Als Reich aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrte und nach einem Semester Jura anfing Medizin zu studieren, organisierte er zusammen mit seinem damaligen Freund Otto Fenichel ein privates Studentenseminar über eine Leerstelle im offiziellen Lehrplan: die Sexologie. Über dieses Seminar kam er in Kontakt mit Freud und wurde sehr schnell Psychoanalytiker. Was ihm bereits damals auffiel, war, wie imgrunde fremd ihm die Herangehensweise der damaligen Sexologen und Psychoanalytiker war, die sich detailversessen an allen möglichen Perversionen abarbeiteten, das eigentliche Thema aber verfehlten: die gewöhnliche Sexualität des Menschen bzw. das, was sich die meisten Menschen als erfüllende Liebe ersehnen. Entsprechend lebte er als Sexualaufklärer in einer vollkommen anderen Welt als etwa Magnus Hirschfeld. Es gab praktisch keinerlei Berührungspunkte. Man muß auch daran denken, daß zu der Zeit, als Reich in Berlin tätig war, Berlin als die „Sexhauptstadt“ der Welt galt. Nichts davon ist in seinem persönlichen Leben oder in seiner „Sexpol“-Arbeit zu finden. Entsprechend verband ihn in Amerika so gut wie nichts mit Leuten wie Henry Miller oder Alfred Kinsey. Vielmehr galt er wegen seines Beharrens auf der Genitalität als prüde und außerdem betrachteten ihn beispielsweise die damaligen Anarchisten, die für „sexuelle Freiheit“ fochten, als eine Gefahr, weil sie befürchteten mit seiner „Pseudowissenschaft“ in einen Topf geworfen zu werden.
In seiner Sexpol-Arbeit beschäftigte er sich natürlich auch mit Perversionen, Hermaphroditen, etc. doch dies nie in seinen öffentlichen Vorträgen, sondern nur in Einzelgesprächen, wo es darum ging, daß das ganze kein Problem der Moral sei, daß sich der betreffende nicht schämen müsse, wo er weitere Hilfe finde, etc. Das kontrastiert auffallend zur „modernen“ Herangehensweise, Minderheitenprobleme in den Mittelpunkt zu stellen und das, was „die Massen“ angeht, an den Rand zu schieben.
Kurioserweise wurde von Anfang an versucht Reich mit der „sexuellen Revolution“ der 1960er Jahre in Verbindung zu bringen, allein schon wegen des gleichnamigen Buchtitels von Reichs Mitte der 1940er Jahre erschienenen Buches. Doch ist es vollständig abwegig Reich in irgendeine Beziehung etwa zum Playboy oder anderen Vermarktern von „Sex“ zu setzen. Man schaue sich nur den Film What‘s New Pussycat aus dem Jahre 1965 an. Nichts verband ihn mit den Hippies und selbst in der Studentenbewegung, man denke nur an Cohn-Bendit, wurde eindeutig Herbert Marcuse bevorzugt und Reich der „Fetischisierung der Genitalität“ geziehen.
Die wahre „sexuelle Revolution“ hatte für Reich verschiedene Aspekte. Zunächst einmal ging es um die Herstellung einer grundsätzlich sexualpositiven, lebensfreundlichen und das hieß für Reich anfangs vor allem antireligiösen Atmosphäre. Diese stellte er etwa auf den Massenversammlungen der Sexpol in Wien und Berlin her. Heute kann man kaum sagen, daß die gesellschaftliche Atmosphäre „sexualpositiv“ ist, vielmehr ist sie von Angst geprägt nicht irgendwelchen Kriterien zu genügen und ständig wird Angst vor Geschlechtskrankheiten, insbesondere HIV eingeflößt. Hinzu kommt, daß heute „Sex“ weitgehend als Ersatz für familiäre Wärme und emotionalen Kontakt herhalten muß. Bei Migranten herrschen heutzutage ähnliche Verhältnisse wie damals im erzkatholischen Österreich oder in der damaligen deutschen Provinz und selbst die Deutschen sind alles andere als „antireligiös“, vielmehr greift eine „Spiritualität“ um sich, die die Menschen erst recht von ihrer Sexualität entfremdet.
Einer der Hauptgegensätze zwischen Reich und Freud war die Natur des Ödipuskomplexes. Für Freud war er eine biologische Gegebenheit, aus der sich die Kultur entwickelt hat, die deshalb untrennbar mit der Neurose verknüpft sei. Für Reich war er ein Kunstprodukt der patriarchalen Familienstruktur und würde sich, zusammen mit der Neurose, mit dem Verschwinden der Familie, wie wir sie kennen, in Luft auflösen. Er schaute dabei hoffnungsvoll nach Rußland und dessen Experimenten mit „kollektiver Erziehung“. Reich dachte dabei vor allen an von den Kindern selbstgesteuerte „Kinderrepubliken“, in denen kindliche Sexualität ausschließlich zwischen etwa gleichaltrigen Kindern stattfindet. Gleichzeitig erkannte Reich im Laufe der Zeit aber immer deutlicher, wie sehr das Kind vom Augenblick der Geburt an die körperliche und vor allem emotionale Nähe seiner Mutter braucht, um gesund heranzuwachsen. In der sogenannten „sexuellen Revolution“ kam es jedoch, nicht zuletzt durch den Einfluß der orthodoxen Psychoanalyse, die bei zu engem Kontakt zwischen Kindern und Eltern immer eine „Aktivierung des Ödipuskomplexes“ witterte, zu einem Wegbrechen dieses Urvertrauens. Für Kinder und Jugendliche wurde „Sex“ zu einem Ersatz für diese Nähe und Menschen mit pädophilen Tendenzen sahen sich berufen, die Sexualität von Kindern „zu befreien“, wobei sie sich irrwitzigerweise teilweise sogar auf Reich beriefen.
Durch den Zerfall der alten triebgehemmten autoritären Ordnung und ihre schrittweise Ersetzung durch eine triebenthemmte antiautoritäre „Unordnung“ ist es infolge der „sexuellen Revolution“ zu einer grundlegenden Veränderung der Panzerstruktur des Durchschnittsmenschen gekommen, nicht zuletzt auch durch die Verbreitung legaler und illegaler Drogen, insbesondere Marihuana: muskuläre Panzerung wurde weitgehend durch okulare (Augen-) Panzerung ersetzt, was zu einem Zustand allgemeiner Kontaktlosigkeit, einem höheren Angstpegel und allgemeiner Orientierungslosigkeit führt, die die Augenpanzerung immer weiter verstärkt.
Schlagwörter: Alfred Kinsey, Anarchisten, Ödipuskomplex, Berlin, Erster Weltkrieg, Henry Miller, Herbert Marcuse, Katholizismus, kollektive Erziehung, Magnus Hirschfeld, Otto Fenichel, Playboy, Pseudowissenschaft, Sex, Sexologie, Sexualaufklärer, sexuelle Freiheit, sexuelle Revolution, Spiritualität, What's New Pussycat
7. Januar 2017 um 14:20 |
Die Annahmen des letzten Absatzes – einer Wirksamkeit einer „sexuellen Revolution – im Sinne einer Sexualisierung und Strukturverschiebung hin zu sog. „frühen Stöungen“ und massen hafte Zersetzung des muskulären Panzers – finden in der klinischen Betrachtung von Klienten (aus meiner Sicht) keine Entsprechung und führen zu theoretischen Verwirrungen. Reich sei mit seiner Charakteranalyse gehemmter Strukturen überholt oder sein Entwicklungsmodell der Neurosen sei nicht mehr anwendbar, das Gegenteil ist nach wie vor der Fall.
Man kann annehmen, dass junge Menschen eine bessere Genitalität entwickelt haben, als die Generation noch vor 50 Jahren. Aber sind die gesellschaftlichen Bedingungen, das soziale Umfeld wirklich sexualbejahender geworden? Die Antwort ist nein. Sexueller Missbrauch in Familien und sex. Übergriffe sind tägliche Bedrohungen, gegen die Menschen sich schützen müssen. Die soziale Kontrolle im kleinstädtischen Mileau (in anderer Weise auch in der Großstadt), übers Internet und Denunziantentum haben immer noch das gleiche Motiv: den Zugriff auf die Sexualität des anderen, diese zu hemmen und der Liebe eines Menschen mit Hass und Neid zu entgegnen.
Das Modell der (Zwangs-)Ehe (und damit ist die normale westl. Form der Ehe schon gemeint) als einzig „wahre“ Beziehungsform, die gesellschaftlich akzeptiert sei, ist tief in unsere Herzen gebrannt, da jede andere Form als Bedrohung empfunden wird. Die Ernüchterung über dieses Eheversprechen, dass wirtschaftliche Vorteile verspricht und gleichzeitig eine Abhängigkeit zementiert, folgt nach kurzer Zeit oder nach 20 Jahren, wenn die Kinder wieder aus dem Haus sind. („Wir haben uns nicht geliebt. Ich wurde verlassen.“ usw.)
Ich glaube auch, dass Sex schon immer als Ersatz für familiäre Wärme herhalten musste, dies ist kein neues Phänomen. Im 20. Jahrhundert oder den letzten 100 Jahren in Deutschland (und woanders) gab es keinen Zeitpunkt, wo es nicht um das nakte Überleben oder um finanzielle/ wirtschaftliche Sicherheit ging. Emotionale Beziehungen und Befindlichkeiten mussten immer zurückstehen und waren weder in der Großfamilie noch in der Kleinfamilie von echter Bedeutung. Retrospektive Romantisierungen der Familie sind wenig nützlich.
In Reichs Beschreibungen wird die antisexuelle Rolle des Glaubens und der Kirchen klar beschrieben; seine Träume und Utopien eines Gegenentwurfes zeigten sich als fromme Wünsche, die an der Gesellschaftsform sowie an den verküppelten Charakterstruktur Einzelner und im Kollektiv scheitern. Und hier sind wir keinen Schritt weiter.
7. Januar 2017 um 15:42 |
„Man kann annehmen, dass junge Menschen eine bessere Genitalität entwickelt haben, als die Generation noch vor 50 Jahren.“
Behaupten kann man viel. 1967 waren die meisten Menschen in Deutschland noch eher konservativ, im Gegensatz zu heute. Konservative neigen zu weniger Perversionen und orientieren sich an der biologischen Rolle. Das Propagieren der Perversionen ist typisch links und wird ja auch in den Schulen gelehrt.
Aus meiner Sicht stimmt das genaue Gegenteil: Prägenitalität ist heutzutage stärker verbreitet.
7. Januar 2017 um 20:38 |
Sehr guter Artikel (auch die Leserkommentare lohnen sich!) über die extreme Augenpanzerung der linksgrünen Mischpoke:
http://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/warum-sie-mit-psychopathologisch-gestoerten-gutmenschen-nicht-diskutieren-sollten/
8. Januar 2017 um 08:50 |
Siehe auch:
http://1nselpresse.blogspot.de/2017/01/womit-lasst-sich-die-idiotie-der.html
8. Januar 2017 um 18:34 |
Schon gelöscht
http://www.journalistenwatch.com/2017/01/08/kritik-an-gruenen-tichys-einblick-entschuldigt-sich-und-loescht-artikel/
8. Januar 2017 um 19:00 |
Diese Leute sind schwach und haben keinen Biß. Interessant, daß sie immer ausklinken, wenn (wie moralistisch entstellt auch immer) die charakter-strukturellen Grundlagen der Politik in den Fokus geraten.
8. Januar 2017 um 19:16 |
Der gleiche Artikel, aber die Leserkommentare sind natürlich neu.
8. Januar 2017 um 19:19 |
Wieder da
8. Januar 2017 um 20:48 |
Bin ziemlich genervt, weil es jetzt Unmengen solcher Artikel gibt, die für die i.w.S. brilläugige tyrannische Mehrheit nichts als wüstes Geschimpfe sind (gerade der Verweis auf Charakterliches ist für sie natürlich unerträglich). Was bringt dieser Wust? ich selbst will Argumentation klarer machen. Das wird selbstverständlich so gut wie immer ‚abprallen‘. Außerdem gibt es aber noch die Möglichkeit, sich als Opposition zusammenzuschließen, und ich glaube, dass das einen Wert hätte, wenn man Schimpferei einfach weglässt; aber da passiert GAR NICHTS. Ich lese im Internet immer wieder, wie viele ähnlich Denkende es gibt. Aber face to face, vor Ort lerne ich niemanden dieser Art kennen. Das ist mir ein Rätsel.
9. Januar 2017 um 09:19 |
Ich oute mich jetzt mal: ich war auf mehreren AfD Veranstaltungen und auf einer Bärgida. Dort habe ich auch viele Gleichgesinnte kennen gelernt; aber auch echte Rechtsradikale und Politikanten in Fleisch und Blut – was mich sehr abstieß.
Man kann „ähnlich Denkende“ schon finden, muss allerdings in Kauf nehmen, von Linken angegriffen und von der Polizei kontrolliert zu werden.
9. Januar 2017 um 09:39 |
Ja, ich habe auch Kontakte zur AFD geknüpft. Bloß: Hier, vor Ort, gibt es keine Zirkel, in denen man sich austauscht (das ist es, was ich jetzt suche, denn ich kenne wirklich nur noch Leute, mit denen ich keine Inhalte teile). Bei der AFD vor Ort geht es sofort konkret um Kommunalpolitik. Das will ich jetzt nicht. (Von Linken angegriffen werden – na ja, in der Provinz kennt man sich mehr oder weniger und geht sich ggf. aus dem Weg.)
9. Januar 2017 um 10:01 |
Dazu noch Um mit der AFD in Kontakt zu treten, bleibt einem hier noch sofortige Mitgliedschaft oder wenigstens Fördermitgliedschaft. Denn sobald Veranstaltungen öffentlich angekündigt worden waren, wurden Linke schlichtweg kriminell. https://celleheute.de/mit-sabotageakt-den-falschen-getroffen-anschlag-in-bergen-kostet-bis-zu-20000-euro/
9. Januar 2017 um 12:51 |
Diskussionsstoff:
https://deutscherarbeitgeberverband.de/aktuelles/2016/2016_12_19_dav_aktuelles_staatsversagen.html
9. Januar 2017 um 15:37 |
Ja, alles OK nur immer das eine nicht: „Die Kernenergie ist eine saubere und preiswerte Energieform. Entspricht es mithin nicht dem Gemeinwohl, die Kernenergie zuzulassen, anstelle diese aufgrund der Angst vor Unfällen zu verbieten?“ (zumal es nie nur um Unfälle ging)
8. Januar 2017 um 20:12 |
Dazu ist noch zu erwähnen, daß Dr. Konia gefragt wurde, wie er denn pseudo-liberale modern liberals therapiere. Antwort: gar nicht, denn alles prallt an ihrer intellektuellen Abwehr ab. Sie sind prinzipiell untherapeirbar. Man kann mit ihnen nicht diskutieren.
Ich sage: der Bürger des Westens muß wieder lernen, daß es neben „Gegnern“ auch FEINDE gibt.
8. Januar 2017 um 19:18 |
Die sexuelle Konterrevolution
https://de.gatestoneinstitute.org/9722/europa-frauen-islam
13. Januar 2017 um 00:11 |
Masturbation mit Reich im Rücken:
https://www.youtube.com/watch?v=4_nZ91xFxdk
16. Januar 2017 um 12:53 |
Neues vom Orgonchannel:
15. Februar 2017 um 01:54 |
Heimann sagt ja nicht viel über seine Reichtherapie (oder wie er sie auch immer nennt): Sie sei das „Erlernen von Expansion“ und damit quasi eine Verhaltenstherapie. Und damit hat er absolut Recht, von Orgontherapie hat er keine Ahnung, von Verhaltenstherapie auch nicht, aber er könnte auch als VT-ler irgendwie durchgehen, wenn er seine Expansionsarbeit noch als PMR versteht.
14. Februar 2017 um 12:00 |
Die sexuelle Konterrevolution heute
Unglückseliges Gender-Paradoxon (Biologe Prof. Dr. Ulrich
Kutschera)
Klicke, um auf heft-1_2017-normalversion.pdf zuzugreifen
ab Seite 16
23. März 2017 um 09:05 |
Der Evangelist Roger Liebi zur sexuellen Revolution
(Reich ab 5:01)
https://www.youtube.com/watch?v=N6lie7iGfU4
19. Januar 2018 um 18:29 |
Wilhelm Reich and the Sexual Revolution
https://libcom.org/library/wilhelm-reich-sexual-revolution
19. Januar 2018 um 18:32 |
https://de.wikipedia.org/wiki/Marie-Louise_Berneri
„In Großbritannien war sie eine der ersten Autoren, die beginnend mit ihrem Aufsatz Sexualität und Freiheit die Werke von Wilhelm Reich zur Diskussion brachten.“
24. August 2019 um 05:56 |
Kuby, Die globale sexuelle Revolution, S. 52f:
Wilhelm Reich
In Deutschland war Wilhelm Reich in der Zeit der Wei-
marer Republik und nach seiner Wiederentdeckung 1968
einer der wirksamsten Sexualrevolutionäre. Schwer belas-
tet durch den Suizid seiner Mutter, als er 14 Jahre alt war,
und den Tod des depressiven Vaters wenige Jahre später,
machte Wilhelm Reich bereits als Student Karriere in der
Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, die 1908 von Sig-
mund Freud gegründet worden war. Ohne jemals eine
Lehranalyse abgeschlossen zu haben, betätigte er sich
bereits mit 23 Jahren als Psychoanalytiker.
Aus der Libidotheorie von Freud wurde die Orgasmus-
theorie von Reich, welche – vereinfacht – besagt, dass
der Mensch dreimal in der Woche einen Orgasmus
braucht, um gesund zu sein und als revolutionäres Sub-
jekt die klassenlose Gesellschaft aufbauen zu können.
Wie er dazu kommt, ist nebensächlich – eigenhändig
oder mit wechselnden Partnern beiderlei Geschlechts.
Dazu mussten die »Zwangsehe« und die »Zwangsfamilie
als Erziehungsapparat« zerstört werden. Das Mittel dazu
war die Sexualisierung der Massen, allen voran der Kin-
der. Reich erkannte: »Die patriarchalische Familie ist die
strukturelle und ideologische Reproduktionsstätte aller
gesellschaftlichen Ordnungen, die auf dem Autoritäts-
prinzip beruhen. Wir diskutieren nicht die Existenz oder
Nicht-Existenz Gottes, wir eliminieren einfach die sexu-
elle Repression und lösen die infantilen Bindungen an
die Eltern auf« ¹⁹ – der Rest der subversiven Ziele erledigt
sich dann durch die in Gang gesetzte Dynamik wie von
selbst.
Was beruht auf dem Autoritätsprinzip? Die Beziehung
zu Gott, zur Kirche, zur Tradition, zum Staat, zu den El-
tern, insbesondere zum Vater, zum Lehrer. Reich er-
kannte glasklar: Sexualisierung war das Vehikel, um all
diese Beziehungen zu zerstören und damit die Ord-
nungsstruktur der gesamten Gesellschaft.
Für diese Agenda schuf er einen gewaltigen theore-
tischen Überbau mit wissenschaftlichem Anspruch, so
wie auch der Marxismus als unfehlbare, objektive Wis-
senschaft auftrat, von Reich erweitert um die neu erfun-
dene »Wissenschaft« der Psychoanalyse. Wie jeder Ideo-
logie geht es Reich darum, mit einem gewaltigen Denkge-
bäude die zerstörerische Agenda als objektiv und gut zu
verkaufen.
Kriege, die Ausbeutung des Proletariats, der »religiöse
Mystizismus« und der Faschismus ²⁰ haben nach seiner
Theorie eine einzige Ursache: Die 6000 Jahre währende
»Unterjochung des Sexualtriebes«, welche die Mensch-
heit weltweit krank gemacht habe. ²¹ Alle diese Geißeln
des Menschenlebens würden für immer verschwinden, wenn der Mensch seine sexuellen Bedürfnisse ohne jede
Einschränkung befriedige.
Dafür kämpfte Reich, dafür trat er in die kommunis-
tische Partei ein, aus der er 1933 ausgeschlossen wurde.
Er gründete die Sex-pol-Bewegung, die im Vorkriegs-Berlin
proletarische Massenveranstaltungen organisierte. Das
Programm: »Sexuelle Bejahung als Kern der lebensbe-
jahenden Kulturpolitik auf der Grundlage der sozialis-
tischen Planwirtschaft.« ²² In nuce: Befriedige deine sexu-
ellen Begierden und du schaffst das Paradies auf Erden.
Eine frühe Vorwegnahme der später so anmutig wir-
kenden Hippie-Parole: Make love not war.
Die entscheidende Rolle kam in Reichs Strategie den
Kindern und Jugendlichen zu. Sexuell aktive Kinder sind
natürliche Revolutionäre, die gegen jede Autorität rebel-
lieren. Es geht Reich darum, die »sexualverneinende und
-verleugnende Erziehung« abzuschaffen und Kinder und
Jugendliche durch Sexualisierung aus dem Familien-
verband zu lösen. »Die revolutionäre Jugend ist familien-
feindlich und -zerstörend.« ²³ Reich propagierte Onanie
als »Ausweg aus den Schäden der Abstinenz« und Ge-
schlechtsverkehr ab der Pubertät, denn »der Bestand der
Zwangsehe und Familie sowie die Erzeugung der Unter-
tanenstruktur erfordern diese Unterdrückung [der ju-
gendlichen Sexualität].« ²⁴
Wilhelm Reich hatte erkannt, dass die totale Sexuali-
sierung der Kultur die Auslöschung der Kirche und des
klassischen Staates bedeuten würde, und eben dies war
sein Ziel. E. Michael Jones bringt auf den Punkt, was eine
Gesellschaft im Übergang vom christlichen zum hedo-
nistischen Gesellschaftsmodell um keinen Preis erken-
nen will: »Der Staat muss mit beiden Füßen auf der
einen oder der anderen Seite stehen: Entweder die Herr-
schaft der Vernunft und der Selbstkontrolle oder die
Herrschaft der sexuellen Revolution … Der klassische
Staat muss Tugend fördern; der revolutionäre Staat muss
Laster fördern … Aber früher oder später führt Laster
auch zum Niedergang des revolutionären Staates.« ²⁵
Merkwürdigerweise hat sich Reich selbst dem Zwang
der Ehe dreimal unterworfen. Auch von seiner dritten
Frau, die er im Exil in New York, USA, ehelichte und mit
der er ein drittes Kind zeugte, ließ er sich scheiden.
Reich entwickelte einen »Orgon-Akkumulator«, eine
Maschine zur Produktion von »Lebensenergie«. Wegen
des Verkaufs dieses Apparates wurde er zusammen mit
seinem Mitarbeiter Dr. Silvert als Betrüger zu Gefängnis
verurteilt. Reich starb 1957 im Zuchthaus Lewisburg, sein
Mitarbeiter wurde ein Jahr später entlassen und verübte
kurz danach Selbstmord.
Wilhelm Reich war außerordentlich einflussreich. Der Begründer der Gestalttherapie, Fritz Perls, hatte bei Reich
in Wien eine Lehranalyse absolviert. Die sehr erfolgreiche
Bioenergetik von Alexander Lowen war von der Reich’-
schen Theorie der »Panzerung durch Sexualun-
terdrückung« inspiriert.
Den großen kulturrevolutionären Durchbruch erlangte
Wilhelm Reich postum durch die 68er-Revolte. Seine
Botschaften wurden in die Theorie der »Frankfurter
Schule« eingekleidet und durch die Werke der zurückge-
kehrten Emigranten Adorno, Horkheimer und Marcuse
neu in die Hirne und Herzen der Studenten eingepflanzt.
Wie verführerisch war doch die Botschaft: Befreie dich
aus der repressiven christlichen Sexualmoral, lebe deine
Triebe aus und schaffe so das Paradies der »herrschafts-
freien Gesellschaft«. ²⁶
24. August 2019 um 06:49 |
“ E. Michael Jones bringt auf den Punkt, was eine
Gesellschaft im Übergang vom christlichen zum hedo-
nistischen Gesellschaftsmodell um keinen Preis erken-
nen will: »Der Staat muss mit beiden Füßen auf der
einen oder der anderen Seite stehen: Entweder die Herr-
schaft der Vernunft und der Selbstkontrolle oder die
Herrschaft der sexuellen Revolution … Der klassische
Staat muss Tugend fördern; der revolutionäre Staat muss
Laster fördern … Aber früher oder später führt Laster
auch zum Niedergang des revolutionären Staates.« “
E.Michael Jones ist ein Antisemit, wie man an den Buchtiteln erkennen kann:
https://www.fidelitypress.org/bookstore
https://blogs.timesofisrael.com/e-michael-joness-war-on-the-jews/
30. Juni 2020 um 20:47 |
Wilhelm Reich als Sexuologe
Bernd A. Laska, Nürnberg
Sexuologie 4 (3) 1996: 232- 241 / © Gustav Fischer Verlag, Stuttgart
Klicke, um auf Bd.3_1996_4.pdf zuzugreifen