Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 132)

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Theodor Reik reduziert in seinem Buch Geständniszwang und Strafbedürfnis die Psychoanalyse auf eine von der Libidotheorie bereinigte Ichpsychologie, die er gleichzeitig scheinbar unlösbar an Freuds neue Todestriebtheorie kettet (wie es übrigens Freud selbst in Das Ich und das Es vorexerziert hat). Sowohl Reik als auch Reich plädieren in ihren Arbeiten dafür, zwischen dem Über-Ich und dem Ich zu vermitteln, doch für Reich ist dies nur ein erster Schritt, an den sich die Vermittlung zwischen Ich und Es anschließen muß, damit es zur realen Triebbefriedigung kommen kann (zumal die Strenge des Über-Ich von der erogenen Fixierung abhängt). Reik sieht aber vollkommen vom Libidogeschehen ab und reduziert alles auf „Signale“ zwischen starren festumrissenen psychischen Einheiten. Reich wendet sich gegen diese Personifikation der psychischen Instanzen, so als wären sie voneinander unabhängige Personen, zwischen denen sich ein Drama abspielt. Reich beharrt darauf, daß der neurotische Konflikt sich zwischen der Außenwelt und dem Lust-Ich abspielt, das sich aus Angst vor Strafe an diese Außenwelt anpaßt und daran scheitert, während nach Reik die Neurose auf dem Konflikt zwischen Trieb und dem Bedürfnis nach Strafe beruht. Der Konflikt ist also für Reik, gemäß Freuds sich im Geständniszwang und Strafbedürfnis manifestierenden Todestrieb, von vornherein im Individuum angelegt und muß nicht erst von der Gesellschaft ins Individuum getragen werden. Reich hebt hervor, wie bequem doch eine solche Theorie für die Gesellschaft ist.

Was wie „Reich vs. Reik“ aussah, war in Wirklichkeit „Reich vs. Freud“. Und was wie „ärztliche Psychoanalytiker vs. Laienanalytiker“ aussah, war in Wirklichkeit „LSR vs. DMF“ – und es hat was, wenn später „emanzipatorische“ und „Marxistische“ „Reichianer“ in der Frage der „Laienanalyse“ stets mit Freud übereinstimmten.

Wenn Reich darauf bestand, daß nur Ärzte Psychoanalystiker sein dürften, ging es ihm explizit darum, daß „Geisteswissenschaftler“ wie Reik eben den „Geist“, d.h. das Über-Ich in die Psychoanalyse tragen. Das gleiche ist dann später auch prompt in der Orgonomie geschehen, als Laien, die sich als „Orgontherapeuten“ gerierten, die Orgonomie geradezu systematisch auf mystische Gleise leiteten.

Es ging um die zentrale widersprüchliche Dichotomie: kein Sollen von unten (aus dem Es), aber Ethik von oben (aus dem Über-Ich). Sozusagen die Welt als Wille (Es) und Vorstellung (Über-Ich). Daß aus dem Sein kein Sollen folge und das dazu parallele „Ethisieren“ ist der Kern der Ideologie des Liberalismus – und des Faschismus.

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3 Antworten to “Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 132)”

  1. Avatar von David Mörike David Mörike Says:

    Ja das ist alles ziemlich verwirrend. Das Über-Ich ist der Panzer und ist deshalb mehr oder weniger böse. Das Es, das sind die Triebe.

    Ich bastele gedanklich daran, diese Dinge mit der theoretischen Arbeit des Grameen-Gründers Muhammad Yunus zusammen zu bringen.

    Ich weiß nicht, wer ist Ich?

    Die Hypothese: jemand der für das Verhalten Konsequenzen – auch positive Konsequenzen – trägt. Der Unternehmer im Menschen.

    Das Unternehmertum – oder zumindest die Anlage dazu – steckt in jedem Mann und in jeder Frau. Die „textbooks“, die sagen, nur bestimmte, besonders begabte Menschen seien zum Unternehmertum fähig, sind falsch.

    Das ist glaube ich die zentrale theoretische Aussage von Muhammad Yunus.

    Letzte Anmerkung: die Vermutung liegt nahe, dass im modern-liberalen Westeuropa Mikrofinanz-Institutionen – mit denen auch von Armut betroffene Menschen in die Selbständigkeit können – politisch nicht gewollt sind.

    In Polen und USA beispielsweise gibt es welche.

  2. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    American College of Orgonomy

    A Different Kind of Psychiatry Podcast

    Tourette’s Syndrome as a Symptom of Character

    by Philip Heller, M.D.

    May 28, 2024

    We invite you to listen to the next episode of our A Different Kind of Psychiatry Podcast. This episode features the narration of the article „Tourette’s Syndrome as a Symptom of Character“ by Philip Heller, M.D. from the Journal of Orgonomy Volume 50 no. 2. Listen in to hear how Dr. Heller identified specific ways Jack protected himself from painful feelings including by becoming “frozen,” and how he helped him not only to get moving again, but also to live his life more fully. After the presentation, listen to further commentary by Peter A. Crist, M.D. about how Jack’s case highlights important principles of medical orgone therapy

    Visit our podcast website to listen. Subscribe today and share our podcasts with your family and friends.

    Tourette’s Syndrome as a Symptom of Character: Journal of Orgonomy Article | A Different Kind of Psychiatry (blubrry.net)

  3. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Der NACHRICHTENBRIEF wünscht seinen Lesern eine angenehme Nachruhe:

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