Du bist nicht Wilhelm Reich!

Am Anfang steht das Wort. Man nehme eine Orgontherapie, auf die schließlich auch erst hingewiesen werden muß, bevor der Patient überhaupt darauf kommt, zum orgonomischen Arzt zu gehen. Es mag sein, daß es mit Reich anders gewesen ist, aber heute beginnt jedes orgonomische Experiment mit dem Nachvollzug eines überlieferten Versuchsaufbaus. Orgonomie ist wie alle Wissenschaft zunächst immer eine mündliche oder schriftliche Mitteilung. Vor der Praxis stehen Vorlesungen und Durcharbeiten von Lehrbüchern. Entsprechend ist die Qualität der wissenschaftlichen Unternehmungen von der Klarheit und Logik der Darstellung abhängig. Reich selbst hat immer wieder darauf hingewiesen, wie verheerend schludrige und unpräzise Formulierungen für die Entwicklung der Wissenschaft sind, beispielsweise in der Biologie die beiden Worte „um zu“.

Das bedeutet natürlich nicht, daß bloße Worte wichtiger wären als das Experiment und die konkrete Erfahrung. Es ist ähnlich wie eine Wegbeschreibung, die das „unsubstantiellste“ am ganzen Weg ist, an dessen Ende beispielsweise ein „Date“ stehen könnte, – aber ohne die dröge und formelhafte Wegbeschreibung wird man von vornherein hoffnungslos in die Irre gehen.

Aus funktioneller Sicht ist es eine Todsünde sich unlogisch, verworren oder so „verschwurbelt“ auszudrücken, daß einem niemand folgen kann. Nicht nur, daß eine solche Ausdruckweise die Arbeitsdemokratie unterminiert und sabotiert. Sie ist auch in einer anderen Hinsicht Emotionelle Pest (= destruktiver Irrationalismus auf dem sozialen Schauplatz), denn sie induziert bei anderen die eigene okulare Panzerung, die dadurch geradezu „ansteckend“ wird.

Bioenergetisch entspricht das ganze einer Orgontherapie, die (wenn man mal von der Mobilisierung der Atmung absieht) stets beim okularen Segment beginnt und erst am Ende zum Beckensegment und damit zum Kern der Neurose (dem Ödipuskomplex und der orgastischen Impotenz) vordringt.

Leute, die kaum einen geraden Satz formulieren können, aber gleich immer zu den „handgreiflichen“ Essentials durchdringen wollen, ähneln in ihrem Vorgehen der „Bioenergetik“ nach Alexander Lowen, bei der gleich am Anfang das Becken „mobilisiert“ wird und dadurch ein hoffnungsloses Durcheinander im Patienten hervorgerufen wird. Derartige Leute, die alle möglichen „praktische Erfahrungen“ vorweisen können, sind dann typischerweise jene, die schließlich die Orgonomie, bzw. das, was sie für „Orgonomie“ halten, mit den absurdesten mystischen Theorien anreichern.

Ein des Öfteren zu hörender Einwand lautet, die Formulierungen, mit denen die Orgonomie verbreitet wird, seien zu holzschnittartig, gar „phrasenhaft“. Dem kann man nur entgegenhalten, daß fast jede Neuformulierung der Orgonomie erfahrungsgemäß kaum mehr erzeugt als ein heilloses Durcheinander, also genau das, was ich anfangs kritisiert habe.

Die folgende Abbildung (die ausschließlich im Zusammenhang mit diesem Blogeintrag Sinn macht!!) illustriert das gesagte:

In der korrekten Vermittlung der Orgonomie, die dem eingezeichneten Pfeil folgt, steht eine möglichst klare Erklärung am Anfang (Orgonometrie). Darauf folgt die Bobachtung der Erscheinungen, auf die man aufmerksam gemacht wurde, woran sich der Nachvollzug der Experimente anschließt (quantitative Orgonometrie), was schließlich im qualitativen Nachvollzug mündet. Am Anfang wird man auf die Orgonenergie hingewiesen, an Ende weiß man, daß sie existiert. Steht am Anfang chaotische Fehlinformation, kann es diese Erfahrung nie und nimmer geben.

Da die Menschen heute nun mal so sind, wie sie sind, nämlich gepanzert, kann die umgekehrte Entwicklung, die Reich selbst genommen hat, von vagen Ahnungen einer „psychischen Energie“ hin zu wildem „Herumprobieren“ nur zu entstellten mystischen Formulierungen führen. Der übliche Unsinn, der über die Lebensenergie verbreitet wird.

Reich selbst hat den umgekehrten Weg beschritten. Er ist aus seinem eigenen inneren Erleben in den 1920er Jahren vom Postulat einer „psychische Energie“ ausgegangen, hat in den 1930er Jahren entsprechende, anfangs „wilde“ und unsystematische, Experimente durchgeführt, die in den 1940er Jahren zu entsprechenden Beobachtungen der atmosphärischen und kosmischen Orgonenergie führten, was schließlich in den 1950er Jahren in seinen orgonometrischen Formulierungen mündete. Aber Reich war halt Reich!

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Eine Antwort to “Du bist nicht Wilhelm Reich!”

  1. O. Says:

    REICH war in erster Linie wenig originell, so wie FREUD erst nach Jahrzehnten des Scheiterns in der Neurophysiologie zur „Psychoanalyse“ kam – der reinen Theorie über die Psyche – ohne experimentelle Überprüfung hat sich eine bloße postulierte Methodik zur Therapie entwickelt, die der therpeutischen Unfäühigkeit von Freud entsprungen ist. Er konnt nicht hypnotisieren, war zu Suggestion unfähig und eine Katharsis (nach BREUER) wich der Sexualinterpretation seines verdrängten und drängenden Sexualimpulses in phantastische inzestiöse Sexualabenteuer.

    Reich hatte eine Idee, einen Funken von Intuition und etwas bewahrter Natürlichkeit, die er später als Ozession der Jugend darstellt, um seine Erkenntisse aus der „Psychoanalyse“ noch sinnbringend verwerten zu können und Freud seine Methode nicht für unsinnig zu erklären, eine Abrechnung die schon (bei entwickelter orgastischer Potenz) in den 20-ern hätte erfolgen können, doch erst langsam ab 1950 im Eissler-Interview zaghaft zur Sprache kam. („Reich speaks of Freud“).

    Aus der Intuition erwächst die Formulierung einer Theorie und ohne diese kann keine Versuchsplanung entstehen. So war Reich und so sollte man auch forschen. Wer heute also Orgon nicht fühlen kann, wie die gesamte Pseudo-WR-Szene, braucht nicht über Reich zu referieren und keine Experiment beginnen. Die Orgontheorie müsste am Anfang stehen, theoretisch erarbeitet und im eigenen Leib gefühlt. Zum Empfinden von Orgonenergie ist das eigene Bauen und Experimentieren zu empfehlen. Wer dann nichts fühlt nach einiger Zeit, ist einfach falsch in diesem Gebiet und sollte sich vielleicht mit Reichs Sozialtheorien beschäftigen oder das Feld verlassen.

    Folgt man diesem Forschungsprinzip (das Reich nicht erfunden hat) ist man auf wissenschaftlichem Diskurs.

    Doch leider beginnt wie oben erwähnt jedes „Experiment“ mit einem Versuchsaufbau angeblich von Reich – bitte wo will man es gefunden haben? Seine Bücher geben keinen genauen Versuchsaufbau her, die Protokolle sind wohl verbrannt, sicher kann man im Archiv noch suchen gehen, wenn man die Erlaubnis hierzu erteilt bekommt (und nicht wie Mr. Turner als berechtigt unqualifiziert eingestuft wird).

    Also bleibt nur das „Angeblich von Reich“ zu suchen in Publikationen die „gefischert“ sind; man sucht im Netz vergeblich und im „geheimen Orgonomischen Videoarchiv“ wird nur unbelichtetes Matrial lagern, was die Welt nie zu sehen bekommt, weil die Interviewführung die wichtigsten Forschungsfragen nicht zu stellen in der Lage war. Dann bleiben noch die DeMeo initierten Projekte, die schon eine zweites Monopol darstellen. Abgesehen von eigenen Produktionen in „Pulse of the Planet“ und den von Fischer inspirierten Orgongeräte Anleitungen und Anwendungen, die wiederrum ein Zusammenschreibsel und eine Fehlinterpretation ist (da wie Eingangs erwähnt, KEINER was vom Orgon fühlt), gibt es noch diverse Koproduktionen von DeMeo mit – ich zähle mal auf – B. Senf, Ehepaar Fuckert, J. Trettin, H. Lassek usw. wo er gelegentlich einen Brückenschlag zum ACO zulässt (s. Senf & DeMeo „NACH REICH“).
    Die Zusammenarbeit mit dem Berlin-Frankfurter Versanddienst lasse ich mal außer acht.
    Nun kommt die neuste Publikation unter einem italienischen Autor nach altbwährtem Muster – DeMeo ist wieder dabei – und Blasband wird hierfür geworben. DeMeo und Blasband waren 1990 die Hoffnungsträger der amerikanischen ACO Orgonomy für deutsche Studenten (der Orgonomie). Und auch hier wird mit Reichs Original Bildern und Skizzen begonnen, um dann leider (wohl) nichts Neues zu verkünden: Ein neueres (altes) Experiment, dass wohl schon im JO veröffentlicht wurde?
    Wieder wird man auf etwas Hocherwetiges hoffen – wovon ich nur abraten kann, sich auch nur eine leise Hoffnung zu erträumen (machen Sie alles selber, dann wissen Sie, was Sie getan haben) – wo „gefischerte Reichkenntnisse“ drin verbaut sind, sprich Müll.

    Tertiär Literatur und drittklassige Abschreibversuche sind keine Basis für ein Buch der Orgonomie, das sich nur verbal auf Reich bezieht, sie sind „Meilensteine der Geschichtsverfälschung“ ohne wissenschaftlichen Anspruch. (wie Lasseks „ORGONTHERAPIE“ 1997) – Das Motiv der Publikation ist klar, Reich soll zum x-ten Mal bewiesen werden. Zu welchem Zweck? Als Marketing für esoterische „Energie-Medizin“? Niemand wird einen Hinweis für das Orgon finden, weil die Autoren hiervon keine Ahnung und wohl kein Empfinden haben. Jeder Reichkritiker – egal aus welchem Motiv heraus – würde hier seinen Stoff finden die „Nach-Reichianer“ zu widerlegen, ja sogar Reich selbst zu widerlegen. Ein Turner hätte gar nicht so einen Mist schreiben müssen, wenn er nur etwas Ahnung von entsprechender „Literatur“ gehabt hätte.

    Quartiärliteratur wie die „neuen Erscheinungen“ von DeMeos Koproduktion für sog. neue Experimente beschreiben, was man eigentlich schon lange weiß und bei Reich viel besser lesen könnte in immer gleichklingender Terminologie wie ein Gebetsmühle (vgl. Senf). Sie ersetzen nicht die eigene Intuition, eigenes Denken und eine Theoriebildung.
    Gerne hingegen lasse ich mir die Orgonometrie erklären, weil für neue Interpratationen bin ich immer offen.

    Die Quartiärliteratur in Sachen Orgonomie ist leider phrasenhaft geworden und damit völlig inhaltsleer, ich bitte um neue Formulierungen mit Niveau, Letzteres läßt sich ja bei vielen Hobbyjournalisten vermissen.

    _________________

    Der Begriff „Quartiärliteratur“ ist ein Wortspiel von mir und Beugung der Sprache, um die Nachrangigkeit ins Bedeutungslose anzudeuten. Für den Lateiner dürfte es hier in den Ohren bis zum Tinnitus scheppern. 😉

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