In den 1920er Jahren war die Psychoanalyse genau den gleichen Anfeindungen ausgesetzt wie heute: sie sei unwissenschaftlich, weil es nichts zu messen gibt. Reich verteidigte sie, indem er darauf hinwies, daß die Ergebnisse intersubjektiv sind: egal wer psychoanalysiert, solange er die richtige Technik benutzt, wird er zu den gleichen Ergebnissen kommen. Wo genau die Psychoanalyse (bzw. ihre Weiterentwicklung durch Reich – den Rest der Psychoanalyse kann man getrost vergessen) ansetzt, was genau sie verändert und wie man das objektiv messen kann, hat Reich dann später erforscht: die Aufhebung der Sympathikotonie bzw. der orgonotischen Kontraktion. Das kann man nicht an einzelnen Meßergebnissen, etwa am Cholesterin im Blutbild, festmachen, vielmehr müssen sie „funktionell“ interpretiert, d.h. in einen Zusammenhang gesetzt werden.
In den 1950er Jahre ist John Pierrakos, ein Schüler Reichs, an diesen herangetreten, weil er, im Gegensatz zu Reich selbst, „aurasichtig“ war und beim Cloudbusten genau beschreiben konnte, wie sich die Orgonenergie in der Umgebung des Geräts bewegt. Er war ziemlich befremdet, als Reich keinerlei Interesse an Pierrakos‘ Fähigkeiten zeigte. Reich war grundsätzlich nur an Dingen interessiert, die, jedenfalls vom Prinzip her, jeder wahrnehmen kann und, zweitens, die man unabhängig von (inter-) subjektiven Wahrnehmungen auch messen kann, wie etwa die atmosphärische Pulsation.
Die Orgonomie ist an zwei Dingen prinzipiell nicht interessiert: Erstens die sterile akademische Psychologie, die bereits vor 100 Jahren gegen die Psychoanalyse sturmlief, oder die sterile Atmosphärenphysik und Meteorologie mit ihren Meßwerten, die in keinerlei funktionellen Zusammenhang gesetzt werden. Zweitens „das Hören mit dem Dritten Ohr“, C.G. Jung und andere willkürliche und unüberprufbare „esoterische“ Spökenkiekerei, wie sie etwa später Pierrakos vertreten hat und wie sie heute mehr denn je die Randbereiche der Orgonomie verpestet.
Schlagwörter: Blutbild, C.G. Jung, Cholesterin, Funktionalismus, Intersubjektivität, John Pierrakos, Meßbarkeit, Mystizismus, Psychoanalyse, Wissenschaftstheorie
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