Es ist modern aber irreführend, den Nationalsozialismus als eine Art Okkultverschwörung zu betrachten – und dergestalt zu „verzaubern“. Der Sachverhalt wird durch folgenden Tagebucheintrag von Goebbels anläßlich des Englandflugs von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß beleuchtet:
So ein Narr war der nächste Mann nach dem Führer. Es ist kaum auszudenken. Seine Briefe strotzen von einem unausgegorenen Okkultismus. Prof. Haushofer und seine Frau, die alte Heß, sind dabei die bösen Geister gewesen. Sie haben ihren „Großen“ künstlich in diese Rolle hineingesteigert. Er hat auch Gesichte gehabt, sich Horoskope stellen lassen u.ä. Schwindel. So was regiert Deutschland. Das Ganze ist aus der Atmosphäre seines Gesundlebens und seiner Grasfresserei erklärbar. Eine durchaus pathologische Angelegenheit.
Hitler selbst stand zwischen diesen Extrempositionen. Am Anfang wurde er von der okkulten „Theozoologie“ und „Ariosophie“ beeinflußt. Sein zeitweiliger „Kampfgefährte“ Ludendorff war das, was man heute als „Esoteriker“ bezeichnet. Doch emanzipierte sich Hitler rasch von diesem Sektierertum (das im Dritten Reich unterdrückt wurde, wodurch die okkulten Ur-Nazis nach dem Krieg als „Widerstandskämpfer“ auftreten konnten), nahm nur die Essenz des Okkultismus, nämlich den Kult der Macht, und formte den Nationalsozialismus nach dem Muster der Marxistischen Massenparteien. Religion sollte ganz verschwinden, bzw. in die Politik aufgehen (das erklärt die nationalsozialistische Vorliebe für den Islam und die islamische Vorliebe für den Nationalsozialismus).
Auf Leute wie Rosenberg und Himmler, die „ariosophische“ Okkultisten blieben, reagierte Hitler genauso zynisch wie Goebbels auf Heß. In Mein Kampf und insbesondere in den Tischgesprächen vermittelt er eher den Eindruck in einer „aufklärerischen“ Tradition zu stehen: Voltaires und Eugen Dührings antisemitischer und antichristlicher Materialismus, Darwins Abstammungslehre, Hygiene und Bakteriologie, Ökonomisches von Malthus und Massenpsychologisches von Gustave LeBon.
Der „okkulte“ Gehalt des Nationalsozialismus erschöpft sich in dem, was der Okkult-Betrüger Hanussen auf die Frage geantwortet hat, was Magie sei:
Die Menschen in dem geliebten Glauben an das Wunderbare nicht zu stören, sondern zu bestärken. Ich zeige ihnen, daß man mit Wille, Mut, Energie und Impertinenz zweitausend Leute, die im Saal sitzen, in die Tasche stecken kann. Was ist Publikum? Schwachköpfige, Wundersüchtige, Hysteriker, ein paar wirklich Unglückliche – vor allem aber doch Kinder, deren großer Kummer es ist, daß ihnen kein Lehrer, Vater, Vorgesetzter, Freund genug imponiert, um sich ihm restlos anvertrauen zu können. Warum nun werden mir Menschen immer vertrauen, bedingungslos? Weil ich stärker bin als sie, mutiger, energischer, willenskräftiger. Weil sie Kinder sind und ich ein Mann. (z.n. Wilfried Kugel: Hanussen, Düsseldorf 1998, S. 48)
Erik Jan Hanussen, Jahrgang 1889, war während des Ersten Weltkrieges offizieller Rutengänger in der österreichischen Armee und hatte in Bosnien seine eigene Einheit aus von ihm ausgebildeten Rutengängern, die sogar spezielle Uniformen trugen. Zu dieser Zeit war er bereits ein ziemlich bekannter Varieté-Künstler á la Uri Geller. In seinen Bühnenshows mit „Gedankenlesen“ benutzte er neben der Kunst des „Muskellesens“ (bei der es darum geht, feinste unwillkürliche Muskelreflexe wahrzunehmen und richtig zu interpretieren) und betrügerischen Tricks, Hypnose und die schiere Suggestivwirkung seiner Person. 1922 veröffentlichte er das leider verschollene 300seitige Buch Die Weltseele, in dem es wohl darum ging, daß, wie Hanussen 1930 in einem Interview sagte, das Dasein des Menschen nicht materieller, sondern „ideeler Natur“ ist „und der Mensch mit der Gottheit in unmittelbarster Beziehung (steht)“ (ebd., S. 19).
Anfang der 1930er Jahre gelang es dem gebürtigen Juden (der in Wirklichkeit Hermann Steinschneider hieß, jedoch als gebürtiger Däne auftrat) in Berlin Kontakt mit leitenden Köpfen der nationalsozialistischen Bewegung aufzunehmen und teilweise Freundschaften aufzubauen. Schließlich wurde er sogar Mitglied der SA ehrenhalber inklusive eigener SA-Uniform. Mit seiner Hanussen-Zeitung, ein Blatt, in dem es vor allem um Astrologie ging, machte er offen Werbung für Hitler, den er zudem mit seinen „hellseherischen“ Prophezeiungen unterstützte: die Machtübernahme war unvermeidlich. Vorsehung! Es würde zu weit führen, hier Hanussens mögliche Verwicklung in den Reichstagsbrand und seine Ermordung darzustellen. Es sei ausdrücklich auf Wilfried Kugels oben zitiertes Buch über Hanussen verwiesen – die Fallgeschichte eines pestilenten Charakters (Emotionelle Pest). Möglicherweise hat Hanussen den psychisch gestörten van der Lubbe hypnotisiert und seinen Freunden von der SA beigebracht, diese Hypnose bis zur Exekution aufrechtzuerhalten.
Aus Hanussens zynischem Verhalten sprach seine vollkommene Verachtung für das Leben im allgemeinen und seine Mitmenschen im speziellen – die ihm zu Füßen lagen wie heute einem Popstar. Hanussen:
Das Individuum ist doch nur eine krankhafte Form der Schöpfung. Der Mensch ist wie ein Karzinom am Bauch der Schöpfung. Das Ideal dieser Schöpfung ist er sicher nicht. Es ist doch alles Kampf! Wären wir etwas Vollkommenes, wie könnten wir Magenschmerzen haben? Das, was wir vom Weltall sehen, ist ja nur ein Teil. Unsere Welt aber ist eine Beule am After des Kosmos. (ebd., S. 19)
Die okkulte Grundlage des Nationalsozialismus ist die Emotionelle Pest, d.h. der Haß auf das Lebendige, „da Glück unmöglich ist“. „Es ist alles Kampf“ – oder wohl eher Krampf. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals J.P. Stern zitieren, der sein Buch über Hitler mit der Bemerkung abschloß, er habe genügend Beweise dafür genannt, daß „nicht Eroberung, sondern blinde Vernichtung“ Hitlers Ziel gewesen sei.
Dies – und nicht irgendeine heroische Selbstbehauptung, nicht einmal die Aussicht auf materiellen Gewinn – war das Geheimnis, das seine Anhänger an ihn band; und nicht nur seine Anhänger. Auf diesem heimlichen Einverständnis beruhte seine Karriere. (Der Führer und das Volk, München 1978, S. 209)
Schlagwörter: Alfred Rosenberg, Ariosophie, Darwin, Drittes Reich, Esoteriker, Eugen Dühring, Goebbels, Gustave LeBon, Hanussen, Heinrich Himmler, Hitler, Holocaust, Karl Haushofer, Ludendorff, Malthus, Mein Kampf, Muskellesen, Nationalsozialismus, Okkultismus, Okkultverschwörung, Rudolf Hess, SA Reichstagsbrand, Shoa, Uri Geller, Voltaire
6. Januar 2011 um 19:47 |
Ein Beispiel dafür, mit welcher „schwarzen Magie“ Hitler damals auf die Menschen (Massen) gewirkt hat, liefert der deutsch-jüdische Botaniker Walter Schwarz in seinen Lebenserinnerungen:
„Meine Mutter und ich hatten beschlossen, an einer von Hitlers Massenveranstaltungen teilzunehmen, die in der Messehalle in Frankfurt stattfand, einer riesigen Halle mit Plätzen für Tausende. Das war ein recht gefährliches Unternehmen, weil die SA- und SS-Männer, die den Eingang bewachten, den Befehl hatten, keine Juden zuzulassen, und falls dennoch welche angetroffen werden sollten, diese zusammenzuschlagen. Mutter und ich passierten unentdeckt.
Hitler war ein unglaublicher Redner. Es ist schwierig für diejenigen, die ihn nie persönlich reden hörten, den Zauber zu verstehen, mit dem er sein Publikum hypnotisierte. Zu Beginn seiner Rede unterzog sich Hitler, ein gewöhnlich aussehender Mann, einem Persönlichkeitswandel. Seine Augen loderten wie Feuer. Dann hob er den rechten Arm, und die Massen wurden still, er rief, schrie – eine Flut von Hass ergoß sich über das Publikum.
Aber sein dämonischer Haß war nicht nur in seinen Worten begründet. Seine Augen sandten ebenfalls Wellen von Haß aus.
Ich bin überzeugt, daß, falls noch mehr Juden oder auch Ausländer diese Ansprache gehört hätten, sie erkannt hätten, daß da ein demagogischer Dämon am Werke war, der nur mit Gewalt gestoppt werden konnte. Die Juden in Deutschland und die übrige Welt waren blind gegenüber Hitlers wahrem Gesicht und weigerten sich zu glauben, was wirklich geschah. Mein Vater […] ging sogar so weit zu sagen: „Wir Juden sollten Hitler wählen. Je schneller er an die Macht kommt, desto schneller wird der ganze Spuk vorbei sein.“ (Michael Evenari: „Und die Wüste trage Frucht. Ein Lebensbericht.“ Bleicher Verlag, 1987, S.44).
Kurz nach diesem Erlebnis emigrierte Schwarz nach Palästina und nannte sich Michael Evenari.
15. März 2011 um 10:05 |
Und hier ist die Erklärung für dämonische Magie, mit der Hitler sein Publikum in den Bann schlug ( siehe die Beschreibung von Michael Evenari):
„(…) es war Hitlers Geschichte der Demütigung in der Kindheit, die ihn offenbar befähigt hat, alle mitzureißen, die eine ähnliche Geschichte in der Kindheit erfahren hatten. Er hatte die einschüchternde Pose seines sadistischen Vaters so stark verinnerlicht, daß seine Zuhörer wie Kinder in Angst erzitterten, wenn er seine Stimme erhob und in Wutausbrüche geriet wie einst sein Vater. Der vom Kind Adolf bei seinem Vater erlebte Sadismus verbündete sich später mit dem latenten Sadismus von Millionen und gab ihm die „Legitimität“ und seine brutale Effizienz.“ (Alice Miller, „Dein gerettetes Leben“, S.73)
Hitler konnte die frühkindlichen Angst- und Haßgefühle seiner Zuhörer aktivieren und ihnen einen Sündenbock liefern, um diese abzureagieren , ohne daß diesen Menschen ein Zusammenhang bewußt geworden wäre, ebensowenig wie Hitler selbst dieser Zusammenhang bewußt war oder den Legionen von Historikern und sonstigen Menschen, die sich an der Geschichte des 3. Reiches abarbeiten. Diese wenigen Sätze von Alice Miller enthalten das komplette Geheimnis Hitlers (und des dritten Reiches und des zweiten Weltkrieges…).
8. September 2021 um 08:57 |
1933 töteten SA-Männer den populären Hochstapler Hanussen, der die Nazis gefördert und mit ihnen Orgien gefeiert hatte. Über einen Mordfall mit politischen Komponenten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/mordfall-erik-jan-hanussen-der-hellseher-und-die-nazis-1.3994752
9. September 2021 um 18:30 |
Peter ist ein Linksextremer – verglichen mit Ottmar Lattdorf, Bernd Senf und James DeMeo!
siehe
https://raba.noblogs.org/post/2020/06/01/keiner-von-uns-zum-rechten-esoteriker-sektierer-und-pseudo-feministen-ottmar-lattorf/
9. September 2021 um 19:14 |
Lattorf ohne d. Torf!
9. September 2021 um 18:33 |
Peter in der sozialwissenschaftlichen Forschung:
Klicke, um auf E-Diss975_diedrich_i.pdf zuzugreifen
12. September 2021 um 05:00 |
[…] Es ist mir wichtig, noch etwas zu ergänzen zu meinem kürzlichen Kommentar. […]