Kapitalismus und die Funktion des Orgasmus (Teil 5)

In Ökonomie und Sexualökonomie habe ich dargestellt, wie die Befreiung der Sexualität aus ihren mittelalterlichen Fesseln den Kapitalismus hervorgerufen hat und daß die planwirtschaftliche Zersetzung des Kapitalismus uns zurück ins Mittelalter treibt (wie bereits 1933 infolge der Weltwirtschaftskrise geschehen).

Durch die Verkümmerung von Sexualität (Zwangsmoral) und Konsum (sozialistische Verzichtsideologie) kommt es beim Individuum und im gesellschaftlichen Organismus langsam zur „Schrumpfungsbiopathie“. Der Marxismus läuft auf eine reglementierte Zuteilungswirtschaft hinaus, in der dem Träger des Arbeitsprozesses die Spannungslösung an seinem Arbeitsprodukt vorenthalten wird, was genauso verheerend ist wie ein Coitus interruptus. Die Beschneidung der Arbeitsenergie rächt sich ähnlich wie die Nichtbeachtung der sexualökonomischen Naturgesetze.

Die „gesellschaftlicher Abpanzerung“ der Sexualenergie ist funktionell identisch mit der „gesellschaftlichen Abpanzerung“ der Arbeitsenergie.

Die beiden humanbiologischen Grundfunktionen Sexualität und Arbeit sind ursprünglich in der gleichen Institution beheimatet: der Familie („Familie“ im weitesten Sinne des Wortes!). Die Familie geht aus der sexuellen Gemeinschaft hervor, die wiederum auf der Überlagerungsfunktion gründet („genitale Umarmung“). Mit der Familie kommt es zur ersten Teilung der Aufgaben im Überlebenskampf: die Funktion „Arbeit“ taucht auf. Diese neue Funktion, mit all ihren „Sachzwängen“, steht in einem gewissen Gegensatz zur Sexualität. Zum Beispiel gibt es, damit das reibungslose Funktionieren der Arbeitsteilung garantiert ist, in ausnahmslos allen Kulturen (die noch nicht ganz vom Patriarchat untergraben wurden) das Inzesttabu, sowie (wenn auch weniger ausgeprägt) die öffentliche Tabuisierung der sexuellen Gemeinschaft der Eheleute. Zum Beispiel ist das schlimmste denkbare Schimpfwort der Trobriander: „Beschlafe deine Frau!“ Ähnlich ist die Sexualität in der späteren arbeitsteiligen Gesellschaft am Arbeitsplatz tabuisiert. Ihr Ort ist die „Freizeit“.

Bei aller Gegensätzlichkeit gibt es in den Bereichen Sexualenergie und Arbeitsenergie ganz ähnliche Störungen aufgrund von Panzerung im Individuum. Zum Beispiel kann man den Kapitalismus als eine Art „gesellschaftlicher Orgontherapie“ betrachten, weil er die Menschen dazu zwingt, aufzustehen und sich zu bewegen. Wer „sitzt“ kommt unter die Räder. (Das ist im übrigen auch der tiefere, bioenergetische Beweggrund für die „Globalisierungsgegner“ in Deutschland: sie wollen angesichts einer sich bewegenden Welt sitzen bleiben.) Genauso ist es in der Sexualität: wer sich nicht ständig bemüht, findet keinen Partner, kann ihn nicht halten oder endet in einer festgefahrenen lustlosen Beziehung, die nur noch die Bequemlichkeit zusammenhält. Das einzige, was uns davon abhält materiell und sexuell erfolgreich, glücklich und reich zu sein, ist unsere Panzerung, die uns dermaßen verkrüppelt, daß jeder Maulwurfshügel zu einem unüberwindbaren Bergmassiv wird. (Auf unverantwortlich freiheitskrämerische Weise spielen sogenannte „Motivationstrainer“ mit dieser Wahrheit – die in ihren Händen zu einer gemeinen Lüge wird.)

Hinzu kommt die „gesellschaftliche Abpanzerung“. Man denke etwa an die Trennung der Geschlechter in islamischen Ländern, die das „Heiratsmarktgeschehen“ behindert, wenn nicht unmöglich macht und zu sexuellen Übergriffen in den Familien führt, wo wegen der Polygamie ohnehin alle Unterschiede verwischt sind. (Tatsächlich werden in islamischen Ländern fast flächendeckend immer die Cousinen bzw. Cousins geheiratet, was in Jordanien z.B. zu einer Epidemie erblicher Blindheit geführt hat.) Diese Art gesellschaftlicher Abpanzerung der Sexualenergie ist funktionell identisch mit der gesellschaftlichen Abpanzerung der Arbeitsenergie, z.B. wenn sich zwischen dem Produzenten und den Konsumenten diverse Zwischenglieder schieben, die, anstatt das Marktgeschehen zu unterstützen, es behindern (Bürokratien, politische Interessenvertreter, Zwischen- und Großhändler, Gewerkschaften, das Rechtssystem, die Einkommenssteuer: kurz alle mittelalterlichen Restbestände aus der vorkapitalistischen, ständischen Welt der Zünfte).

Jerome Eden schrieb dazu:

Aus seiner gepanzerten Struktur heraus produziert ARM [der gepanzerte Mensch, armored man] die Zwillingsbrüder seiner Versklavung – den „Mittelsmann“ und den Politiker. Wie die Mittlere Schicht seiner gepanzerten Struktur besteuert der Mittelsmann die Energie, die Früchte bioenergetischer Arbeit, weil ARM nicht fähig ist, für seine eigene Produktivität, für den Verkauf und die Verteilung seiner selbst erzeugten Güter die Verantwortung zu übernehmen. Der Politiker repräsentiert ARMs oberflächliche Fassade. Beide sind wesentlich für die Fortdauer der gepanzerten Gesellschaft. Sie können in einer arbeitsdemokratischen Gesellschaft nicht geduldet werden. (The Value of Values, Careywood, Idaho: Jerome Eden, 1980)

Hierher gehört auch das Problem des Geldes, das den Austausch zwischen Produzenten und Konsumenten erst ermöglicht. Wird das Geld so manipuliert, daß es seine zentrale Funktion, einen reibungslosen Austausch zwischen den Marktteilnehmern zu gewährleisten, nicht mehr erfüllen kann, also nicht mehr für Gerechtigkeit sorgt, sondern ganz im Gegenteil das Gift der Ungerechtigkeit in die Gesellschaft trägt, trifft das die Arbeitsdemokratie ins Mark.

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8 Antworten to “Kapitalismus und die Funktion des Orgasmus (Teil 5)”

  1. Robert (Berlin) Says:

    Das einzige, was uns davon abhält materiell und sexuell erfolgreich, glücklich und reich zu sein, ist unsere Panzerung, die uns dermaßen verkrüppelt, daß jeder Maulwurfshügel zu einem unüberwindbaren Bergmassiv wird.

    Das ist die typische kapitalistische Ideologie der Eliten, die die Schuld für Armut, Unglück und Krankheit einfach den Betroffenen zuschieben, damit sie ihr System der Gewalt, Unterdrückung und Ausbeutung weiterhin rechtfertigen können. Gesellschaftliche Faktoren werden total geleugnet und die wirklichen Entscheider nie erwähnt.
    Reich’s Idee war, dafür zu sorgen, dass ungepanzerte Babys zur Welt kommen, die selbstregulierend aufwachsen. So sollte eine neue Gesellschaft entstehen.

    Zum Beispiel kann man den Kapitalismus als eine Art „gesellschaftlicher Orgontherapie“ betrachten, weil er die Menschen dazu zwingt, aufzustehen und sich zu bewegen.
    Wenn ich sehe, wie Verarmte den ganzen Tag in Müllbehältern nach Pfandflaschen suchen, egal ob jung und alt, dann weiß ich, dass diese „Therapie“ nur großer Mist ist.

  2. David Says:

    Wenn ich sehe, wie Verarmte den ganzen Tag in Müllbehältern nach Pfandflaschen suchen, egal ob jung und alt, dann weiß ich, dass diese “Therapie” nur großer Mist ist.

    Und wie kommt es dazu?

    Gunnar Heinsohn sagt, dass der Kapitalismus – eine so genannte Eigentumsgesellschaft – auf der Kreditierung und Verpfändung von Eigentum beruhen würde.

    Durch die Kreditierung und Verpfändung von Eigentum würde unternehmerische Tätigkeit möglich und somit würde Wirtschaftswachstum erzeugt, sagt Heinsohn. Falls ich ihn richtig verstanden habe.

    Ein Teil der Kreditnehmer hat immer kein Glück, scheitert und wird gepfändet. Dadurch werden die Verarmten immer mehr.

    Wie man leicht sieht, kann infolge dessen das System nicht von Dauer sein, weil die Verarmten immer mehr werden.

    Wie ich glaube, beschleunigt sich durch die zunehmende Ungleichheit der ganze Prozess noch mehr, weil jetzt auch bei Menschen, die nie unternehmerisch tätig waren, Verarmung eintritt. Früher oder später geht am Arbeitsmarkt die Selbstregulierung verloren; einige sind langzeitarbeitslos und andere werden so schlecht bezahlt, dass auch die Arbeit der Vierzigstundenwoche für das Existenzminimum nicht ausreicht.

    Bekanntermaßen ist der Sozialismus, wie wir ihn kennen, keine Alternative, weil alles – oder sehr viel – zentral verwaltet wird – Heinsohn nennt einen anderen Grund, er sagt, dass im Sozialismus kein Eigentum existiert und daher auch das Kreditieren und Verpfänden nicht möglich sei – ebenfalls nicht von Dauer, er ist in weniger als hundert Jahren wieder zerfallen.

    Meine Folgerung ist: in der patriarchalischen und daher gepanzerten Gesellschaft ist der Feudalismus das einzige System, das über Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende Bestand haben kann.

    Feudalismus definiere ich hiermit nicht notwendigerweise als Agrargesellschaft, aber als eine Gesellschaft, die bestimmt ist durch Ausbeutungsverhältnisse, welche auf familiären oder sonstwie persönlichen Beziehungen beruhen.

    Auch die islamische Gesellschaft ist, obwohl sie gewisse kapitalistische und sozialistische Züge hat, feudalistisch in diesem Sinne.

    Auch die römische Sklavenhaltergesellschaft ist zerfallen, und zwar meiner Ansicht nach auch deshalb, weil sie starke kapitalistische Züge hatte. Überdies ist die Frage, ob eine Sklavenhaltergesellschaft überhaupt wünschenswert ist.

    Da müssen wir uns überlegen, wie wir die gepanzerte Gesellschaft überwinden.

    Wie können wir das?

    Hierher gehört auch das Problem des Geldes, das den Austausch zwischen Produzenten und Konsumenten erst ermöglicht. Wird das Geld so manipuliert, daß es seine zentrale Funktion, einen reibungslosen Austausch zwischen den Marktteilnehmern zu gewährleisten, nicht mehr erfüllen kann, also nicht mehr für Gerechtigkeit sorgt, sondern ganz im Gegenteil das Gift der Ungerechtigkeit in die Gesellschaft trägt, trifft das die Arbeitsdemokratie ins Mark.

    Dieses ist ganz offensichtlich, wenn Deflation ist. Das Geld wird immer mehr wert; immer mehr Kaufentscheidungen werden zurückgestellt, alles gerät ins Stocken.

    Bei der derzeitigen inflationären Gelddruck-Politik der FED und der EZB ist es aber nicht besser, weil erstens eine versteckt vorhandene Deflation nur überdeckt wird und zweitens das neu geschöpfte Geld immer zuerst bei den großen Firmen und Konzernen landet, vor allem bei den multinationalen. Der Kleinunternehmer fühlt sich – mit Recht – ausgebeutet wie der Arbeiter oder sogar noch mehr.

    …für seine eigene Produktivität, für den Verkauf und die Verteilung seiner selbst erzeugten Güter die Verantwortung zu übernehmen.

    Woher sollen wir das auch können?

    Nach dem Elternhaus trainiert uns bekanntermaßen – auch in westlichen Ländern wie in Frankreich und USA – wie ich glaube – die Schule diese Fähigkeiten systematisch ab. Ein bisschen besser mag es in Deutschland aussehen, wo – aus früheren Zeiten – das System der betrieblichen Berufsausbildung erhalten geblieben ist. Der Autor dieses Kommentars vermutet, dass es vor langer Zeit überall war beispielsweise in Frankreich und England auch.

    Der Mikrokredit

    Da gibt es Berichte, dass diese Sache weitgehend aufgehört hat, so zu funktionieren, wie die Begründer – Muhammad Yunus und andere – das vorgesehen hatten. Die Zinssätze sind oft recht hoch im Vergleich zu dem was die Grameen nimmt, viele Betroffene werden – etwa in Andhra Pradesh – in den Selbstmord getrieben, und allfällig wird die Funktion, die Menschen, welche unternehmerische Fähigkeiten durchaus haben, aus der Armut zu befreien, nicht erfüllt.

    Unternehmerische Fähigkeit: eben die von Jerome Eden zitierte Fähigkeit, „für den Verkauf und die Verteilung seiner selbst erzeugten Güter die Verantwortung zu übernehmen“.

    Auch bei mir ist die Fähigkeit nicht da.

    Wie man leicht sieht, ist die besagte Fähigkeit nicht etwa im Neugeborenen schon vorhanden, sondern entsteht irgendwie durch Reifung und Wachstum. Das ist wohl – wie ich glaube – bei den meisten Menschen unterblieben. Die sind darauf geeicht, einem Kapitalisten (Arbeitgeber) zu gehorchen. Mit zunehmendem Zerfall der bisherigen Ordnung gehorchen eben dann immer mehr Menschen dem HartzIV – Amt. Nach einer vielleicht schon nächstes Jahr kommenden neuen Finanzkrise könnten das dann bald 50% sein – die Langzeitarbeitslosen und die Aufstocker zusammen genommen – keine so tollen Aussichten …

    • David Says:

      Das ist die typische kapitalistische Ideologie der Eliten, die die Schuld für Armut, Unglück und Krankheit einfach den Betroffenen zuschieben, damit sie ihr System der Gewalt, Unterdrückung und Ausbeutung weiterhin rechtfertigen können.

      Schuld? Die liegt – wenigstens zum Teil – bei den Betroffenen.

      Schuld im Sinne von Verantwortung.

      Verantwortung im Sinne: die Konsequenzen für falsches Funktionieren trage ich.

      Der Alkoholiker – wie auch der Linksliberale – sieht die bei den gesellschaftlichen Verhältnissen.

      Die Anonymen Alkoholiker bezeichnen das Sich-Wälzen in Gedanken wie: „dass es mir schlecht geht, liegt an den Umständen, an der Gesellschaft“, als Trockenrausch oder Trocken-Trinken.

      Der Rückfall kommt dann bald. Habe ich schon erlebt.

      • Jean Says:

        Ich denke, es gibt zwei Richtungen damit umzugehen. Ich kann die Begrenzungen erleben und in Hilflosigkeit versinken, learned Helplessness seit Kindesbeinen an. Wer als Kind die energetische Qualität von Ohnmacht oft erlebt hat, wird leicht in diesen Zustand kommen. Oder ich sortiere geduldig in unveränderbare frustrierende Grenzen und den Raum, der mir bleibt. Wenn ich die Grenzen außer Acht lasse, komm ich in das Fahrwasser der „du-kannst -alles -wenn-du-nur -willst“Coaches. Manchmal geht wirklich nur wenig in dieser Gesellschaft. Sich das dann selbst anzulasten, verstärkt wieder Ohnmacht und Resignation. Differenziertes individuelles Hinschauen und Reklamieren der Deutungshoheit über sich selbst sehe ich als gesünder an.

  3. David Says:

    OffTopic: Islam

    Auch die islamische Gesellschaft ist, obwohl sie gewisse kapitalistische und sozialistische Züge hat, feudalistisch in diesem Sinne.

    Anmerkung: bin zwar kein Kenner des Koran, aber:

    Du sollst Cousin / Cousine heiraten oder auch:

    Du sollst Dir Deinen Ehepartner von Vater und Mutter aussuchen lassen …

    also meines Wissens steht da so etwas nicht drin – es sind die Familientraditionen dieser Länder

  4. Jean Says:

    Sie sagen:“Zum Beispiel kann man den Kapitalismus als eine Art „gesellschaftlicher Orgontherapie“ betrachten, weil er die Menschen dazu zwingt, aufzustehen und sich zu bewegen. Wer „sitzt“ kommt unter die Räder.“ — Das ist aber nur eine Richtung, um vom Pferd zu fallen. Die Zahl der Menschen, die unter Erschöpfungszuständen und Überforderung leiden ist beträchtlich. Sind das alles neurotische Muster? Die Überforderung ist doch in vielen Unternehmen auf Grund der „Mondziele“ kaum zu vermeiden. Da es viele Unternehmen gibt, die zudem den Druck von oben ungefiltert durchreichen, und Rückmeldungen zu Fehlentwicklungen unerwünscht sind, bringt der real existierende Kapitalismus viele Menschen in Bedrängnis. Die Entwicklung von Corporate Identity- Programmen zur starken Bindung ans Unternehmen schwächt die Eigenständig von Mitarbeitern weiter. Und das alles, um mehr Kapital bei 10% der Bevölkerung anzuhäufen, um dann über den Hebel Kapitalmarkt noch mehr Kapital beim gleichen Kreis zu generieren. Während für 90% ein gesundes und zufriedenstellendes Arbeiten schwer zu haben ist. Das zu den antiorgonomischen Aspekten des Kapitalismus.

  5. David Says:

    Nach einer vielleicht schon nächstes Jahr kommenden neuen Finanzkrise …

    Manche Autoren vermuten ein relativ festes Datum einer Krise, welche den Kapitalismus, wie wir ihn heute kennen, schlagartig und umfassend zerstört.

    Präsidentenwahl in Frankreich 2017. Wahl von Marine LePen.

    #FrExit. Dann Zusammenbruch der Börsen und Banken auch in USA.

    Gute Nacht …

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