zum tragen kommt.
- Da wäre zunächst das in den 1950er Jahren von dem Psychologen Frederick Herzberg entwickelte Job Enrichment (Arbeitsbereicherung). Im Rahmen der Delegation von Verantwortung werden Funktionen (Planung, Kontrolle, Entscheidungentreffen), die vorher autoritär von hierarchisch höheren Stellen wahrgenommen wurden, der Gestaltungshoheit des einzelnen Arbeitenden unterstellt. Kurz gesagt wird die vertikale Arbeitsteilung aufgehoben und jeder ist sein eigener Herr, was sein Spezialgebiet und seine Expertise betrifft.
- Das dazu alternative Konzept ist das u.a. von dem Psychologen E. E. Lawler in den 1990er Jahren entwickelte High Involvement Management (HIM), bei dem es um die weitgehende Aufhebung der horizontalen Arbeitsteilung geht. Das kann man sich am besten anhand des Fließbandarbeiters vorstellen, der maschinenartig und vereinzelt nur eine oder einige wenige Handgriffe ausführt. Dieses extreme Spezialistentum soll aufgehoben werden, u.a. durch Teamarbeit und „Rollentausch“, damit der Betrieb als Ganzes flexibler und damit profitabler auf Veränderungen und Herausforderungen reagieren kann.
Die Relevanz dieser beiden hier stark vereinfacht dargestellten Ansätze für das Reichsche Konzept „Arbeitsdemokratie“ sollte offensichtlich sein:
- Nicht „Politiker“, also Menschen, die vom eigentlichen Arbeitsprozeß getrennt sind, sollen die Entscheidungen über die Arbeitsprozesse treffen, sondern „arbeitsdemokratisch“ die Arbeitenden selbst. (Aufhebung der „vertikalen Grenzen“.)
- Jeder Arbeitende muß sich in das Netz des Arbeitsgefüges organisch einpassen und sich „arbeitsdemokratisch“ mit den anderen Arbeitenden austauschen. (Aufhebung der „horizontalen Grenzen“.)
Stephen Wood, University of Leicester, et al. haben nun erstmals untersucht, wie diese beiden in vieler Hinsicht gegensätzlichen Management-Ansätze sich nicht nur auf die Produktivität der Betriebe auswirken, sondern auch auf das Wohlbefinden der sogenannten „Arbeitnehmer“.
Ihre ausgedehnte statistische Analyse zeigte, daß sowohl Arbeitsbereicherung als auch HIM sich positiv auf die Arbeitsproduktivität, das finanzielle Abschneiden der Betriebe und die Qualität der Produkte auswirkt. Während jedoch die Arbeitsbereicherung zu einer erhöhten Arbeitsbefriedigung führt, ist HIM ganz im Gegenteil mit Unwohlsein was den Job betrifft und darüber hinaus auch noch mit Angst korreliert. Während bei der Arbeitsbereicherung die Befriedigung durch die Arbeit unmittelbar zu höherer Produktivität und Qualität führt, werden diese Faktoren bei HIM durch das Unwohlsein und die Angst der Arbeitenden negativ beeinflußt, obwohl sich HIM global gesehen immer noch positiv auf die Performance des Betriebes auswirkt.
Die Autoren erklären diesen frappanten Unterschied zwischen Arbeitsbereicherung und HIM damit, daß bei der Arbeitsbereicherung die Arbeitenden eine größere Verantwortung und Autonomie haben und dergestalt größere Wahlmöglichkeiten, bessere Möglichkeiten sich lustvoll zu entfalten. Sie fühlen sich befreit vom „vertikalen Druck“ der Hierarchie, der vorher auf ihnen lastete.
HIM hingegen bringt eine qualitative Veränderung in den Herausforderungen, den der Beruf an einen stellt, mit sich: man hat offen, kooperativ und flexibel zu sein, was zu Ängsten und Unzufriedenheit führt. Das ganze wird stressiger, weil mehr von einem verlangt wird.
Ich habe mich mit den Problemen der vertikalen und der horizontalen Arbeitsdemokratie bereits in einem anderen Zusammenhang beschäftigt.
Hier genügt es auf das Orgonom mit seinen sieben Panzerringen zu verweisen, das seine Entsprechung in der vertikalen Arbeitsdemokratie hat. Das Gefühl der Befreiung, wenn sich die Blockaden auflösen, die den vertikalen Fluß der Energie behindern, empfindet man nicht nur in der Orgontherapie, sondern entsprechend auch bei der Arbeitsbereicherung.
Bei HIM geht es um die weitaus schwierigere Befreiung des orgonotischen Systems, d.h. die vorsichtige Lösung der Angststarre (Sympathikotonie). Im Betrieb entspricht dieser mehr „charakteranalytische“ Ansatz der Befreiung der Arbeitenden aus ihrer Vereinzelung und ihrem engstirnigen Spezialistentum.
Schlagwörter: Arbeitsbereicherung, Entscheidungentreffen, High Involvement Management, Job Enrichment, Körperpsychotherapie, Kontrolle, Management, Organisational Development, Planung, Politiker, Teamarbeit

31. Januar 2022 um 17:43 |
Salut!
Man muss gar nicht so weit weg schauen ob es irgendwo zumindest Ansätze einer Form von Arbeitsdemokratie im Komplex eines Unternehmens gibt.
Ich empfehle jedem sich das Mondragon Beispiel anzusehen. Gegründet von einem katholischen Priester welcher stark durch die Ideen der katholischen Soziallehre inspiriert wurde aber gleichzeitig den Einfluss von Ideologien, Politikern (sic!) und Gewerkschaften zurückdrängte. Letzteres auf Grund seiner Erfahrungen im spanischem Bürgerkrieg.
Hier ein Link zur weiteren Begutachtung durch den interessierten Leser:
Klicke, um auf Joel-Barker-Mondragon-article.pdf zuzugreifen
Wesentlich sind die einmaligen Strukturen: es gibt kaum unselbstständig Beschäftigte – die Mehrheit sind Genossenschaftler aber im Endeffekt Unternehmer in einem Unternehmen. Dies ist übrigens schriftlich festgelegt. Auch Gewerkschaften spielen keine Rolle. Einmalig daran ist die konsequente Umsetzung der Devise: Hilf Dir selbst.
Es wurden eigene Ausbildungseinrichtungen und sogar eine eigene Bank geschaffen. Soziale Absicherung/Rente ist gekoppelt mit dem Unternehmenserfolg. Natürlich gibt es auch da Schattenseiten: die einseitige Konzentration auf das halten von Arbeitsplätzen ist ebenso schädlich wie die 100%ige Unterwerfung unter der Ägide von Investoren und dem sogenannten „Kapital“. Genaueres siehe Link und eigene Recherche wenn es interessiert. MMn ist der Mondragon Konzern eine der wenigen Beispiele einer gelungenen Umsetzung von zumindest großen Anteilen einer Art von Arbeitsdemokratie. Aber natürlich nur suboptimal da der wesentliche Punkt die Charakterstruktur der Menschen ist – und die ändert sich nicht von Heute auf Morgen.