Posts Tagged ‘Karl Haushofer’

Zum Gedenken an James DeMeo (14.1.1949 – 3.4.2022): Die „Saharasia-Theorie“ (Teil 5)

14. April 2022

Der Geograph und Anarchist Pjotr Kropotkin (1842-1921) war in vieler Hinsicht ein Vorläufer James DeMeos und seiner Saharasia-Theorie. Ich verweise auf den Artikel von Mike Davis: „Klimapioniere – Von Eiszeiten, Wassermangel und Wüstenzonen“, wo ich auch den Hinweis auf Ruskin gefunden habe.

Kropotkin war der erste, der in den 1870er Jahren die Vorstellung aufbrachte,

daß die 14 000 Jahre seit dem letzteiszeitlichen Maximum eine Epoche anhaltender, katastrophischer Austrocknung der Kontinentalgebiete seien. Diese Theorie – man könnte sie die „alte klimatische Deutung der Geschichte“ nennen – war zu Beginn des 20. Jahrhunderts äußerst einflußreich, verlor aber in den 1940er Jahren mit dem Aufkommen der dynamischen Meteorologie und deren Unterstellung eines sich selbst justierenden physikalischen Gleichgewichts rasch an Bedeutung.

Es ging dabei insbesondere um die These von der Austrocknung seit der letzten Eiszeit als Triebkraft der eurasischen Geschichte. Danach waren Ostturkestan und das Kernland der Mongolei einst wasserreich und „kulturell fortgeschritten“. Davis zitiert Kropotkin:

All das ist nun verschwunden, und es muß die schnelle Austrocknung dieser Gebiete gewesen sein, die ihre Einwohner nötigte, hinunter zur Dsungarischen Pforte, ins Tiefland von Balqasch und Obi zu wandern und dabei die Einwohner der Niederungen vor sich herzutreiben, was die großen Einfälle und Völkerwanderungen in Europa während der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung bewirkt hat.

Man vermeint DeMeo zu lesen, während der nächste Russe sozusagen das Negativ von Kropotkin ist:

Lew Gumiljow (1912-1992), ein sowjetischer Historiker, Ethnologe und Anthropologe prägt seit der Endzeit der Sowjetunion den antiwestlichen, „eurasischen“ Diskurs sowohl der rechtsradikalen Kreise in Rußland als auch bei den russischen Randvölkern, den von Gumiljow glorifizierten „Steppenvölkern“. Das ganze bezeichnet man als „Neo-Eurasianismus“. Gumiljow ist sozusagen der „Karl Haushofer“ eines neuen Nationalsozialismus.

In den 1950er Jahren begann Gumiljow sich mit der Geschichte der Kazaren und anderer Steppenvölker im mittelasiatischen Teil der Sowjetunion zu beschäftigen. Für ihn stellen die Russen im Verbund mit den Steppenvölkern eine „Großethnie“ dar, die sich immer wieder gegen den Hauptfeind, die Großethnie „katholisches Europa“, zur Wehr setzen mußte. Die Steppenvölker hätten dabei der gemeinsamen Mission wiederholt neue Kampfkraft beigesteuert, nachdem die Russen jeweils der Trägheit verfallen waren.

Die in einzelnen Erscheinungen vielleicht bedauerliche, in ihrer Gesamtheit jedoch fruchttragende Migration aus den südlichen Steppengebieten sei von Trockenperioden und der Wüstenausbreitung bestimmt gewesen, die wiederum auf die Sonnenaktivität und andere kosmische Einflüsse zurückgingen. Die „kosmischen Strahlen“ hätten diesen Völkern gleichzeitig auch „passionarnost“ verliehen; die Passion, Energie, Vitalität, den inneren Impetus, um andere Völker zu übermannen. Diese Strahlen seien vielleicht sogar für Mutationen und das Auftreten neuer „Rassen“ verantwortlich.

Im Rückgriff auf u.a. Wladimir Wernadski sind für Gumiljow Menschen „Funktionen“ der Biosphäre. Die Ethnien seien nicht nur eine Ansammlung von Individuen, sondern Teil umfassender „biogeochemischer“ Prozesse. Sie wären dem Zweiten Thermodynamischen Gesetz unterworden, der zum Energieausgleich und Stillstand führt, gäbe es nicht Phänomene gleicher Stärke, die dem entgegenwirkten. Die lebendige Materie besäße anti-entropische Eigenschaften. Diese Energie sei genauso real wie jene, die von den Physikern studiert wird.

Sie bringt die Organismen dazu sich zu entfalten und zu vermehren. Dazu zählten auch die Menschen und Völker. Ausgelöst durch die bereits erwähnten „kosmischen Strahlungen“, die bestimmte Abschnitte der Erdoberfläche unabhängig von geographischen Barrieren träfen, würde es zu „passionierten“ Eruptionen und Exzessen bei den Völkern kommen, mit deren Hilfe sie die akkumulierte Energie wieder entladen. Dies erkläre warum mächtige Eroberer schnell wieder in Vergessenheit geraten. Ihr „Erschlaffen“ ist nur allzu natürlich.

Die entsprechenden energetischen Prozesse führen gesetzmäßig nacheinander zum Aufstieg einer Ethnie, ihrer Entwicklung, dem imperialen Höhepunkt, gefolgt von Trägheit, Rückzug und Erinnerung an die glorreichen Zeiten. Beim Aufwallen der nationalen Passion und ihrer „orgasmischen“ Entladung komme es zu den großen Eroberungen. So sah Gumiljow beispielsweise das derzeitige Verhältnis zwischen dem trägen Europa und dem von nationaler Passion getriebenen Arabien.

James DeMeo verweist in seinem Buch Saharasia zwar auf Gumiljows Forschungen über die Auswirkungen von Dürreperioden in Zentralasien auf die Wanderungsbewegungen der Steppenvölker, erwähnt jedoch weder die quasi „orgonomischen“ Anteile von dessen Theorie noch, daß Gumiljow sozusagen eine „faschistische Variante der Saharasia-Theorie“ vertritt. Geradezu zwangsläufig muß dieser „Anti-DeMeo“ im Antisemitismus münden: Für ihn stehen die Juden außerhalb der beschriebenen energetischen Prozesse. Sie seien ein merkantiler Fremdkörper, der in keiner organischen Beziehung zu seiner Umwelt steht.

Um das richtig einordnen zu können, verweise ich auf meine Ausführungen in Der Blaue Faschismus, wo gezeigt wird, daß der Nationalsozialismus auf ähnlichen quasi „orgonomischen“ Theorien beruht.

Bleiben wir auf dem eurasischen Kontinent: David Zhang (University of Hong Kong) et al. haben bei der Analyse von Klimadaten und historischen Aufzeichnungen entdeckt, daß es im Osten des chinesischen Kaiserreichs im vergangenen Jahrtausend immer dann gehäuft zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen ist, wenn in diesem Zeitraum das Klima besonders kalt war. Im ganzen traten sechs große Kältephasen auf, die mit Perioden zusammenfielen, in denen es gehäuft zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam. Die Wissenschaftler führen das auf die verringerten landwirtschaftlichen Erträge zurück. Die Kriege brachen meist etwa zehn bis dreißig Jahre nach Beginn der jeweiligen Klimaperiode aus. Die Forscher weisen auch darauf hin, daß der Dreißigjährige Krieg und andere Krisen in Europa und Asien mit dem Höhepunkt der „kleinen Eiszeit“ zusammenfallen.

Das ist eine weitere Bestätigung für einen zentralen Aspekt von James DeMeos Saharasiatheorie: lebenswidrige Umwelteinflüsse führen zu lebenswidrigem Verhalten. (Übrigens stehen wir gegenwärtig am Beginn einer neuen kleinen Eiszeit!)

Einer Studie von Richard Neugebauer von der Columbia Universität in New York zufolge erhöht eine mangelhafte Nährstoffversorgung im Mutterleib das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, deutlich. Beim Vergleich von klinischen Daten zwischen 1971 und 2001 von Patienten die vor, während und nach einer extremen Hungersnot Mitte des 20. Jahrhunderts in China zur Welt gekommen waren, wurde festgestellt, daß sich bei jenen, die während der Hungerperiode geboren wurden, das Risiko für Schizophrenie verdoppelt hatte.

Die Forscher fragen sich, ob der generelle Nährstoffmangel oder das Fehlen eines bestimmten Stoffes während der Schwangerschaft das auslösende Moment ist. Bezeichnenderweise wird nicht gefragt, ob auch der Umgang mit den Kindern unter dieser extremen Streßsituation eine Rolle spielt. Jedenfalls bestätigt diese Studie aufs neue James DeMeos Saharasia-These: daß Panzerung ursächlich auf Wüstenbildung (oder in diesem speziellen Fall auf die soziale Ver-Wüstung durch den Kommunismus) zurückgeht.

Wilhelm Reich und die Ukraine

1. April 2022

Reich wurde in einem Gebiet geboren und ist aufgewachsen, das heute zum westlichsten Teil der Ukraine gehört. Die Einzelheiten kann man auf der Website https://www.wilhelmrei.ch/ nachlesen.

Nach dem Ersten Weltkrieg stand das Deutsche Reich ständig am Rande des Bürgerkrieges, während sich die Sowjetunion aus einem blutigen Bürgerkrieg herausschälte. Man war alles andere als geborene Freunde, denn die Komintern tat alles, um einen blutigen Bürgerkrieg in Deutschland zu befeuern, und die Deutschen standen auf Seiten der Weißen; eine Unterstützung, die von den Sozialdemokraten bis zum rechten Rand des politischen Spektrums reichte. Außerdem hatten die Deutschen mit der Sowjetunion noch ein Hühnchen zu rupfen, denn die hatte alles getan, um ihren vertraglichen Verpflichtungen von Brest-Litowsk nicht nachzukommen, womit sie gewichtig zur wirklich „ungerechten“ deutschen Niederlage im Weltkrieg beigetragen hatte. Aber was mehr zählte als Ideologie und Gefühle war die geostrategische Lage der beiden Nationen, die zu diesem Zeitpunkt gemeinsam die absoluten Parias der Weltpolitik waren. Buchstäblich der Abschaum der damaligen Menschheit, sahen sich die Reichswehr (in Gestalt der Freikorps die Schlächter der Roten in Deutschland) und die Rote Armee (die Schlächter der Weißen in Rußland) gezwungen eng miteinander zu kooperieren. Die Russen profitierten von der Expertise und Technik der Deutschen, während die Deutschen in den Weiten Rußlands frei von der Kontrolle der Entente Manöver abhalten und sogar Waffen produzieren und testen konnten.

Die Periode der Unsicherheit endete in beiden Ländern etwa 1923. In diesem Jahr scheiterte Hitlers Marsch nach Berlin, er kam in Haft und wurde dort über Rudolf Heß mit den Ideen Karl Haushofers, Professor für Geopolitik, bekannt gemacht: die Zukunft Deutschlands läge in den unermeßlichen Weiten Eurasiens („Lebensraum im Osten“). Nach der Machtergreifung Hitlers 10 Jahre später wurde die bereits auslaufende Zusammenarbeit mit der Roten Armee aus ideologischen Gründen endgültig gestoppt und Hitler bereitete sich auf einen kolonialen Eroberungskrieg gegen „die Slawen“ vor. Dieser begann denn auch nach einem genauso kurzen wie absurden Intermezzo: der Renaissance der deutsch-sowjetischen Freundschaft im Hitler-Stalin-Pakt. Im Gegensatz zu seinen Generälen, die auf das Machtzentrum Moskau konzentriert waren, richtete sich Hitlers eigentliches Augenmerk auf die Ukraine als Kornkammer und in jeder Hinsicht „westlichster“ Teil der Sowjetunion. Tatsächlich stand diese dank des Verlustes der Ukraine knapp vor dem Kollaps, vor dem sie nur die Unterstützung durch die USA gerettet hat.

Nach dem Krieg taten die USA alles, um eine Allianz zwischen Bonn bzw. Berlin und der Sowjetunion bzw. Rußland zu verhindern. Das war natürlich anfangs alles durch Kommunismus und Kalten Krieg überlagert, tritt aber jetzt aktuell klarer denn je zutage. Biden riskiert eher einen Dritten Weltkrieg, wieder mit Deutschland im Zentrum, als es zuzulassen, daß ein neues Machtzentrum entsteht: Deutschland und seine Expertise in enger Allianz mit Rußland, d.h. mit freiem Zugriff auf die unendlichen Weiten Nord- und Zentraleurasiens.

Dieser geopolitische Zentralkonflikt des Planeten hat Reichs Leben bestimmt. Man denke nur an das Berlin Anfang der 1930er Jahre. Nachdem sich Moskau mit dem endgültigen Sieg Stalins über Trotzki als Zentrum des Weltkommunismus fest etabliert hatte, war es nicht im Interesse der KPdSU, daß die Kommunisten in Berlin an die Macht kamen. Alles wurde getan, um einen Erfolg der KPD unmöglich zu machen, denn über kurz oder lang wäre die Führungsrolle von Moskau und den Russen nach Berlin und den Deutschen übergegangen. Hingegen bot ein Hitler an der Macht Stalin die Möglichkeit schließlich ganz Europa mit der Roten Armee von der „faschistischen Barbarei“ zu befreien, d.h. im Endeffekt ein großrussisches Reich zu errichten.

Das oben Umrissene ist m.E. der „materialistische“ Kern der gegenwärtigen Ukraine-Krise. Es geht um materielle Interessen. Das Fressen steht immer am Anfang, vor jedweder Ideologie, jeder Sexualität, etc. Reichs Entdeckung war, daß die in den Massen Struktur gewordene Sexualunterdrückung das Unmögliche schafft, nämlich, daß diese schließlich gegen ihre eigenen Interessen, letztendlich gegen ihre „Freßinteressen“ handeln und den Stalins und Hitlers dieser Welt die Macht über sich geben. Das sieht man sehr schön an den heutigen seelenverkrüppelten Deutschen, die in ihrer überwiegenden Mehrheit sich gegen Putin und Rußland mobilisieren lassen und für einen durch und durch korrupten Mafiastaat wie die Ukraine BUCHSTÄBLICH hungern und frieren wollen, statt im Verein mit Rußland und mit dem Goldrubel in eine sichere, satte und warme Zukunft voranzuschreiten.

Und Gemach, ich mache mir über Putins Charakter und den russischen Faschismus keinerlei Illusionen, auch nicht über die „saharasische“ Natur von „Rußland an sich“. Aber ich will nicht „die Welt retten“, sondern frage mich, was im DEUTSCHEN Interesse ist. Was jedenfalls nicht im deutschen Interesse ist, ist die Aufnahme von Millionen von Afroukrainern und die weitere Zersetzung der Reste der deutschen Kultur durch die politisch korrekte trans Jaucheflut aus dem Westen.

Das ultimative Tabu (Teil 4)

8. September 2021

Es ist modern aber irreführend, den Nationalsozialismus als eine Art Okkultverschwörung zu betrachten – und dergestalt zu „verzaubern“. Der Sachverhalt wird durch folgenden Tagebucheintrag von Goebbels anläßlich des Englandflugs von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß beleuchtet:

So ein Narr war der nächste Mann nach dem Führer. Es ist kaum auszudenken. Seine Briefe strotzen von einem unausgegorenen Okkultismus. Prof. Haushofer und seine Frau, die alte Heß, sind dabei die bösen Geister gewesen. Sie haben ihren „Großen“ künstlich in diese Rolle hineingesteigert. Er hat auch Gesichte gehabt, sich Horoskope stellen lassen u.ä. Schwindel. So was regiert Deutschland. Das Ganze ist aus der Atmosphäre seines Gesundlebens und seiner Grasfresserei erklärbar. Eine durchaus pathologische Angelegenheit.

Hitler selbst stand zwischen diesen Extrempositionen. Am Anfang wurde er von der okkulten „Theozoologie“ und „Ariosophie“ beeinflußt. Sein zeitweiliger „Kampfgefährte“ Ludendorff war das, was man heute als „Esoteriker“ bezeichnet. Doch emanzipierte sich Hitler rasch von diesem Sektierertum (das im Dritten Reich unterdrückt wurde, wodurch die okkulten Ur-Nazis nach dem Krieg als „Widerstandskämpfer“ auftreten konnten), nahm nur die Essenz des Okkultismus, nämlich den Kult der Macht, und formte den Nationalsozialismus nach dem Muster der Marxistischen Massenparteien. Religion sollte ganz verschwinden, bzw. in die Politik aufgehen (das erklärt die nationalsozialistische Vorliebe für den Islam und die islamische Vorliebe für den Nationalsozialismus).

Auf Leute wie Rosenberg und Himmler, die „ariosophische“ Okkultisten blieben, reagierte Hitler genauso zynisch wie Goebbels auf Heß. In Mein Kampf und insbesondere in den Tischgesprächen vermittelt er eher den Eindruck in einer „aufklärerischen“ Tradition zu stehen: Voltaires und Eugen Dührings antisemitischer und antichristlicher Materialismus, Darwins Abstammungslehre, Hygiene und Bakteriologie, Ökonomisches von Malthus und Massenpsychologisches von Gustave LeBon.

Der „okkulte“ Gehalt des Nationalsozialismus erschöpft sich in dem, was der Okkult-Betrüger Hanussen auf die Frage geantwortet hat, was Magie sei:

Die Menschen in dem geliebten Glauben an das Wunderbare nicht zu stören, sondern zu bestärken. Ich zeige ihnen, daß man mit Wille, Mut, Energie und Impertinenz zweitausend Leute, die im Saal sitzen, in die Tasche stecken kann. Was ist Publikum? Schwachköpfige, Wundersüchtige, Hysteriker, ein paar wirklich Unglückliche – vor allem aber doch Kinder, deren großer Kummer es ist, daß ihnen kein Lehrer, Vater, Vorgesetzter, Freund genug imponiert, um sich ihm restlos anvertrauen zu können. Warum nun werden mir Menschen immer vertrauen, bedingungslos? Weil ich stärker bin als sie, mutiger, energischer, willenskräftiger. Weil sie Kinder sind und ich ein Mann. (z.n. Wilfried Kugel: Hanussen, Düsseldorf 1998, S. 48)

Erik Jan Hanussen, Jahrgang 1889, war während des Ersten Weltkrieges offizieller Rutengänger in der österreichischen Armee und hatte in Bosnien seine eigene Einheit aus von ihm ausgebildeten Rutengängern, die sogar spezielle Uniformen trugen. Zu dieser Zeit war er bereits ein ziemlich bekannter Varieté-Künstler á la Uri Geller. In seinen Bühnenshows mit „Gedankenlesen“ benutzte er neben der Kunst des „Muskellesens“ (bei der es darum geht, feinste unwillkürliche Muskelreflexe wahrzunehmen und richtig zu interpretieren) und betrügerischen Tricks, Hypnose und die schiere Suggestivwirkung seiner Person. 1922 veröffentlichte er das leider verschollene 300seitige Buch Die Weltseele, in dem es wohl darum ging, daß, wie Hanussen 1930 in einem Interview sagte, das Dasein des Menschen nicht materieller, sondern „ideeler Natur“ ist „und der Mensch mit der Gottheit in unmittelbarster Beziehung (steht)“ (ebd., S. 19).

Anfang der 1930er Jahre gelang es dem gebürtigen Juden (der in Wirklichkeit Hermann Steinschneider hieß, jedoch als gebürtiger Däne auftrat) in Berlin Kontakt mit leitenden Köpfen der nationalsozialistischen Bewegung aufzunehmen und teilweise Freundschaften aufzubauen. Schließlich wurde er sogar Mitglied der SA ehrenhalber inklusive eigener SA-Uniform. Mit seiner Hanussen-Zeitung, ein Blatt, in dem es vor allem um Astrologie ging, machte er offen Werbung für Hitler, den er zudem mit seinen „hellseherischen“ Prophezeiungen unterstützte: die Machtübernahme war unvermeidlich. Vorsehung! Es würde zu weit führen, hier Hanussens mögliche Verwicklung in den Reichstagsbrand und seine Ermordung darzustellen. Es sei ausdrücklich auf Wilfried Kugels oben zitiertes Buch über Hanussen verwiesen – die Fallgeschichte eines pestilenten Charakters (Emotionelle Pest). Möglicherweise hat Hanussen den psychisch gestörten van der Lubbe hypnotisiert und seinen Freunden von der SA beigebracht, diese Hypnose bis zur Exekution aufrechtzuerhalten.

Aus Hanussens zynischem Verhalten sprach seine vollkommene Verachtung für das Leben im allgemeinen und seine Mitmenschen im speziellen – die ihm zu Füßen lagen wie heute einem Popstar. Hanussen:

Das Individuum ist doch nur eine krankhafte Form der Schöpfung. Der Mensch ist wie ein Karzinom am Bauch der Schöpfung. Das Ideal dieser Schöpfung ist er sicher nicht. Es ist doch alles Kampf! Wären wir etwas Vollkommenes, wie könnten wir Magenschmerzen haben? Das, was wir vom Weltall sehen, ist ja nur ein Teil. Unsere Welt aber ist eine Beule am After des Kosmos. (ebd., S. 19)

Die okkulte Grundlage des Nationalsozialismus ist die Emotionelle Pest, d.h. der Haß auf das Lebendige, „da Glück unmöglich ist“. „Es ist alles Kampf“ – oder wohl eher Krampf. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals J.P. Stern zitieren, der sein Buch über Hitler mit der Bemerkung abschloß, er habe genügend Beweise dafür genannt, daß „nicht Eroberung, sondern blinde Vernichtung“ Hitlers Ziel gewesen sei.

Dies – und nicht irgendeine heroische Selbstbehauptung, nicht einmal die Aussicht auf materiellen Gewinn – war das Geheimnis, das seine Anhänger an ihn band; und nicht nur seine Anhänger. Auf diesem heimlichen Einverständnis beruhte seine Karriere. (Der Führer und das Volk, München 1978, S. 209)