Das Wesen der psychiatrischen Orgontherapie (Teil 3)

Eines der Hauptangriffspunkte der Gegner der Orgonomie ist die Frage nach der Gesundheit. Man schaue sich doch den hochneurotischen Wilhelm Reich selbst an oder präsentiere doch bitte jemanden, der durch Orgontherapie psychisch gesund geworden sei!

Bei den „wissenschaftlichen“ Gegnern Reichs habe ich das Gefühl einer intellektuellen Kontaktlosigkeit, einer krankhaften Abwehr von ozeanischen Gefühlen, Sterilität. Zu dieser Sterilität gehört auch „Reinheit“ in dem Sinne, daß man von sich selber ausgehend Reich eine zu „reine“, „philosophische“ Vorstellung von orgastischer Potenz andichtet, die selbstverständlich in einer realen Welt niemals erreicht werden kann – so ist es leicht, Reich zu widerlegen. Es ist wie mit dem Vakuum oder destilliertem Wasser: man wird niemals ein von allen Molekülen befreites Vakuum oder absolut reines Wasser herstellen oder entdecken können, aber trotzdem macht es Sinn vom „luftleeren Vakuum“ oder „reinem Wasser“ zu reden. Um wieviel weniger kann das Lebendige perfekt „orgastisch potent“ sein!

Imgrunde wirft man der Orgonomie Idealismus vor. Sie würde sich selbst ein Ideal setzen („Gesundheit“), das uneinholbar sei – womit sie sich von vornherein selbst widerlege. Außerdem verschließe sie sich damit den Blick auf das wahre Leben bzw. das, was wirklich wichtig und fundamental sei. Sei doch gerade das Krankhafte, sozusagen „Unideale“, Wegweiser zu den grundlegenden Antrieben. Es ließe sich in diesem Zusammenhang etwa Freud zitieren:

Man muß doch bekennen, in diesen Symptomen der Zwangsneurose, diesen Vorstellungen und Impulsen, die auftauchen, man weiß nicht woher, sich so resistent gegen alle Einflüsse des sonst normalen Seelenlebens benehmen, den Kranken selbst den Eindruck machen, als wären sie übergewaltige Gäste aus einer fremden Welt, Unsterbliche, die sich in das Gewühl der Sterblichen gemengt haben, ist wohl der deutlichste Hinweis auf einen besonderen, vom übrigen abgeschlossenen Bezirk des Seelenlebens gegeben. Von ihnen aus führt ein nicht zu verfehlender Weg zur Überzeugung von der Existenz des Unbewußten in der Seele, und gerade darum weiß die klinische Psychiatrie, die nur eine Bewußtseinspsychologie kennt, mit ihnen nichts anderes anzufangen, als daß sie sie für die Anzeichen einer besonderen Degenerationsweise ausgibt. (Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Fischer-TB, 1992, S. 266f)

Aus dieser Sichtweise, der Sichtweise, die das gesamte moderne Denken durchdringt und bestimmt, ist die Orgonomie nichts weiter als ein geradezu bedauernswerter Anachronismus.

Das Problem dieser Sichtweise ist, wie Reich in Äther, Gott und Teufel und anderen Schriften dargelegt hat, ihre Befangenheit in einem rigiden mechano-mystischen Denken. Nicht die Orgonomie denkt „idealistisch“, sondern ihre Kritiker.

Reich: „Es ist nicht richtig, daß es seelisch gesunde hier und seelisch kranke dort gibt“ (Der Krebs, Fischer-TB, S. 287). Man kann keine abstrakten Grenzen zwischen Krankheit und Gesundheit ziehen, denn Gesundheit betrifft die Funktionsweise des Gesamtorganismus.

Die unbeeinträchtigte Gesamtheit der organismischen Funktionen sowohl im somatischen als auch im psychischen Bereich konstituiert „Gesundheit“ oder „Normalität“ im lebensenergischen Sinn. Jede Störung dieser Ganzheit und Einheit, sei es im somatischen oder psychischen Bereich, wird in einem größeren oder kleineren Ausmaß die Grundlage für Krankheiten bilden. Von hier führt der Weg in die medizinische Pathologie, die nur dann eine funktionelle Pathologie sein kann, wenn man daran geht, den Organismus als biologische Einheit zu behandeln. (Reich: „Spontanous Motility as the Comprehensive Functioning Principle of the Living“, Orgone Energy Bulletin, 4(4), October 1952, S. 189)

Reich sagte voraus, was der kleine, vom mechano-mystischen Denken geprägte, Mann, aus dem Konzept „orgastische Potenz“ machen werde:

An die Stelle des unermüdlichen, geduldigen Kampfes um Verbesserung der Gesundheit, gestützt auf sorgfältig ausgewertete Erfahrungen, wird das absolute Ideal einer schnell normierten „perfekten Gesundheit“ treten und eine neue soziale Schichtung in „gesunde“ und „neurotische“ Menschen hervorbringen. (Christusmord, Freiburg 1978, S. 334)

Dazu möchte ich aus Charles Konias Beitrag „Orgone Therapy: Part 1. The Psychosomatic Relationship“ (The Journal of Orgonomy, Vol. 19, No. 2, 1985, S. 259-278) zitieren:

Das gepanzerte Denken ist starr, einseitig, und idealistisch. Beispielsweise können bestimmte Einstellungen und Vorstellungen hochgeschätzt und mit Gesundheit und dem Guten gleichgesetzt werden, etwa Liebe, Arbeit, positives Denken, usw. Nicht nur, daß bei diesem Ansatz die Tatsache ignoriert wird, daß sogar Liebe und Arbeit reaktiv sein können und positives Denken Ausdruck einer neurotischen Einstellung sein kann, sondern auch, daß in bestimmten Fällen es für den Patienten notwendig ist, Haß zu fühlen und auszudrücken. Der Funktionalismus geht davon aus, daß nicht bestimmte Vorstellungen, Einstellungen oder Gefühle an sich gesund oder neurotisch sind, sondern daß es darauf ankommt, welche Funktion sie in Bezug auf eine gegebene Charakterstruktur oder in einer bestimmten Situation haben. Zum Beispiel kann im Fall eines Masochisten eine „positive“ Einstellung ein Zeichen von Gesundheit angesichts der gefürchteten Angst vor Expansion sein. In einem anderen Charaktertyp kann dieselbe Einstellung eine Abwehr darstellen.

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5 Antworten to “Das Wesen der psychiatrischen Orgontherapie (Teil 3)”

  1. Avatar von Robert (Berlin) Robert (Berlin) Says:

    „daß man von sich selber ausgehend Reich eine zu „reine“, „philosophische“ Vorstellung von orgastischer Potenz andichtet, die selbstverständlich in einer realen Welt niemals erreicht werden kann“

    Naja, dass ist aber wirklich auf Reichs eigenem Mist gewachsen. Ich kenne eigentlich kein einziges Zitat von ihm, wo er behauptet, orgastische Potenz wäre nur relativ errreichbar, auch bezüglich der Umwelt.

    • Avatar von O. O. Says:

      Bezüglich der sozialen „Umwelt“ hat sich Eva Reich geäußert, deutlich genug, dass unsere „Säuglings-Orgontherapeuten“ die Finger von den Kindern lassen sollten. Auch ein Herr Turner hätte genug Stoff für eine fundierte Kritik gefunden, hätte er sich kundig gemacht und wäre sein Motiv nicht „ich will Reich zerstören“, sondern „ich will Kinder schützen“.
      Sharaf war der einzige den ich kenne, der dies klargestellt hat: „Die orgastische Potenz ist ein ideales Ziel, sie ist nicht erreichbar, da ein krummer Baum ein krummer Baum bleibt.“ (sinngemäß wiedergegeben).Dies heißt nicht, dass eine Therapie sich nicht lohnen würde, sie wird aber nicht das Ziel erreichen können, dennoch ist es nach Sharaf wichtig, das Ziel im Auge zubehalten und darum ging es Reich.

      Schnöder Relativismus war für Reich (wohl) nicht akzeptabel, daher wird er mit keinem Wort einen Zweifel daran aufkommen lassen wollen. Im „Kinder der Zukunft“ Projekt war ihm natürlich das schon klar, dass es um die Neurosenprophylaxe gehen muss, damit „der Baum nicht krumm“ (Metapher) wird.

  2. Avatar von O. O. Says:

    Eines der billligsten Gegenargumente, von deren es ja viele gibt und man könnte hierüber schon ein Buch schreiben, wäre die eigene Zeit nicht zu kostbar, ist die, dass man Reich persönlich kritisieren möchte, als würde dies seine Theorie schwächen. Er sei unsympathisch oder womöglich krank gewesen.

    Eine zweite Kritik, die nicht oft ausgerpochen wurde, ist die seines Schreibstiles: Sie sein mit dem Wortschatz eines Freud nicht vergleichbar (die anderer freilich auch nicht). Nun gut, das trifft fast die gesamte Orgonomie und deren Mitarbeiter. Ich könnte weitergehen und den Stil, die Didaktik kritisieren wollen, müsste sie dann aber auch verbessern können. Es ist fraglich, ob man dann zu besseren Ergebnissen käme.

    Das schlagendste und am häufigst verwendete Argument ist das Gerücht „Reich sei unwissenschaftlich“. – Ein Argument, dass man vordergründig mit wissenschatlichen Anstrengungen begegnen möchte, die Wahrheit ist aber eher, das Reich nicht Mainstream ist. Und das ist absolut korrekt und soll auch so bleiben. Nicht Reich muss dem Mainstream angepasst werden, sondern der Mainstream darf frei wählen, ob er nicht die Erkenntnisse der Orgonomie (so provozierend die s auch formuliert ist) für die Wissenschaft nutzen möchte. Nichts wäre leichter als das. Der Vorzug wäre, dass die Wissenschaften etwas mehr an Glaubwürdigtkeit zurückbekommen könnten, was sie mit ihrer Haltung bislang eingebüßt haben. Der Vorwurf eine „gesteuerte“ Wissenschaft zu werden, steht allzu sichtbar im Raum. Die Gefahr, dass externe Institute und Industrie das Wissen verwalten und gestalten werden und die Universität zur bloßen „Erwachsenenschule“ wird, sollte erkannt werden.
    Ein Beispiel sei gegeben: 2003 hat die DGK Wilhelm Reich intern und nach außen hin sichtbar werdend abgelehnt. Keine drei Jahre später wurde er zum Mittelpunkt ihrer Theoriebildung. Nicht dass sich das Wissen um ihn plötzlich verändert hätte, es war zu beiden Zeitpunkten in gleicher Weise vorhanden, jedoch konnte die „Politik“ verändert werden. Die Haltung wurde eine andere. Beide Haltungen sind für Reich kein Vorteil, doch das steht auf einem anderen Blatt.

    Der Punkt ist wie hier im Artikel erwähnt: Ist der Mensch – sei er ein Wissenschaftler oder nicht – tatsächlich (im Reichschen Sinne) „gesund“ genug, um körperliche und mental den Kern der orgonomischen Argumentation zu erfassen und kann er ein gewisses Maß an möglicher sozialer und beruflicher Ausgrenzung aushalten oder diese sogar in eine soziale Integration umwandeln, in der er bestehen wird.

    Und letztlich muss man die Frage stellen: Es gab so viele schräge Theorien innerhalb der Wissenschaften, warum soll heute noch mit Ausgrenzung reagiert werden? Die Antwort kann Reich geben – und das macht in unbequem, dass er immer eine Antwort parat hätte: Charakterlich sind wir noch dieselben „Affen“, die das Feuer für sich entdeckt haben, in dem wir „jüdische Literatur“ verbrennen und unseren Reichstag anzünden, um zu behaupten, der „andere“ war es.

  3. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Die Sozialdemokratie ist die lebensfeindliche PEST:

  4. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Die sizialdemokratische Pest: die Ausmerzung der Arbeitsdemokratie in Deutschland (ab Minute 20:50):

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