Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 95)

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

LaMettries „Maschinenmensch“ war nicht nur, so Ursula Pia Jauch in ihrem Buch Jenseits der Maschine, ein „heuristisches, schon in der Antike gebräuchliches Modell zu wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Körper des Menschen“, sondern es kommt

auch eine sozialkritische Komponente hinzu. Herrscher, Kriegsführer, Potentaten: Ihr unterwerft eure Subjekte und verlangt von ihnen einen blinden Gehorsam, als wären sie bewußtseinslose Maschinen, als könnten sie nur auf Befehl und Verbot reagieren, als wären sie Reiz- und Reaktionssysteme. Ihr macht aus denkenden Menschen gehorsame Soldaten, abgerichtet auf Kanonendonner und Schlachtenlärm; Tausende von Soldaten werden an grünen Tischen, in euren Köpfen, zu kleinen Rädersystemen für die große Kriegsmaschine. (S. 455)

Entgegen dem Vorteil des Automatenhaften ging es LaMettrie vor allem um das Innenleben. Eindeutig war er ein Vorläufer der Psychoanalyse: „Wir sind nicht die Herren unserer Ideen; sie kommen von ich weiß nicht woher (…).“ Ursula Jauch spricht von seiner „Experimentalmetaphysik der Seele (…), einer Seele, die nun nicht mehr Gegenstand spekulativer Theologen, sondern Schauplatz des Emotionalen ist“. Und er dringt zur Ausdruckssprache des Lebendigen vor:

Die konventionelle Sprache, ich will sagen: das Wort, ist beileibe nicht jenes Zeichen, das am meisten ausdrückt. Es gibt ein anderes Verständigungsmittel bei den Menschen & bei den Tieren, das viel mächtiger ist; ich spreche von der Gefühlssprache (…).“ (Jauch: Jenseits der Maschine, S. 339-342)

Es entspricht vollständig Reichs orgonomischen Funktionalismus, wenn LaMettrie skeptisch gegenüber der Sprache und den durch sie vermittelten Erkenntnismöglichkeiten ist. Wie Jauch schreibt: „Wer es versteht, hat Ähnliches schon gedacht [schon gefühlt!]; wer es nicht versteht, dem kann man es kaum erklären“ (S. 453).

Man fühlt sich in Reichs Buch Die kosmische Überlagerung versetzt, wenn LaMettrie schreibt, daß

der menschliche Körper in seiner ersten Anlage nicht mehr als ein Wurm ist, dessen weitere Metamorphosen nicht überraschender sind als jene jedes anderen Insekts. Weshalb denn sollte es verboten sein, in der Natur nach einem noch unbekannten Prinzip zu forschen, dessen Eigenschaften sich in Aktivität & Sensibilität äußern; ein Prinzip, das diesen Wurm [gemeint ist der Mensch] mit Stolz über die Erdoberfläche kriechen läßt? (z.n. S. 250)

Die Natur bedeckt auch die einfachsten Dinge mit einem Schleier des Respekts, den man nur mit Bescheidenheit lüften darf; ein mutwilliger Angriff würde ihn zerreißen; indiskrete Augen vertreiben die verborgenen Dinge. (z.n., S. 535)

Auch Stirner spricht in Der Einzige und sein Eigentum von der Spontanität unseres inneren Funktionierens:

Darum nun, weil Kräfte sich stets von selbst werktätig erweisen, wäre das Gebot, sie zu gebrauchen, überflüssig und sinnlos. Seine Kräfte zu gebrauchen ist nicht der Beruf und die Aufgabe des Menschen, sondern es ist seine allezeit wirkliche, vorhandene Tat. Kraft ist nur ein einfacheres Wort für Kraftäußerung.

Wie nun diese Rose von vornherein wahre Rose, diese Nachtigall stets wahre Nachtigall ist, so bin Ich nicht erst wahrer Mensch, wenn Ich meinen Beruf erfülle, meiner Bestimmung nachlebe, sondern Ich bin von Haus „wahrer Mensch“. Mein erstes Lallen ist das Lebenszeichen eines „wahren Menschen“, meine Lebenskämpfe seine Kraftergüsse, mein letzter Atemzug das letzte Kraftaushauchen „des Menschen“.

Nicht in der Zukunft, ein Gegenstand der Sehnsucht, liegt der wahre Mensch, sondern daseiend und wirklich liegt er in der Gegenwart. Wie und wer Ich auch sei, freudvoll und leidvoll, ein Kind oder ein Greis, in Zuversicht oder Zweifel, im Schlaf oder im Wachen, Ich bin es, Ich bin der wahre Mensch.

Bin Ich aber der Mensch und habe Ich ihn, den die religiöse Menschheit als fernes Ziel bezeichnete, wirklich in Mir gefunden, so ist auch alles „wahrhaft Menschliche“ mein eigen. Was man der Idee der Menschheit zuschrieb, das gehört Mir. Jene Handelsfreiheit z.B., welche die Menschheit erst erreichen soll, und die man wie einen bezaubernden Traum in ihre goldene Zukunft versetzt, Ich nehme sie Mir als mein Eigentum vorweg und treibe sie einstweilen in der Form des Schmuggels. Freilich möchten nur wenige Schmuggler sich diese Rechenschaft über ihr Tun zu geben wissen, aber der Instinkt des Egoismus ersetzt ihr Bewußtsein.

Man lese noch mal Ur-Stalins „Dritte These“!

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Eine Antwort to “Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 95)”

  1. Peter Nasselstein Says:

    Die organisierte und schwerbewaffnete Emotionelle Pest:

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