Peters unerträgliche Diktion

Ich habe angefangen Peter Töpfers gerade frisch erschienenes Buch über ein Bündnis von Agnostik und Theismus zu lesen: Pan-Agnostik (eigner verlag).

Töpfer ist über sich selbst verwundert, warum er beispielsweise von „satanistisch“ spricht. Der in dieser Hinsicht Leid geprüfte regelmäßige Leser des NACHRICHTENBRIEFES wird sich vielleicht fragen, warum der dezidiert a-religiöse Nasselstein schon immer dieser merkwürdigen Wortwahl gefrönt hat. Das hat vier Gründe:

1. Meine Eltern haben die Kirche wirklich gehaßt. Mein Vater, weil eine uneheliche Cousine von seiner katholischen Familie ihr Leben lang wegen ihrer „inhärenten Sündigkeit“ schlecht behandelt wurde. Und meine Mutter, weil sie unmittelbar an der Reeperbahn aufgewachsen ist, dort weder als Kind, noch als Jugendliche und junge Frau jemals schlechte Erfahrungen gemacht hat, außer durch den evangelischen Pastor der Gemeinde. Die abgrundtiefe Verachtung für jedwede Religion war dergestalt quasi in meine DNA eingeprägt. Dann kam 1971/72 über das NDR-Radio der „spirituelle Schock“ in Gestalt des Mahavishnu Orchestras („the greatest band that ever was“). Seitdem habe ich mich durchgehend mit „religiösen Erfahrungen“ beschäftigt, ohne jemals wirklich „religiös“ gewesen zu sein. Man liest immer wieder und wieder, beispielsweise unter entsprechenden Videos auf Youtube, daß der, der damals das Mahavishnu Orchestra gehört hatte, nie wieder derselbe Mensch war. Selbst der ultra-diesseitige Frank Zappa, der absurderweise zeitweise mit dem Mahavishnu Orchestra tourte, war nach Aussage seiner Musiker danach ein anderer. Seine Musik veränderte sich, wurde emotional ernster und intensiver, dunkler, „existentieller“. Es ist schwer zu beschreiben, was mit „uns“ damals geschah. Ein „Esoteriker“ würde sicherlich sagen, „feinstoffliche Kanäle“ und „Chakras“ seien geöffnet worden. Auf nicht näher zu bestimmende Weise hatte das tatsächlich etwas mit der organismischen Orgonenergie zu tun. Jedenfalls bin ich mir sicher, daß ich ohne diese quasi „religiöse“ Erfahrung nie und nimmer bei der Orgonomie gelandet wäre.

2. Als zweiter entscheidender Einfluß wäre ausgerechnet Bernd A. Laska zu nennen. Offensichtlich vollkommen absurd, aber wahr. Ich hatte mich zu einem Experten in Sachen Hinduismus, Buddhismus und ein wenig Taoismus insbesondere aber Tantra entwickelt – so landete ich bei Reich und bei Laskas Wilhelm Reich Blättern. Ich erinnere mich bis heute, wie sehr mich ein Satz in seiner Rezension von Edward Manns Buch The Man Who Dreamed of Tomorrow geradezu vom Stuhl gerissen hat.  Laska fragt sich nämlich (WRB 3/81), warum Mann, der doch behauptet, Reich habe sich der Religion gegenüber immer aufgeschlossener gezeigt, nicht Reich zitiert: „Meine Sympathien gehören eher der christlichen Geisteswelt und der katholischen Sphäre.“ Was daran so bemerkenswert war? Mir ging auf: du kannst insbesondere über den Buddhismus labern soviel du willst, nirgendswo wirst du anecken, weder links, noch rechts, noch in der Mitte. Fang aber an zu schreiben, wie es im Johannesevangelium oder in der Johannesoffenbarung zu lesen ist, und die Leute werden schier ausrasten! Selbst Pfarrer reden nicht mehr so. Das war gegenüber dem üblichen „spirituellen Wischiwaschi“, das niemanden wehtut, irgendwie „Punk“, ähnlich wie das Mahavishnu Orchestra in seiner ganzen Brutalität „Punk“ war.

3. Mein „stilbildender“ Haupteinfluß war Jerome Eden. Durch ihn wurde ich von einem „Reichianer“ zu einem ultra-orthodoxen „Studenten der Orgonomie“.

4. Schließlich gibt es eine sachliche Begründung. Nur mittels einer quasi „biblischen“ Sprache wird wirklich das ausgedrückt, was tatsächlich gemeint ist. „DOR“, „Emotionelle Pest“, „emotionale Wüste“ etc. machen nur als ENERGETISCHE Begriffe, d.h. konkret als emotionale Ereignisse Sinn. Über diese Dinge „nüchtern“ sprechen zu wollen, ist eine Absurdität. Wenn der „kosmische Orgonenergie-Ozean“ mit „Gott“ gleichgesetzt wird und das DOR mit „Satan“, bedeutet das, daß es sich hier nicht um „neutrale Substanzen“ handelt, sondern, wie gesagt, um etwas Energetisches, das adäquat weniger abstrakt über den Kopf, sondern eher existentiell über den Solar plexus wirklich erfaßt werden kann. Der liberale Charakter ist dem prinzipiell nicht zugänglich – und der konservative Charakter ist meist leider zu gepanzert und erlebt das ganze nur auf eine mystisch verzerrte Weise. Meine Sprache stößt den Liberalen instantan ab – und das ist gut so…

Wie soll ich die heutige Lage anders beschreiben, wenn nicht als SATANISTISCH, da hat Töpfer vollkommen recht. Ich werde morgen näher darauf eingehen.

Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , , ,

5 Antworten to “Peters unerträgliche Diktion”

  1. Avatar von Peter Töpfer Peter Töpfer Says:

    >>Seitdem habe ich mich durchgehend mit „religiösen Erfahrungen“ beschäftigt, ohne jemals wirklich „religiös“ gewesen zu sein.< Ging mir immer genau so. Wobei ich aber nicht mal von „religiösen Erfahrungen“ sprechen würde, nur Beschäftigung mit religiösen Manifestierungen, besonders Musik (Bach).

    >>Mahavishnu Orchestra< Muß mich endlich mal damit befassen! Es is ja schön, wenn man auf seine alten Tage noch was zu entdecken hat. Neulich stieß ich auf das MO, als es um „Close to the Edge“ von Yes ging, das wesentlich vom MO inspiriert ist, und da ich ein Fan von Yes, besonders von „Close to the Edge“ bin, hatte ich mir das schon vorgenommen. Mit Yes hatte ich eine ähnliche Erfahrung wie Du mit dem MO.

    >>… du kannst insbesondere über den Buddhismus labern soviel du willst…. Fang aber an zu schreiben, wie es im Johannesevangelium oder in der Johannesoffenbarung zu lesen ist, und die Leute werden schier ausrasten!< You were telling him about Buddha, you were telling him about Mohammed in the same breath
    You never mentioned one time the Man who came and died a criminal’s death
    (Bob Dylan, Precious Angel – die drei christlichen Alben Dylans sind meine eigentliche religiöse Musikerfahrung als Agnostiker…)

    >>ultra-orthodoxen „Studenten der Orgonomie“< LOL geil!

    >>Nur mittels einer quasi „biblischen“ Sprache wird wirklich das ausgedrückt, was tatsächlich gemeint ist. … Über diese Dinge „nüchtern“ sprechen zu wollen, ist eine Absurdität.< Volle Zustimmung, ich nenne die Verwendung theistischer Vokabeln (ohne sie ideell-ideologisch zu übernehmen) „Ausdrucksverstärkung“.

    >>Wenn der „kosmische Orgonenergie-Ozean“ mit „Gott“ gleichgesetzt wird und das DOR mit „Satan“, bedeutet das, daß es sich hier nicht um „neutrale Substanzen“ handelt< Now there’s spiritual warfare and flesh and blood breaking down
    Ya either got faith or ya got unbelief and there ain’t no neutral ground
    (nochmal Bob Dylan aus Precious Angel)

    • Avatar von claus claus Says:

      Ja,gehört zu den Sachen, an denen ich mich mal euphorischgehört habe – v.a. wegen des fantastischen Gesangs in Verbindung mit Knopflers Gitarre (Schlagzeug leider aufdringlich):

      Ich finde es seltsam, dass alle glauben, Dylan sei in erster Linie Lyriker. Wenn es so wäre, könnte ich mir ein Songbook kaufen und fertig.

  2. Avatar von Peter Töpfer Peter Töpfer Says:

    Ups, die Formatierung mit den ganzen Anführungszeichen ist flöten gegangen – ßochie!

  3. Avatar von Unbekannt Peter Töpfer (Teil 1) | Nachrichtenbrief Says:

    […] Töpfer, obwohl bekennender Stirnerianer und Reichianer, war kaum je Thema im NACHRCHTENBRIEF. Das hat unterschiedliche Gründe. Wie ich dem „Nationalanarchisten“ […]

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..