Orgonomie als Weltanschauung

Es gibt zwei Arten von „Orgonomie“, die kaum etwas mit Reichs Orgonomie zu tun haben. Die erste macht aus Reichs Beiträgen eine in sich geschlossene „Weltanschauung“, die zweite benutzt Reichs Lebenswerk als eine Art Steinbruch, wo man nach Belieben (d.h. nach den eigenen ideologischen Vorlieben) mal das und mal jenes herausklauben kann.

Dem aufmerksamen Leser dieses Blogs wird aufgefallen sein, daß die einzelnen Beiträge untereinander nicht immer harmonieren und ab und an „Widersprüche“ auftreten. Dazu ist zu sagen, daß der Student der Orgonomie die Welt immer wieder von neuem und möglichst unvoreingenommen betrachtet. Er hat keine in sich geschlossene „Weltanschauung“, d.h. er hat kein Brett vor dem Kopf. Er ist offen für alles und im guten und echten Sinne liberal.

Man nehme etwa die drei Grundtabus, auf denen die gepanzerte Gesellschaft aufgebaut ist: Sexualität, Politik und Religion. In der gegenwärtigen anti-autoritären Gesellschaft ist es nur allzu verständlich, wenn der Student der Orgonomie dem Uneingeweihten als „puritanisch“, „konservativ“ und sogar als „christlich“ erscheinen mag. Wenn sich die Umstände geändert haben, könnten wir uns durchaus im entgegengesetzten Lager wiederfinden. Außerdem entwickelt sich die Orgonomie im allgemeinen und die orgonomische Soziologie im besonderen beständig fort.

Das Mißverständnis, daß es sich bei der Orgonomie um eine „in sich geschlossene Weltanschauung“ handelt, entsteht auch dadurch, daß es etwa undenkbar ist, daß sich ein Cloudbuster-Operateur (Meteorologie, Ingenieurwesen) nicht mit Reichs sexualökonomischen Theorien auseinandersetzt (Medizin, Psychologie, Soziologie) und sich nicht fortwährend in orgontherapeutischer Behandlung befindet. Wie überall in der Wissenschaft geht es darum, die Instrumente und Geräte intakt zu halten. In der Orgonomie ist das wichtigste Instrument der menschliche Geist und Körper sowie das soziale Gefüge zwischen den Arbeitenden (Arbeitsdemokratie).

Ab und an hatte ich wirklich genug von der Orgonomie. Es waren „WTF“-Momente. Da war beispielsweise der Augenblick, als ich über die Rolle des Augenkontakts bei Menschenaffen sprach, die ihn als extrem aggressiven Akt wahrnehmen. Mein „orgonomisches“ Gegenüber reagierte heftigst: das müßten die Verhaltensforscher falsch interpretiert haben! – Es paßt nicht zur „orgonomischen“ Weltanschauung, in der beispielsweise der „tiefe Augenkontakt“ eine wesentliche Rolle spielt. Bei solchen Reaktionen denke ich mir dann: „Scheiße! In was für eine Sekte grenzdebiler Irrer bin ich hier bloß reingeraten?“ Andere Beispiele sind irrationale Reaktionen auf meine faktisch begründeten Zweifel über Giordano Bruno oder die Hexenverfolgung oder die offensichtliche Beobachtung daß es, oh Schreck, Rassenunterschiede gibt.

Ähnlich die Reaktion, als ich erwähnte, daß Malinowski seinem posthum veröffentlichten Tagebuch zufolge Probleme mit dem Rassismus der Trobriander hatte, die einen Horror vor Körpergerüchen haben und jedes Körperhaar entfernen. Und dann kommt da so ein übelst vor sich hin müffelnder (generell ist Kleidung, diese Segnung des weißen Mannes, in den Tropen unhygienisch!), ständig schwitzender, blasser und wie ein Halbaffe über und über behaarter Untermensch (ein Mitteleuropäer) wie Malinowski daher! Malinowski hat sich gerächt, indem er von „Niggern“ und, was die jungen Trobrianderinnen betraf, „Huren“ sprach. Aber erwähne das mal gegenüber einem ganz in der „orgonomischen“ Weltanschauung aufgehenden Sektierer, für den Malinowski ein orgonomischer Heiliger ist! „Blödsinn!“ Da müßte ich was mißverstanden haben, blablabla.

Für diese Leute scheint es keine objektive Wirklichkeit zu geben. Alles wird mit einer vermeintlich „orgonomischen“ Brille gesehen, ohne daß sie sich bewußt sind, daß sie eine Brille tragen. Diese Brille ist fast durchgehend rosa gefärbt: Friede, Freude, Eierkuchen.

Reich ist nicht ganz unschuldig für das Aufkommen dieser Weltanschauung, mußte er sich doch zeitlebens mit Leuten auseinandersetzen, für die der Mensch ein „sadomasochistisches Tier“ war, die Welt ein von wachsender Entropie und dem „Todestrieb“ bestimmtes Jammertal; dauerhaftes Glück sei Illusion, der Stoizismus die angemessene Geistesverfassung. Noch heute sind die arroganten Hackfressen der Reich-Hasser von diesem Gedankengut durchfurcht.

Tatsächlich hat sich die Gesellschaft aber mittlerweile grundlegend geändert. Aus der autoritären Gesellschaft wurde die anti-autoritäre Gesellschaft und an die Stelle von Sigmund Freud ist Erich Fromm getreten. Zwar spreizen sich in pseudo-intellektuellen Schmierantenblättern noch immer die Zyniker, aber der Gutmensch dominiert zusehends die Szenerie. Jetzt hat er sich sogar seinen eigenen Reich-Film gedreht: ein weicher, verletzlicher, durch und durch anti-autoritärer Reich, der nahe am Wasser gebaut hat. Aussagen Reichs, die nicht in diese Weltanschauung passen, hat Reich, dieses Weichei, dann halt aus Angst vor „McCarthy“ getätigt!

Ähnlich sieht es im Bereich der Orgonbiophysik aus. Da haben wir ein perfektes Weltsystem vor uns: der Raum ist mit einer Art Sauce (dem Orgon) gefüllt, das durch das Universum, die Atmosphäre und den menschlichen Körper fließt, wie es die „alten Weisheiten“ der Völker und verschiedene moderne Esoteriker lehren. Mein Protest, daß man die Orgonenergie nicht einfach mit dem Äther, dem Od, dem Chi und all den anderen „feinstofflichen“ Essenzen gleichsetzen kann, wird jeweils verächtlich vom Tisch gewischt. Reichs Orgon wird mit den verzerrten Wahrnehmungen von gepanzerten Menschen gleichgesetzt!

Reich war ein Wissenschaftler, kein Begründer von etwas, was die Welt nun wirklich als allerletztes braucht: eine neue Weltanschauung. Tatsächlich ist diese vermeintlich „orgonomische“ Weltanschauung derartig beschränkt, klaustrophobisch und offensichtlich falsch und schlichtweg peinlich, daß man den Kritikern der Orgonomie manchmal nur aus vollem Herzen rechtgeben kann. Tatsächlich entspricht diese „orgonomische“ Weltanschauung dem Weltbild des kleinen Mannes, der nicht etwa nach Erkenntnis sucht, sondern nach Halt und Orientierung in dieser Welt.

downwithhim

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10 Antworten to “Orgonomie als Weltanschauung”

  1. Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

    Die Weiterentwicklung der Orgonenergie…

    http://www.pansbasar.de/shop_content.php?coID=82&XTCsid=f828ff2adf65eb0db9609e84d14edd1a

    • Avatar von O. O. Says:

      „Bei der Herstellung werden unsere Orpanit®-Produkte mit verschiedenen Frequenzen, unter anderem mit den Schumannresonanzwellen von 7,8 Hz, beschallt. “

      Ich habe mich gerade kürzlich mit so einer „Bestrahlung“ oder Aufmodulieren von „Information“ oder Frequenzen innerhalb kürzester Zeit verseucht mit gesundheitlichen Konsequenzen. Nicht auszudenken, wenn ich unvorsichtig reagiert hätte, weil ich überhaupt keine Ahnung gehabt hätte. – Fazit: Mit all den heilsversprechenden Teilen und Mischungen kann man sich energetisch wunderbar vergiften und sich womöglich auch umbringen, zur Heilung ist kein einziges Gerät oder Mittelchen imstande.Wo Orgon und ähnliches draufsteht, ist DOR drin, auch wenn es sich im ersten Moment noch wie „orgonlike“ anfühlt …
      Die Produzenten von esoterischen Produkten fühlen (wie oft auch in der Reichszene) kein Orgon und wissen nicht, was sie tun. So lange alles verkauft wird und es „Gläubige“ gibt, die es für theoretisch glaubhaft halten, wird es an den Menschen gebracht, völlig egal, wie krank die Leute und Nachbarn später werden.

  2. Avatar von davidmoerike David Says:

    Die Weiterentwicklung der Orgonenergie…

    http://www.pansbasar.de/shop_content.php?coID=82&XTCsid=f828ff2adf65eb0db9609e84d14edd1a

    Zitat:

    Der Orgonenergie von Dr. Wilhelm Reich wird nachgesagt, schädliche und tote Lebensenergie „DOR „(deadly orgon energy)” in positive, frische Lebensenergie „POR (positive orgon energy)” umzuwandeln, um somit ein ausgewogenes Verhältnis schaffen zu können.

    Zitat Ende.

    „POR (positive orgon energy)”

    POR – haben Reich, Baker, Eden etc. jemals ein solch abstruses, merkwürdiges Konstrukt ins Gespräch gebracht?

    • Avatar von Peter Nasselstein Peter Nasselstein Says:

      Nein. Ich kenne den Ausdruck von Bernd Senf: „pulsierende Orgonenergie“

    • Avatar von O. O. Says:

      Nun nachdem das Orgon (in Berlin) als physikalisch nicht existent erklärt wurde, muss natürlich zu dem toten Ding noch eine Eigenschaft hinzugefügt werden, was liegt da nicht näher als wenigstens eine „Pulsation“ ihm anzudichten. So kommt es zur „pulsierenden“ Orgonenergie, dem „POR“.
      Ich hätte vielleicht eine noch treffendere Bezeichnung, wenn die nächste weiterentwickelte Transformationsstufe erreicht werden soll: „pulsierende positiv power orgon energy“ (PPPOR)

      • Avatar von Sebastian Sebastian Says:

        Die Abkürzung wäre vollkommen irreführend. Sie müsste folgendermaßen lauten: PoPoPOR. Da jetzt auch endlich Orpamit Azteken Pyramiden XL angeboten werden – die hatte ich mir schon immer gewünscht! -, schlage ich einen PoPoPOR Spring Temple Buddha Spacebuster in der gleichen Größe wie das Original vor!

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