Was den eingedrungenen Wüstennomaden ihre „Religion“ („Der hat meine Religion beleidigt!“) ist ihren linksintellektuellen Willkommensklatschern die „Kultur“. Kaum einer wagt zu sagen, was offenkundig ist: daß die moderne Malerei, das moderne Theater und die moderne ernste Musik fast durchweg nichts anderes sind als minderwertiger Dreck. So sah jedenfalls Reich die Sache.
Die Hamburger Morgenpost rezensiert die Uraufführung eines zeitkritischen Theaterstücks Die Kontrakte des Kaufmanns von Elfriede Jelinek, die 2004 den Literatur-Nobelpreis erhalten hatte:
Die muntere Schauspielertruppe tat ihr Bestes, um das Publikum am Einschlafen zu hindern. Eisenstangen knallten auf die Bühne, Luftballons wurden zerstochen, und schließlich kletterte das Ensemble sogar über die Köpfe der Zuschauer hinweg. Ganz ehrlich, man kann es schaffen bis zum Ende.
Was würde Reich über Jelinek und die masochistische „Kultur“-Schickeria sagen, die diesen entarteten Müll über sich ergehen läßt? Wahrscheinlich dasselbe, was er über Kafka gesagt hat. Als Myron Sharaf ein Kafka-Zitat für das Orgone Energy Bulletin benutzen wollte, protestierte Reich: „Er (Kafka) war ein Neurotiker und andere Neurotiker sammelten sich um ihn und machten ihn zu einem großen Helden“ (M.R. Sharaf: “Some Remarks of Reich (1949-1952)”, Journal of Orgonomy, Vol. 8, No. 1, May 1974).
Wirkliche Kunst entspricht „Löchern“ in der Panzerung, ist also in jedem Fall unneurotisch. Die nervende Kakophonie der Neurotiker, der sogenannten „Künstler“, die, statt sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen, uns ihre Alpträume ins Gesicht kotzen, trägt nur zur allgemeinen Verpanzerung bei, gebiert neue Verzweiflung; ist Niedertracht, Menschenverachtung, Emotionelle Pest und sonst nichts! Immerhin hatte Kafka die innere Größe, darum zu bitten, daß nach seinem Tod seine Manuskripte verbrannt werden – statt dessen machten sie ihn zum Helden….
Zur neurotischen Schriftstellerei siehe auch Wilhelm Reich, das Schreiben, meine Neurose und ich von Jan Decker.
Der Gegenpol zu Kafka, den Erzneurotiker, bildet der „Naturmystiker und Dichtermaler“ William Blake (1757-1827). Dazu das Bild „Venus und Anchises“ des viktorianischen Malers Sir William Blake Richmond (1842-1921), der von seinem Vater nach dessen Freund William Blake benannt worden war:
Hier sieht man, wie die Liebesgöttin in einen herbstlichen Wald tritt und neues Leben spendet. Sowohl Blake als auch der nach ihm benannte Maler waren im Christentum verankert gewesen, gleichzeitig ging es ihnen aber um den Zauber der Natur und um sinnliche Leidenschaft, die nicht im Widerstreit steht zu Gott und den Botschaften der Bibel. Für William Blake offenbarte sich Gott erst in der menschlichen Lebensfreude.
Blake war einer der seltsamsten und „fremdesten“ Menschen, die je gelebt haben. Von seinen Graphiken geht eine bezwingende Kraft aus, der man sich kaum entziehen kann. Seine Gedichte wirken, als wären sie von Wilhelm Reich inspiriert. Gewisserweise ist Blake Teil der Orgonomie.
In seiner Einführung in die Orgonometrie Before the Beginning of Time meint Jacob Meyerowitz, daß Blake der einzige Künstler gewesen sei, den man mit Fug und Recht als „genitalen Charakter“ beschreiben kann. Dies erkläre, warum uns, die wir gepanzert sind, sein Werk so fremdartig, geradezu „außerirdisch“ erscheine.
Tatsächlich wirken Blakes Werke auf den ersten Blick „mystisch“ und „verschroben“, doch offensichtlich war das seine einzige Möglichkeit, mit seinem Gefühlsleben umzugehen, das so radikal anders war als das seiner gepanzerten Umgebung. Genauso interpretiere ich das Wirken Jesu im zweiten Band von Der verdrängte Christus.
Tatsächlich ist es manchmal schwer zu sagen, ob man es mit Mystizismus (durch die Panzerung verzerrter Kontakt zum Kern) oder mit einem genuinen Kontakt mit dem bioenergetischen Kern zu tun hat. Das betrifft etwa den bekannten Schriftstelle Paulo Coelho, der mit seiner Weltsicht, die von einer „Weltseele“ bestimmt wird, sich geren als William Blake der Neuzeit stilisiert.
Am 15.8.03 berichtete das ZDF-Kulturmagazin Aspekte über das damals erschienene Buch Elf Minuten (die durchschnittliche Dauer des Geschlechtsakts) von Paulo Coelho. Es geht ohne „aufklärerischen“ Sozialkitsch um die Geschichte einer jungen Prostituierten, die nach der „Sprache des Körpers“ auch die „Sprache der Seele“ kennenlernt und so erfährt, was Erotik und Liebe wirklich ist.
Doch leider versteigt sich „der weltberühmte katholische Kulturalchimist“ gegenüber Aspekte:
Sexuelle Ekstase ist dasselbe wie mystische Ekstase. Wenn man Bücher von Mystikern liest wie der heiligen Theresia von Avila oder dem heiligen Johannes, die zu beschreiben versuchen, was religiöse Ekstase ist, dann liest man: „Ich verliere das Gefühl für diese Welt“ – und dasselbe geschieht beim Sex. Beim Orgasmus, wenn man in Ekstase gerät, verliert man sich, nimmt nichts mehr wahr, findet man aus sich heraus. Und das ist, denke ich, die heilige Erfahrung von Sex.
Reich schrieb, „daß das religiöse Empfinden gehemmter Sexualität entspringt, daß in gehemmter Sexualerregung die Quelle der mystischen Erregung zu suchen ist“ (Hervorhebungen hinzugefügt). Und er unterstreicht: „Daraus folgt der zwingende Schluß, daß klares sexuelles Bewußtsein und natürliche Ordnung des sexuellen Lebens das Ende des mystischen Empfindens jeder Art sein muß, daß also die natürliche Geschlechtlichkeit der Todfeind der mystischen Religion ist“ (Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 168).
Die Spaltung in der Kultur zwischen „Kafka“ und „Blake“ findet sich, wohin man schaut. Etwa, wenn Der Spiegel sich mit der Urgeschichte befaßt.
2005 berichtete Der Spiegel unter der Überschrift „Triebstau im Neandertal“ über den „Adonis von Zschernitz“ und andere Funde, die vom Sexualleben in der Frühzeit zeugen. Der Artikel liest sich, als wären wir noch im Jahre 1932, als Reich sein Buch Der Einbruch der Sexualmoral veröffentlichte. Ganz im Sinne Freuds sehen die „Tabuisten“ den Urmenschen in einem System aus Triebverzicht und Enthaltsamkeit mit einem streng reglementierten Fruchtbarkeitskult gefangen, in dem das geschlechtliche Verlangen sublimiert und zu ritueller Kunst umgeformt wird. Die Soziobiologen glauben hingegen, der haltlose Frühmensch habe dem genetischen Diktat folgend der Promiskuität gefrönt.
Von sexualökonomischen Überlegungen findet sich keine Spur. Stattdessen… – die Sprache des Pseudoliberalen (modern liberal) Kulturfatzkes: „Pornofiguren“, „Erotiktempel“, „Bewegung in der Sexfront“, „Reizwäsche aus der Bronzezeit“, es „wird gerammelt und geschleckt“, „Dildos“, „SM-Sklavin“, „Kloschmierereien“, „trunkene Orgie“, „Erotikriten“, „Eros-Center“.
Nach all dem gesellschaftlichen und wissenschaftlichen „Fortschritt“ der letzten Jahrzehnte sind Reich-Titel wie Der triebhafte Charakter, Die Funktion des Orgasmus und Geschlechtsreife, Enthaltsamkeit, Ehemoral aktueller als in den 1920er Jahren!
Immerhin schlägt der Bericht im Spiegel über die „Venus vom Hohle Fels“ einen anderen Ton an. Einen, bei dem man sich wohl fühlt. Die Statuette sei „– drall und erotisch (…), was wie ein Symbol für Wonne und Wohlleben, sattes Glück und sicheres Gebären scheint“.
Es gibt einen Unterschied zwischen Kultur, die in Einklang mit der Natur ist, und der entarteten Unkultur!
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27. Dezember 2010 um 23:08 |
genaaaaau!
27. Dezember 2010 um 23:24 |
Na ja, gute literarische Prosa findet sich bei Kafka auf jeden Fall – ob neurotisch oder nicht, jedenfalls in der „Verwandlung“, die zu lesen mir manches Mal Vergnügen bereitete. Was Jelineks politisch korrektes Getue betrifft, ist das hier schon treffender.
25. Juli 2014 um 07:57 |
Elfriede Jelinek sagt auch ganz offen, dass sie psychische Probleme hat und seit Kindheit in Therapie war:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/elfriede-jelinek-hausbesuch-bei-der-nobelpreis-ertraegerin-1192899.html
Dann erzählt sie wieder von ihrem jüdischen Vater, der als Chemiker in der Kriegsindustrie arbeitete und geschützt war durch seine Frau, die einen gefälschten Ariernachweis hatte. Er hat seine Tochter auf den Antifaschismus verpflichtet, „er hat mich schon als Kind gezwungen, die Filme anzuschauen mit den Bergen von Leichen“. Da ist ihr Gesicht zum ersten Mal richtig leer.“Verpflichtet“, dieses Wort sagt sie ein paar Mal, „Disziplin“, auch das ist ein wichtiges Wort. „Ich bin ein klassischer autoritärer Charakter“, sagt sie, „ich spüre diese Reflexe zum Gehorsam und muß sie in mir bekämpfen.“
Auch diese Worte führen dorthin, wo alles hinführt, in die Familie. „Eine richtige Beziehung“, sagt sie, „hatte ich nie zu meinem Vater. Er war als Figur zu schwach und wurde dann bald verrückt.“ Sie sagt das ganz selbstverständlich, sie ist so gerade dabei, sie ist wohl in allem sehr gerade und gleichzeitig sehr fragil. Sie spricht von ihren eigenen psychischen Problemen, von den Therapien, „seit ich in der Volksschule war“, von ihren Ängsten.Nur über ihre Mutter will sie nicht sprechen. Und erzählt dann doch. Wie sie die sehr alte Frau hier vor ein paar Jahren im Haus gepflegt hat, wie sie diese Zeit fast zerstört hätte, wie nach dem Tod der Mutter mit 97 dieser Rückzugsschub kam, der immer noch anhält. „Ich habe mich davon nicht erholt“, sagt sie. Sie ist so offen in so einem Moment, sie schaut einen mit ihren grauen Augen an und ist doch sehr weit weg.“
Ich habe den allergrößten Respekt vor Menschen, die andere pflegen“, sagt sie. „Das ist größer, als jede Kunst je sein könnte. Aber mir ist seit damals eine panische Angst vor dem Alter geblieben. Ich denke, man sollte sich rechtzeitig umbringen.“Es ist ein dunkles Land, das Elfriede Jelinek bewohnt, aber es ist ein helles Dunkel, das aus ihr strahlt.
25. Juli 2014 um 17:03 |
Zu Elfriede Jelinek:
Natürlich sollte man wahrscheinlich keines ihrer Bücher lesen, wenn man auf seine Gesundheit achten möchte.
(muss dazu sagen, dass ich auch keines ihrer Bücher gelesen habe.)
25. Juli 2014 um 09:04 |
„moderne Malerei, das moderne Theater und die moderne ernste Musik fast durchweg nichts anderes sind als minderwertiger Dreck. So sah jedenfalls Reich die Sache“ – ääh, Reich sah ‚das‘ so? Tschuldigung, ich glaube, hier muss man denn doch differe…:
Ist Reichs Neigung zu Munch, einem der frühen Modernen schlechthin, nicht recht gut belegt? Und seine Mitgliedschaft in einem Wiener Schönberg(o.ä.)-Verein?
Das hier Gesagte betrifft wohl eher intellektuelle Spinnereien v.a. nach 1945.
25. Juli 2014 um 14:12 |
Siehe Ollendorff in ihrer Reich Biographie, wo sie schreibt, Reichs Musikgeschmack sei konventionell gewesen. Zum Programm des Schönbergvereins siehe hier: http://www.schoenberg.at/library/index.php/attachments/single/2582
Und Munch: nicht gerade Picasso!
Hier ein schöner Leserkommentar zum Thema:
http://schwertasblog.wordpress.com/2014/04/20/aktuelles-und-skurriles-heute-ostern/
25. Juli 2014 um 16:15 |
„Und Munch: nicht gerade Picasso!“ – aber ähnlich modern. Picasso war übrigens wirklich ein enormes Genie, zum Beispiel was sein zeichnerisches Können betrifft.
25. Juli 2014 um 22:30 |
In bester Beuysscher Tradition
Ein Künstlertrio behauptet, Joseph Beuys’ Fettecke zu Schnaps verarbeitet zu haben. Beuys-Witwe Eva schäumt, doch tatsächlich haben die vermeintlichen Vandalen Beuys und sein Werk wesentlich besser verstanden als sie.
http://bazonline.ch/kultur/kunst/In-bester-Beuysscher-Tradition/story/30324247
26. Juli 2014 um 11:39 |
Hallo!
ich möchte eine Initiative gegen Theatersubventionen gründen. Grundgedanke: Wer Theater will, soll so viel zahlen, dass es sich selbst trägt. Es gibt erheblich wichtigere Dinge – für die öffentliche Gelder gebraucht werden. Argumente, die für Theatersubventionen angeführt werden, zielen immer wieder auf angebliche Rollen des Theaters ab, die allerdings ganz unspezifisch für Theater sind: Änderung von Sehgewohnheiten, gar politische Aufklärung und Provozieren sowie Provoziert-Werden. Besonders merkwürdig das Argument, Theater sei eine Alternative zum Fernsehen: Ich habe keinen Fernseher und brauche auch keinen Theaterabend.
In der 80000-Menschen-Stadt, in der ich wohne, existiert ein Theater, das sich mit Tradition brüstet und letztes Jahr meines Wissens 1 000 000 Euro vom städtischen Haushalt beansprucht und bekommen hat – dies bei einer HAUSHALTSSPERRE.
Warum nicht eher dicht machen als fördern?
Interesse?
steht in:
http://www.monopole.de/allgemeines-44/ich-bin-gegen-theatersubventionen/
26. Juli 2014 um 20:14 |
ich finde die Behauptungen des Artikels eigentlich recht klar formuliert:
Also:
erst eine Zeit, die durch solche Darstellungen wie die Venus vom Hohe-Fels geprägt war,
dann:
eine Zeit die von eher pornografischen Darstellungen geprägt war.
Scheinbarer Widerspruch zur Saharasia-Theorie: dort ist der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral vor etwa 6 Jahrtausenden passiert und nicht vor 20.
Aber: bekanntermaßen ging – gleichzeitig mit er letzten Eiszeit – eine relativ wüstenhafte Phase des Erdklimas vor 10 Jahrtausenden zu Ende. Also der Einbruch von Pornografie und ähnlichem zwar vor sechstausend Jahren passiert, damals aber bereits zum wiederholten Mal?? Vieles ist noch unbekannt.