Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 122)

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Reich trat auf der einen Seite gegen die ihm aus dem Kollegen- und Bekanntenkreis offensichtliche Dekadenz im Wien und Berlin der 1920/30er Jahre an mit ihren „de Sadisten“ und „Zynisten“ und andererseits … Reich stand in Opposition gegen Freuds „Mensch als sadomasochistisches Tier“, „die Reaktion“ („Erbsünde“), die damals wirklich allesbestimmende Eugenik und die „kapitalistische Geschäftemacherei“ (die er aus der eigenen Ursprungsfamilie kannte). Die Natur hatte in der Selbstverortung Reichs entsprechend friedfertig zu sein und ohne den Menschen ein Paradies. Tatsächlich ist insbesondere Äther, Gott und Teufel ein durchaus „Rousseauistisches“ Buch. Er mußte gegen einen universellen „Darwinismus“ antreten (Hitler war nichts als ein „Darwinist der Praxis“!), über den Reinhard Eichelbeck schreibt: „Er (der besagte „Darwinismus“) hat sozialneurotische Unarten des Menschen – Egoismus, Aggressivität, Rücksichtslosigkeit, Geilheit, die alten Macho-Untugenden, möglichst viele Nachkommen und möglichst viele tote Feinde zu hinterlassen – als naturgegeben, ja sogar als Grundprinzipien der Evolution dargestellt“ (Das Darwin-Komplott, München 1999). In einer anderen, weniger rundherum bösartigen geistigen Umwelt hätte es einen anderen Reich gegeben, da er sich anders verortet hätte!

Dazu gehört auch, daß sein Publikum sich zu 99% aus linksliberalen und sozialistischen Gutmenschen rekrutierte, die etwa in Stirner instinktiv das sahen (bzw. gesehen hätten), was die Linke von Marx bis Hans Günther Helms immer in ihm sah und sehen: DEN „kleinbürgerlichen“ Ideologen des Raubtierkapitalismus, DEN Bösen schlechthin. Wie sollte Reich in einer solchen Umwelt eine Identität als „Stirnerianer“ bewahren? Man muß sich das mal vorstellen: sein ganzes Leben und auch noch posthum nur von „Grünen“ Spinnern („Reichianern“) umgeben zu sein (vermeintlichen Altruisten) – und um die Gruppe herum nur reaktionäre „Darwinisten“ (vermeintliche Egoisten)!

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5 Antworten to “Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 122)”

  1. Robert (Berlin) Says:

    Darwin und Reich haben eine ähnliche Verfälschung erfahren. Aus Darwins „Survival of the fittest“, Überleben der Bestangepassten (an die Umwelt), wurde Überleben der Stärksten (=Rücksichtslosesten).

    Aus Reichs Entdeckung der „orgastischen Potenz“, d.h. der ungepanzerten Hingabe in der genitalen Umarmung*, wurde „fickt euch frei“.

    *eines der genialen Wortschöpfungen Reichs, die jeden Dreck vermissen lässt

  2. Peter Töpfer Says:

    Dieses von Chr. Fernandes hrsg. Stirner-Buch ist ein neuer, noch nirgends sonst veröffentlichter Laska-Text, richtig?

    • Peter Nasselstein Says:

      Korrekt!

    • Peter Nasselstein Says:

      Es sollte zunächst eine rororo-Bildmonographie werden, war schon abgeschlossen etc. Rowohlt ist dann abgesprungen, andere Verlage haben sich nicht interessiert und so hat das Manuskript leider nie die Schublade verlassen. Dabei ist es die wohl beste… – nein, es ist die einzig ernstzunehmende Deutung des EINZIGEN, die seit 1845 erschienen ist. Daß beide Konterfeie auf dem Cover zu sehen sind, find ich, nach einer anfänglichen Irritation, von daher mehr als angebracht. Zumal ohne Fernandes (und ein klein wenig auch ohne mich) das Manuskript wohl nie ans Tageslicht getreten wäre. Ich zügele mich jetzt lieber, um nicht in Superlative zu verfallen… Laskas Buch ist… etc.

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