Die Zerstörung der Arbeitsdemokratie durch „flache Hierarchien“

In der autoritären Gesellschaft beruhte alles auf Autorität, egal ob diese rational oder irrational war. Daß nicht zwischen den beiden Formen der Autorität unterschieden wurde, machte die Schwäche der autoritären Gesellschaft aus. Gleichzeitig war dieses „Befehl ist Befehl!“ aber auch ihre größte Stärke. Am deutlichsten wird das beim Militär. Hauptsache es werden überhaupt Befehle gegeben, die eine klare Linie erkennen lassen, da ansonsten alles auseinanderfällt, denn Krieg ist vor allem eins: Chaos.

In der antiautoritären Gesellschaft ist es genau umgekehrt, d.h. aus Angst vor irrationaler Autorität (tatsächlich natürlich aus einer emotionalen Ablehnung jedweder Autorität heraus) werden die Hierarchien eingeebnet, niemand weiß mehr was er tun soll und selbst im normalen Leben (also ohne Artilleriebeschuß, Flächenbombardements und Hinterhalte durch Kommandoeinheiten) bricht das vollkommene Chaos aus. Beispielsweise war es früher einem niedergelassenen Arzt ein Leichtes, mit dem zuständigen Kollegen in einer Klinik über einen gemeinsamen Patienten zu sprechen. Heute ist es eine surreale Schnitzeljagd. Niemand ist mehr zuständig, niemand trägt die Verantwortung und niemand kann einem sagen, an wen man sich denn stattdessen wenden soll. Ja, ich überzeichne, aber so ist es, jedenfalls tendenziell, heutzutage in jedem Bereich der Gesellschaft.

Es ist, als Wenn die Affen den Zoo regieren. So überschrieb der Organisationssoziologe Stefan Kühl vor nunmehr zwei Jahrzehnten sein Buch über „Die Tücken der flachen Hierarchien“ (Campus Verlag, 1998, Erstauflage 1994). Bereits damals warnte er eindringlich vor der modischen Enthierarchisierung und Dezentralisierung.

  • Die Unternehmen verlören an Kohärenz und würden buchstäblich auseinanderfließen, wie ein Sandhaufen, der nicht „autoritär“ abgestützt wird: mechanisches statt orgonomisches Potential!
  • Die Mitarbeiter hätten kein klares Bild mehr vom Unternehmen und ihrem eigenen Platz im Unternehmen: okulare Panzerung, wachsende Kontaktlosigkeit!
  • Die Unternehmensausrichtung auf „Innovation und Wandel“ führe zu aufreibenden Auseinandersetzungen: Arbeitsdemokratie wird durch ihr Gegenteil ersetzt, nämlich Politik!
  • Es werde im Rahmen der „Demokratisierung“ versucht, die Komplexität der Unternehmensprozesse zu vereinfachen, was jedoch zu nur noch mehr Komplexität („Durcheinander“) führe: die Selbstregulierung soll „gemanaged“ werden, was zur Zerstörung der Selbstregulierung führt!

Kühl versuchte diesen Dilemmata mit Hilfe der damals modischen „Chaos- und Komplexitätsforschungen“ entgegenzutreten, doch das ist ein hilfloses herumdoktern an den Symptomen, das (wie er ja selbst in seiner Kritik der „flachen Hierarchien“ zeigt!) nur zu einer Verschlimmbesserung führen kann.

Die flachen Hierarchien sind Ausdruck der charakter-strukturellen Dynamik, die hinter der antiautoritären Gesellschaft steckt. Eine gangbare Alternative kann nur mit Kenntnis dieser Zusammenhänge entwickelt werden. Das hat Charles Konia en détail herausgearbeitet:

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11 Antworten to “Die Zerstörung der Arbeitsdemokratie durch „flache Hierarchien“”

  1. Avatar von davidmoerike David Says:

    Ist nicht eine Behörde oder Firma umso schwerfälliger, umso weniger flexibel, je höher die Hierarchie ist, d.h. je mehr Stufen die Hierarchie hat?

    • Avatar von Robert (Berlin) Robert (Berlin) Says:

      Die großen Konzerne haben alle klare Hierarchien und sogar Jahrespläne, also Diktatur und Planwirtschaft. Bei IBM oder Pfizer gibt es keine flachen Hierarchien.

  2. Avatar von Denis Roller Denis Roller Says:

    @ David, @ Robert: Nein. Darum geht es nicht. Lest den Text nochmal. Es geht darum, dass in der anti- autoritären Gesellschaft eine grundlegende emotionale Ablehnung JEDER Autorität besteht. Warum? Man akzeptiert keine Angst mehr in seinem Leben. Gar keine! Früher erkannte und akzeptierte man die positiven Aspekte der „Angst“, der „Kontraktion“, man riss sich eben zusammen. Die Panzerung war mehr muskulär. Heute sagt man, Angst sei per se niemals nötig. Die Panzerung ist also okular. Im Gehirn.

    Man würde es sich selbst heutzutage oft nicht gestatten, den Vorgesetzten gegenüber „Angst“ zu empfinden. Daher die „flachen Hierarchien“. ABER: Ohne Angst funktioniert gar nix. Angst gehört dazu. Liebe, Arbeit, Wissen- Expansion, Kontraktion, Pulsation. Ohne Kontraktion- keine Expansion. Ohne Angst- keine Liebe.

    Die Menschen von heute können mit ihrer Freiheit nicht umgehen! Sie können nicht kontrahieren! Nicht einmal für sich selbst!
    Jetzt da es keine Autoritäten mehr gibt, die es ihnen „gebieten“ dürften, sich bei Bedarf zusammen zu reissen- können die Menschen nicht einmal Angst davor haben, ganz alleine, nur für sich selbst und nur im Umgang mit sich selbst zu versagen. Darum geht es im Text.

    • Avatar von Klaus Klaus Says:

      Ja!!! Und an die Stelle klarer Hierarchien treten – jedenfalls in Schulen – (typisch linksliberale) Ränkespiele: Sympathiegruppen, die willkürlich ausschließen, je nachdem, ob die Ästhetik ihnen passt oder nicht. Autorität sollen eigentlich bestimmte Ämter ausüben; die sind aber nichts als Kollegen. Das ist ein Beispiel der Verflachung.

    • Avatar von Robert (Berlin) Robert (Berlin) Says:

      Ich lass mir von Dir keine Angst machen 😉

  3. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Was auch in diesen Zusammenhang gehört: das Berater-Unwesen. In der heutigen BILD beklagt die PRAKTIKER-Großaktionärin (also die große Kapitalistin – die betrogen und enteignet wurde!), daß PRAKTIKER 2012 einen Umsatz von 3 Milliarden Euro (sic!) hatte, aber in dem Jahr 190 Millionen Euro (sic!) Verlust machte.

    Alleine für Berater-Gutachten habe die Baumarkt-Kette in den letzten eineinhalb Jahren 80 Mio. Euro ausgegeben. Ihr Vorwurf: „Praktiker wurde regelrecht ausgeblutet.“

  4. Avatar von davidmoerike David Says:

    Alleine für Berater-Gutachten habe die Baumarkt-Kette in den letzten eineinhalb Jahren 80 Mio. Euro ausgegeben. Ihr Vorwurf: “Praktiker wurde regelrecht ausgeblutet.”

    Wie ich glaube, werden auch der Staat, die Landkreise, und die Kommunen immer wieder auf diese Weise ausgequetscht!

    Wie ich vielleicht schon sagte: Sobald hier die Auftragnehmer / Anbieter und die mit ihnen verbündeten Berater den Markt vollständig kontrollieren, werden auch kaum noch Bestechungsgelder gezahlt.

    Es ist nicht Korruption im Sinne von Bestechung.

    Es ist der Endzustand der Korruption im Sinne eines krebsigen Prozesses!

    So sehe ich das.

    Die – hier genannte – große Kapitalistin jedoch fiel solchen Vorgängen zum Opfer vielleicht nicht durch Bestechung, sondern eher durch Mangel an Schlauheit und Wachsamkeit. Ihr Pech.

    • Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

      Entweder mußte die Kapitalisten einfach hinnehmen, was die Manager gemacht haben, oder ihr wurde alles mögliche aufgeschwatzt. Tun mir jetzt schon Großaktionäre leid? Mir tun die zig Millionen leid, die man unternehmerisch oder als Mäzen für alle profitbringend hätte investieren können, stattdessen sind sie versickert und irgendwelche Wichte hauen sich jetzt unproduktiv die Wampe voll, während die älteren Arbeitnehmer vor HartzIV und dann einer mikrigen Rente stehen.

  5. Avatar von Klaus Klaus Says:

    Gutachter:

    Margarete Vehrs, Leiterin des vielfach ausgezeichneten Pflegeheims Villa am Buttermarkt im Eifelörtchen Adenau, kann diese Klagen nicht mehr hören. Ein Heimplatz Pflegestufe III kostet bei ihr 3658 Euro im Monat, damit liegt sie zwar über dem Landesdurchschnitt, gehört aber trotzdem nicht zu den teuren Einrichtungen. „Wir arbeiten auch am Limit und natürlich wäre es etwas leichter, wenn wir mehr Geld hätten. Aber ich habe in mehreren Einrichtungen gearbeitet und immer wieder erlebt: Die Heime machen fast alle Gewinne.“

    Entscheidend ist für Vehrs, was man mit den Einnahmen macht. Der gemeinnützige Trägerverein Projekt 3, der neben der Villa am Buttermarkt noch sieben weitere Einrichtungen in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt betreibt, steckt das Geld zum Beispiel nicht in die Verwaltung, sondern ins Pflegepersonal. „Brauche ich unbedingt eine Qualitätsmanagerin, die am Schreibtisch sitzt und ganz viele Berichte schreibt, die kein Mensch liest? Oder stelle ich stattdessen eine weitere Pflegerin ein? Dann habe ich vielleicht eine schlechtere Note, weil die Dokumentation nicht geschrieben wird. Dafür fühlen sich die Bewohner wohl“, sagt Margarete Vehrs.

    http://www.fr-online.de/politik/pflegebranche-das-geschaeft-mit-der-pflege,1472596,23727028.html?google_editors_picks=true

  6. Avatar von Robert (Berlin) Robert (Berlin) Says:

    Aus aktuellem Anlass: Was ist Arbeitsdemokratie?

    http://www.trettin-tv.de/orgonstar/22Fr31052013.html

  7. Avatar von Sven Perlick Sven Perlick Says:

    Große Konzerne brauchen für den Prozess zur flachen Hierarchie wesentlich länger. Wo steile Hierarchien vorherrschen ist die Umstrukturieung umso schwerer. Die Menschen neigen dazu ihre Macht nicht hergeben zu wollen, egal wie gut oder schlecht sie in ihrem Bereich sind. Dadurch wird viel Innovationskraft verhindert. Pfizer und IBM haben Produkte die einen Goldstandart haben und sich kurzfristig keine Gedanken machen brauchen. Aber auch diese Konzerne werden umdenken müssen.

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