Antiorgontherapie (Teil 8)

Der grundlegende Unterschied zwischen der Psychoanalyse à la Theodor Reik („Hören mit dem dritten Ohr“) und der Charakteranalyse von Wilhelm Reich: in der Psychoanalyse werden alle Arten von „Gefühlen“ objektiviert und ins Hier und Jetzt versetzt („Bewußtmachen des Unbewußten“), während in der Charakteranalyse umgekehrt das Hier und Jetzt („Sie beschreiben den Tod Ihrer Mutter. Warum lächeln Sie?“) „emotionalisiert“ wird. Das hat drei Aspekte:

In der Psychoanalyse wird alles sexualisiert, d.h. das Sexuelle im Gehirn „verarbeitet“ und so „überwunden“, während in der Charakteranalyse umgekehrt stets von der Ich-Abwehr ausgegangen wird, um schließlich „von oben nach unten fortschreitend“ den Sexus zu befreien.

In der Psychoanalyse wird der vermeintliche „Kern“ angesprochen; der vermeintliche „Primärvorgang“, den die Surrealisten mit ihrem Suhlen in sekundären Trieben sichtbar machen. Das wird insbesondere an der aus ihr abgeleiteten Jungschen „Analytischen Psychologie“ deutlich: während in der Charakteranalyse „chirurgisch“ von außen nach innen vorgegangen wird und sorgsam Primäres (das authentische Selbst) vom Sekundären (gesellschaftliche Konditionierungen) getrennt wird, wird in diesen Psychotherapien an das „innere Kind“ appelliert und irgendwelche vagen „geistigen Wirkstrukturen“, „Kräfte“ und „Energien“ mobilisiert. Das ganze erinnert eher an religiöse Erweckungsbewegungen und hat nichts mit einer verantwortungsvollen Psychotherapie zu tun.

In der Psychoanalyse wird die Vergangenheit in die Gegenwart getragen („Verdrängtes bewußtgemacht“), während in der Charakteranalyse umgekehrt das gegenwärtige Verhalten schrittweise mit der Vergangenheit verbunden wird, d.h. Verhaltensmuster („Charakter“) werden herausgeschält.

Zur Illustration dieser drei Punkte nehme man etwa die „Urschreitherapie“ (und sämtliche pseudo-Reichianischen Therapien plus den ganzen „Tantra-Komplex“): am Ende steht immer ein wachsendes Desinteresse an sexueller Entladung, weil die Energie vor allem im Gehirn gebunden wird; das „Selbst“ wird zunehmend von „Archetypen“ überwuchert, d.h. der Mensch auch im Kern „vergesellschaftet“ („du wirst zum Buddha, wenn du dich mit Buddha identifizierst“); und man wird Infantilisiert, d.h. abhängig gemacht.

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Eine Antwort to “Antiorgontherapie (Teil 8)”

  1. Peter Töpfer Says:

    Wieder ein sehr sehr guter Beitrag!

    Absolut richtig: „in der Psychoanalyse werden alle Arten von „Gefühlen“ objektiviert.“ – Es geht immer nur ums Subjekt, alles muß subjektiviert oder, ums mit Stirner zu sagen, angeeignet bzw. rückgeeignet oder wiederangeeignet werden – subjektiviert werden: die Radikalisierung des Subjekts, wie es Alexander Dugin sagen würde.

    Absolut richtig: „von oben nach unten fortschreitend“ – das nennt man in der Tiefenwahrheit die Unterwindung: stets auf das Unten abzielen! Niemals Übermensch werden, d.h. den Menschen überwinden.

    Absolut richtig: „sorgsam Primäres (das authentische Selbst) vom Sekundären (gesellschaftliche Konditionierungen) trennen.“ – Ein Hoch oder besser: ein Nieder auf das Primäre!

    Nicht richtig: „verantwortungsvolle Psychotherapie“. Es gibt keine „verantwortungsvolle Psychotherapie“, weil diese, wie Laska sagt, immer mit Präskription und Normativem verbunden ist – auch die Orgontherapie. Auch diese objektiviert statt zu subjektivieren. Auch diese gibt vor (genitaler Charakter). Auch dieses verwendet technische und wissenschaftliche, d.h. objektivierende Sprache, anstatt rein phänomenologisch vorzugehen („sagen, wie es ist“). Anders gesagt: der Patient muß ausschließlich auf seine eigene Verantwortung verwiesen werden, nur er kann selbst verantwortungsvoll sein, niemals ein Psychotherapeut.

    „Urschreitherapie“ – oh oh, da liegen Sie aber ganz falsch, lieber Herr Nasselstein, völlig daneben! Janov ist der wirklich echte und legitime Erbe Reichs! Aber auch er bleibt Techniker, Wissenschaftler, Normierer („der Normale“ analog zu „genitaler Charakter“) und Vorschreiber („sag es deiner Mutter!“)! Erst die Tiefenwahrheit räumt mit all dem gründlich und radikal auf und stellt sich damit als die wirkliche Erbin aller beider dar. Reich –> Janov –> Töpfer.

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