Man kann die Ursprünge der Orgonomie nicht einfach mit dem „eigenartigen Kult des Energiebegriffs, der um 1900 herrschte und den Nährboden für allerlei energetische Spekulationen bildete“ (G. Russelman: „Der Energiebegriff in der Bioenergetik Alexander Lowens“, Integrative Therapie, 1/88), gleichsetzen. Gemeint ist die Epoche der „Energetik“ von Georg Ferdinand Helm (1951-1932) und Wilhelm Ostwald (1853-1932) sowie des „Monismus“ von Ernst Haeckel (der mit seinem „biogenetischen Grundgesetz“ entscheidenden Einfluß auf die Psychoanalyse und damit auf die Orgonomie nahm). Russelman führt Freuds Libidobegriff auf diesen „Kult“ zurück und von dort weiter auf den Beginn des Zeitalters der Dampfmaschinen und der sich aus dieser Technik entwickelnden Thermodynamik. So begegneten sich Reichs persönliches Erleben einer vollständigen Entladung überschüssiger Energie durch das genitale Ventil, mit einer wissenschaftlichen Tradition, die in Freuds Libidotheorie kulminierte. Diese Verbindung bildete den Hintergrund des Reichschen „Dampfkesselmodells“ der menschlichen Sexualität.
Bis zum heutigen Tag kann sich die Orgonomie in dieser Hinsicht ohne jede Einschränkung auf den Energiebegriff der Physik berufen. Man nehme z.B. folgenden Satz aus dem dtv-Lexikon für Physik, in dem die Orgasmustheorie schon auf einer rein physikalisch-mechanischen Ebene widergegeben ist: „Enthält ein physikalisches System Energie, so kann es Arbeit leisten und dabei Energie aus dem eigenen Energievorrat nach außen abgeben.“ Beim Energiesystem Mensch entlädt sich die Energie ebenfalls, entweder indem es Arbeit leistet oder durch die ganzkörperliche Plasmazuckung auf dem Höhepunkt der genitalen Umarmung.
Trotzdem hat man immer wieder Reichs Gebrauch des Begriffes „Energie“ angegriffen, da Reich diese von der Physik streng bestimmte Größe „biologistisch“ mißbraucht habe. Man vergleiche dies mit der Darstellung des Physikers Nigel Calder:
Der Begriff Energie in der Physik unterscheidet sich nicht sehr von der allgemeinen Bedeutung im Alltagsleben. Eine „energische“ Person arbeitet und spielt mit Vehemenz und steckt auch ihre Umgebung damit an. Nationen durchleben „Energie-Krisen“ (…). Für den Physiker bedeutet Energie die Möglichkeit, Veränderungen in der Welt hervorzurufen: Dinge sich bewegen zu lassen (…) die Sonne strahlen zu lassen (…) Pflanzen wachsen zu lassen (…) Atome in statistisch willkürliche Bewegung zu versetzen (Wärmeenergie). (Einsteins Universum, Frankfurt 1980)
Nicht anders verstand Reich die Energie im allgemeinen und die Orgonenergie im besonderen.
Aber zurück zu Wilhelm Reichs Sexualleben: Wenn Wissenschaftler ehrlich sind, muß wohl jeder einzelne zugeben, daß ihn als Heranwachsenden die „letzten Fragen“ zum Studium der Wissenschaften gebracht haben und daß der Kern dieser „letzten Fragen“, zumindest in der Pubertät, sein Sexualleben war. Doch nur Sexualwissenschaftler wie Havelock Ellis (1859-1939) haben dies offen zugegeben, der durch die Beunruhigung durch nächtliche Samenergüsse mit 17 den Entschluß faßte, die Sexualität zu erforschen. Er kam zur Erforschung der perversen Sexualität. Ähnlich sieht es im Verborgenen mit den Motiven und den daraus folgenden „perversen“ Forschungsergebnissen fast aller Wissenschaftler aus. Dies ist der tiefste Kern von Reichs Aussage, daß „die Orgonphysik von vollkommen neuen Beobachtungen und neuen theoretischen Annahmen ausgeht“ (Äther, Gott und Teufel, S. 150). Es war Reichs vollständig anderes Erleben, daß ihn dazu führte, das Orgon zu entdecken und fast zwangsläufig mußten ihn die anderen deshalb für verrückt halten: von ihrem gepanzerten Bezugsrahmen aus gesehen, war Reich tatsächlich ver-rückt.
Inwieweit die „unsexuellste“ und wissenschaftlichste aller Wissenschaften, die Physik entsprechend aus der Sichtweise des Lebendigen ver-rückt ist, läßt sich besonders gut anhand einer Aussage Einsteins festmachen:
Für das physikalische wie überhaupt naturwissenschaftliche Denken ist es charakteristisch, daß es im Prinzip mit den „raumartigen“ Begriffen allein auszukommen trachtet und mit ihnen alle gesetzlichen Beziehungen auszudrücken strebt. Der Physiker sucht Farben und Töne auf Schwingungen zu reduzieren, der Physiologe Denken und Schmerz auf nervöse Prozesse, derart, daß das Psychische als solches aus dem Kausal-Nexus des Seienden eliminiert wird, also nirgends als selbständiges Bindeglied in den kausalen Zusammenhängen auftritt. Diese Einstellung, welche die Erfassung aller Zusammenhänge unter exklusiver Verwendung nur „raumartiger“ Begriffe für im Prinzip möglich betrachtet, ist es wohl, was man gegenwärtig unter „Materialismus“ versteht. (Über die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie, Braunschweig 1960)
Dieser mechanistische Materialismus eliminiert alle spezifischen Charakteristika der Orgonenergie aus der Betrachtung von Umwelt und Innenwelt; die Emotionen werden bewußt beiseite geschoben. Zum Beispiel sollte doch jeder nicht zu arg gepanzerte Mensch spüren, daß die Atmosphäre in Räumen, die (noch) nicht mit Leuchtstoffröhren bzw. „Energiesparlampen“, sondern mit Glühlampen ausgestattet sind, sich „weicher und angenehmer“ „anfühlen“ und daß man sich hier wohler fühlt als unter Neonlicht. Und es ist wirklich grotesk, denn fast alle Menschen spüren es; jeder merkt es, verdrängt es aber gleich wieder, weil die Physik nichts nachweisen kann, außer vielleicht, daß das Spektrum des Leuchtstoffröhrenlichts „natürlicher“ ist. So zerstören wir unsere Umwelt und uns selbst, weil wir alles Störende, Emotionale, Qualitative, Ungesetzmäßige von vornherein ausklammern und „wissenschaftlich“ idealisierend an die Sache herangehen. Gehört es nicht zu fast jeder Behandlung der Radioaktivität in den Massenmedien, daß gesagt wird, man könne sie nicht spüren! In der Hamburger Uni lernt jeder angehende Physiker in seiner ersten Vorlesung, daß man seinen Sinnen nicht trauen kann und sie tunlichst aus der Physik heraushalten sollte. So entledigt man sich seines wichtigsten und empfindlichsten Forschungsinstruments und verläßt sich auf dumme, unendlich primitive Maschinen.
Alles ist perfekt darauf ausgerichtet, das Orgon nicht zu entdecken und orgonotische Phänomene perfekt wegzuerklären.
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1. Juni 2012 um 18:23 |
Vom heutigen Standpunkt einer erkrankten und pervertierten Wissenschaft – und anders kann man sie eigentlich nicht nennen – auch wenn sie sich im eigenen Zerrspiegel anders sieht, so ist ausgerechnet ein Reich der „Ver-rückte“.Tatsächlich aber hat sich die Geschichte der „Wissenschaft“ (und ich setze sie hier bewußt in Anführungsstriche) sich ver-rückt und einen absurden Energiebegriff geprägt, der keiner ist.
Das mechanistische „Kesseldruck“-Modell beschreibt keine Energie udn ist für Freuds Triebenergie das völlig falsche Modell gewesen, daher hat Reich sich an diesem Modell abgearbeitet, da das alte Modell der Energie aus der Physik verdrängt wurde. Jeder fähige Physiker hatte eine anderes Verständnis von der Energie und irher Herkunft, als es uns heute weiß gemacht wird, doch wurde immer nur eine mechanistische Formel und Theorie (oft nur Teiltheorie des Physikers) heruasgepickt, um ein Phänomen zu beschreiben. Die Physiker wurden zu Idioten gemacht. Würden sie heute widersprechen können, würden sie ihre Fund als Einzelwissen zurückziehen uind die Physik würde als nackte „Wissenschaft“ dastehen, ohne Formeln, ohne Erkenntnisse. Statt dessen hat man alle Hinweise auf eine Kraft, force vital oder welchen Namen man ihr geben will, verschwiegen und lehrt sie nicht.
Nicht nur die Physik leugnet ihren Ursprung, sondern auch die Psychologie, heute reduziert auf Verhaltensbeschreibung und Manipulation und statistischer Methodik. Psychotherapie wäre ohne eine energische Psychologie nicht denkbar, doch wird die Quelle, der Anfang der Psyche geleugnet und verheimlicht. Freud war nicht der beginn der Psychologie, er war die verzweifelte Suche nach einer Biologie die die Psyche erklären könnte. Mangels Geschichtsbewußtsein und kultureller Plege der Medizingeschichte musste Freud ein neues Rad erfinden und Reich komplettierte das Bild unter größtem Widerstand der Wegerklärer.
Auch die heutigen Orgonomen haben jeden Kontakt zu der energischen Tradition verloren und kämpfen auf verlorenem Posten um Anerkennung des Selbstverständlichen. Welchen Zweifel kann es am Orgon geben? Wie ungebildet sind wir, das wir zweifeln?
Jeder schaue nur in seinen eigene Bücherschrank und darf erkennen, wie wenig Wissen dort lagert, trotz der Erfindung der Druckkunst. Die Schätze der Bibliotheken bekommen wir nur zu einem Bruchteil zu sehen. – Dies soll nur als Anregung dienen, die Sache einfach mal anders (herum) zu sehen, als sie uns erklärt wird.
1. Juni 2012 um 19:41 |
„Bis zum heutigen Tag kann sich die Orgonomie in dieser Hinsicht ohne jede Einschränkung auf den Energiebegriff der Physik berufen. Man nehme z.B. folgenden Satz aus dem dtv-Lexikon für Physik, in dem die Orgasmustheorie schon auf einer rein physikalisch-mechanischen Ebene widergegeben ist: „Enthält ein physikalisches System Energie, so kann es Arbeit leisten und dabei Energie aus dem eigenen Energievorrat nach außen abgeben.“ Beim Energiesystem Mensch entlädt sich die Energie ebenfalls, entweder indem es Arbeit leistet oder durch die ganzkörperliche Plasmazuckung auf dem Höhepunkt der genitalen Umarmung.“ Kann ich so nicht nachvollziehen. Beim Orgasmus finden im Sinne des Energiebegriffs, den man in der Mittelstufe lernt, Umwandlungen u. a. in kinetische Energie und in Wärmeenergie statt. Da werden Physiologen wohl – sich kurz fassend – von ‚chemischer Energie’ sprechen, die umgewandelt werde. Die Rede von Orgon werden sie überflüssig finden. Eben die wäre zu begründen. Und dafür liegt es meines Erachtens nahe, auf Phänomene wie die folgenden hinzuweisen und Beobachtungen in Zusammenhang mit dem ORAC heranzuziehen:
– Regelmäßige Benutzung des ORAC führt dazu, dass sich best. physiolog. Parameter schneller verändern (je nach Person unterschiedlich schnell). Daher die Metapher des AUFLADENS. Es scheint also etwas zu geben, dessen Quantität im Körper (auch wenn der ORAC gerade nicht benutzt wird) wächst oder das eine wachsende Disposition zu best. Reaktionen ist. Dann kann man zusätzlich auf die damit regelmäßig bei verschiedenen Personen einhergehenden sexuellen Gefühle hinweisen.
– Wenn die Gefühle des ‚Aufladens’ korreliert sind mit jenen (s. o.) Veränderungen im Zusammenhang mit dem ORAC, spricht das für ein energetisches Pendant zu Ladungsgefühlen. Andernfalls bleibt man dem Vorwurf der Metapher ausgesetzt. Gerade da hat Reich Chancen eröffnet!
– Die ‚orgonomische’ Literatur hat eine Fülle von Beschreibungen von Wechselwirkungen zwischen ORAC-Benutzung und offenbar dadurch verstärkten Vorgängen, die in Therapie auftreten, vorzuweisen. Daher kann der Orgasmusreflex mit dem angenommenen Orgon in Verbindung gebracht werden.
Ohne da genauer zu werden, bleibt ‚Orgonomie’ ein Jargon neben vielen anderen Jargons. Jargons eignen sich gut dafür, inneren Gruppenzusammenhalt oder persönliche Zugehörigkeitsgefühle zu stärken. Doch die Medizin bleibt davon nicht nur unbeeindruckt, sondern hat allen Grund, sich von Jargons abzugrenzen.
„Der Physiker sucht Farben und Töne auf Schwingungen zu reduzieren, der Physiologe Denken und Schmerz auf nervöse Prozesse, derart, daß das Psychische als solches aus dem Kausal-Nexus des Seienden eliminiert wird, also nirgends als selbständiges Bindeglied in den kausalen Zusammenhängen auftritt.“ Physikalistische Reduktion in diesem Sinne vertreten in der analytischen Leib-Seele-Diskussion nur noch wenige. Das Psychische, also das Erleben, wird von vielen eher als ‚token-identisch’ (siehe Davidson) mit physikalischen Ereignissen angesehen.