Manchmal überkommt mich eine Melange aus tiefer Traurigkeit und unbändiger Wut. Der Zorn und die Trauer Pierre Paolo Pasolinis und des Orgonomen David Holbrook (Full Metal Jacket und die 1980er Jahre in http://www.orgonomie.net/holbrook36.htm) . Ich habe sie noch erlebt, die letzten Ausläufer wirklichen authentischen Lebens. Der gestrandete Seemann, Untermieter meiner Großtante, der ganz stolz auf seinen Weltempfänger war. Die Parterrewohnung der anderen Großtante neben der Butter- und Käsehandlung, mit den abenteuerlich hohen Wänden, der übergroßen altertümlichen Küche mit dem Küchengarten zum Hinterhof raus. Eine magische Welt, in der alles stimmig war. Vom Treppenhaus bis zur Stadtgestaltung, von der Form der Kinderwagen bis zur großen Architektur, alles paßte zueinander. Die Erinnerungen an das Kellnern, als das noch ein wirklicher Beruf war, an der Reeperbahn und im Sommer auf Helgoland und die Arbeit als Hausdame in Blankeneser Villen. Geerdet und identitär, irgendwo zwischen abartigen süßsauren Speisen (man muß ja nicht alles mitmachen!) und dem Flair der Außenalster. Die imgrunde tieftraurigen Geschichten um Klein Erna und der unbändige Stolz der Werftarbeiter, ob dem, was sie tagtäglich erschaffen. Menschen, die nur hierhin passen und zu keinem anderen Ort der Welt. Niemand hat jemals „Moin“ gesagt (sind wir etwa Friesen!) oder all dem anderen Plastik-Norddeutschland aus dem Fernsehkasten gefrönt, sondern es schlicht gelebt.
Es zerreißt mich, alte Filme über das Hamburg bis etwa Mitte der 1960er Jahre zu sehen. Das Gehabe und die Kleider der Frauen, das Spielen der Kinder, die Gesichter. Die Nazis, die uns fremder waren, als später die einmarschierenden Briten (mit denen meine Oma hervorragende Schwarzmarkgeschäfte gemacht hat, mit deren Ertrag das Haus gebaut wurde, in dem ich aufgewachsen bin), der Krieg und all sein Horror, die Flut an Misplaced Persons in ihren Wellblech-Verschlägen und an Ostvertriebenen, – nichts konnte Hamburg wirklich zerstören. Nur eins hat es unwiederbringlich kaputtgemacht. Etwas, was mit „Popkultur“ nur schlecht umschrieben ist, auch „Globalismus“ und „Liberalismus“ treffen es nicht ganz.
Was geschehen ist, möchte ich an zwei Schlaglichtern verdeutlichen:
Entsprechend der dreischichtigen Charakterstruktur des Menschen (Kern, Mittlere Schicht, Fassade) gibt es grundsätzlich drei Arten von Menschen:
In einer unheilvollen Schleife, haben Menschen des dritten Typs die Umwelt geschaffen, die solche „Non-Playable Characters“ wie sie hervorbringt – bzw. umgekehrt. Diese Schleife war das unausweichliche Resultat der „Emanzipation“ der Menschen aus ihrer alten Unterdrückung; im tiefsten Grunde war es die mißglückte sexuelle (biologische) Revolution, die seit Mitte der 60er Jahre alles in einen Haufen Scheiße verwandelt hat.
Das zweite Schlaglicht ist das Geschehen von 1982, als das alte Hamburg ENDGÜLTIG in die Jauche getreten wurde. Karate-Tommy beschreibt sehr gut, was damals vorgefallen ist, was damals unwiederbringlich zerrissen ist:
Selbst am Bodensatz der Gesellschaft (es soll mir niemand diese widerlichen Arschlöcher über Gebühr romantisieren!) gab es noch so etwas wie Ehre und Spielregeln – und Hamburg war für jeden Menschen eine „vollkommen“ sichere Stadt. Und dann kommt so ein weltfremder Richter, wie ein Alien aus dem Weltraum, und zerstört eine Sozialstruktur, die bis auf die Eroberung Hamburgs durch Napoleon zurückging. Kontaktlosigkeit hat Hamburg zerstört – sie zerstört den gesamten Planeten. Und niemand sieht, was geschehen ist.
Schlagwörter: Außenalster, Blankenese, Charakterstrutur, Emanzipation, Globalismus, Hamburg, Karate-Tommy, Karikaturen, Liberalismus, Manierismen, Misplaced Persons, Moin, Non-Playable Characters, Non-Player Characters, Nostalgie, Pierre Paolo Pasolini, Popkultur, Reeperbahn, Schwarzmarkgeschäfte, sexuelle Revolution, St. Pauli, Thomas Born, Traurigkeit, Wut, Zorn
18. Januar 2021 um 08:26 |
Alles sehr romantisierend. Die Betrachtung hängt natürlich sehr von den eigenen Kindheitserinnerungen ab. Für andere war diese Zeit die Hölle.
18. Januar 2021 um 13:03 |
Das mit der Hölle kann ich nachvollziehen. Reich hat gegen diese Hölle gekämpft – aber wäre hätte gedacht, daß es immer noch tiefer geht.
19. Januar 2021 um 12:01 |
Ich denke, der Einwand geht etwas an Peters Anliegen vorbei = es sind „zwei Paar Schuhe“ (ein Spruch aus der alten Zeit …) – die vielleicht … nichts miteinander zu tun haben.
Der zunehmende Wohlstand/Produktivität hätte auch dazu genutzt werden können, die alte Hölle zu verbessern, ohne eine neue zu eröfffnen.
18. Januar 2021 um 10:25 |
Ist mir auch aufgefallen, als ich vor paar Jahren einen Tagesausflug gemacht habe nach München. Kaum jemand sprach bayerisch, kaum jemand fühlte sich noch irgendwie bodenständig an.
Ist vielleicht dort besonders extrem, was sich ja auch im Münchner Mietpreis- und Immobilien-Kaufpreis Niveau bemerkbar macht …
18. Januar 2021 um 12:33 |
Für mich ist Wilhelm Reich ein Hirsch!
19. Januar 2021 um 12:14 |
Danke, Peter. Ein sehr gute Analyse. Ich sehe das auch schon lange so. Bis so Jahrgang 1962-1964 waren es noch Menschen/Typen, wenn man die Jugendbilder (und auch schon auf den Kinderbildern) betrachtet.
Ein wichtiger Punkt bleibt in dieser „Sendung“ (Nachrichtenbrief) leider immer unbeachtet = die Ernährung! Zu dieser Zeit setzt die industrielle Ernährung mit Nachdruck ein! Die „mißglückte sexuelle (biologische) Revolution“ ist eine Sache. Die „Non-Playable Characters“ können für mich besser chemisch = Ernährung (hormonell) bedingt sein … Auch die Anti-Baby-Pille im Trinkwasser …?
19. Januar 2021 um 13:20 |
Dazu zwei Punkte:
das zu weiche Essen, hat unsere gesamte Gesichtsmuskulatur und damit unseren Charakter verformt:
http://darwinian-medicine.com/how-the-western-diet-has-changed-the-human-face/
die soy boys: die Generalkastration einer ganzen Bevölkerung durch ultragiftige Sojaprodukte (Sojasauce ist was anderes, die ist nämlich verhoren).
19. Januar 2021 um 13:26 |
Danke, interessante Zusatzpunkte. Die industriell reduzierte Nahrung ist aber vielleicht der Hauptpunkt (zumindest zeitlich vorher), schon lange vor Soja setzte der Verfall ein.