[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]
Laska setzte die („vermeintliche“) Entdeckung des Orgons in den Kontext von Reichs Machtlosigkeit, und seiner Sehnsucht die Welt zu verändern. Niemand wird sich wundern, wenn ein Student der Orgonomie erstmal darauf beharrt, daß die ubiquitäre Orgonenergie eine singuläre Entdeckung ist und daß das wahrlich das Bedeutungsvollste an Reich ist. Nun wäre diese meine Aussage über das Orgon als welterschütternde Entdeckung einfach nur platt und „orgon-sektiererisch“, wenn ich sie nicht begründen würde: Alle anderen physikalischen Entdeckungen, z.B. die des Elektrons, gehen darauf zurück, daß aus dem Fluß der Erscheinungen bestimmte „Dinge“ herausgefiltert wurden. Als Reich 1934 erstmals den Strömungsempfindungen seiner Patienten gewahr wurde und damit zum ersten Mal dem Orgon direkt begegnete, war das etwas grundsätzlich Neues: die Entdeckung beruhte auf der Auflösung eines „Dinges“ (der Charakterpanzerung). Das macht die Entdeckung des Orgons gerade für den „Körpertherapeuten“ wichtig.
Wenn ich ihn richtig verstanden habe, geht Laska: „Eigner verwirklicht sich im Orgon und anderen Konzepten“. Ich halte dagegen: „Eigner entfremdet sich den menschlichen Konzepten und befreit sich anhand des Orgons, das das Gegenteil eines Konzepts und sogar das Gegenteil eines materiellen Erkenntnisobjektes ist“.
Welche Einschätzung des Orgons ist für den Therapeuten potentiell wichtiger: Laskas Haltung (die sich um die historische Person Reich dreht), die eh von allen und jedem vertreten wird, oder „meine“ Haltung, bei der es um Körperströmungen, Panzerauflösung und Wahrnehmung, Kontakt und das Orgon im Hier und Jetzt geht?
Laska hinterfragt vollkommen rational bestimmte Aussagen Reichs „im Lichte unserer Erfahrungen seit 1957“, während ich dann sage: Das ist zweifellos vernünftig, aber „Vernunft“ betrachte ich hier nicht als sonderlich fruchtbar. Daß das Orgon möglicherweise einfach nur ein künstlich zusammengelogenes Syndrom konventioneller physikalischer Beobachtungen ist, ist mir einfach zu – unfruchtbar. Viel spannender ist doch zu ergründen, was am Orgon so singulär ist im Vergleich mit den Konzepten der Schulphysik einerseits und den „anderen“ Lebensenergie-Konzepten andererseits.
Außerdem bin ich einfach doch zu sehr Physiker, um das „aufklärerische“ Wegwischen des Orgons zu akzeptieren. Ich „weiß“ ganz einfach, daß man das Orgon als künstlich zusammengelogenes Syndrom konventioneller physikalischer Beobachtungen unmöglich wegerklären kann. Ich weiß aber auch, daß es in alle Ewigkeit skeptische und „aufklärerische“ Physiker geben wird, die genau dies versuchen werden. Selbst das Plancksche Wirkungsquantum versuchen sie nach hundert Jahren immer noch mit klassischer Physik wegzuerklären.
Stirner hat nicht der subjektiven „solipsistischen“ Willkür Tür und Tor geöffnet, sondern ganz im Gegenteil sich gegen die Willkür der Menschensatzungen empört, um den Gesetzen der Natur wieder Geltung zu verschaffen, gegen die jede Empörung einfach nur eine Kinderei, also Religion ist. Aber genau das haben sich seine „Nachfolger“, Adorno & Co., zuschulden kommen lassen: kindsköpfigerweise „entlarvten“ sie auch „die Natur“ (z.B. die Genitalität) als bloße Ideologie – und öffneten so der Willkür wieder Tür und Tor. Das gipfelte dann in der gegenwärtigen „woken“ Gender-Clownerie. Getoppt wird diese merkwürdige „Dialektik der Aufklärung“ dann noch, indem plötzlich Reich und Stirner als Reaktionäre, wenn nicht Faschisten „entlarvt“ dastehen: indem diese ihre vermeintlich „naturwüchsige“ Inidividualität verwirklichen und dergestalt „gesunden“, werden sie erst recht nutzbar (arbeits- und genußfähig) bzw. Apologeten für das „irre Ganze“ – wobei Leute wie Adorno nach freiem Ermessen bestimmen, was „irre“ und was „gesund“ ist (vgl. dazu Laskas rororo Bildmonographie, S. 39).
Für mich ist die Orgonomie die „Stirnersche Naturwissenschaft“, weil die Entdeckung der Orgonenergie einen singulären Charakter hat. Das Forschungsobjekt der Orgonomie zwingt einen funktionell zu denken und zu handeln. Wenn ich das Wort „Wissenschaft“ höre, denke ich an Nietzsche, der die totale Verranntheit der Geisteswissenschaften mit „Physik“ überwinden wollte. Und ich glaube nun mal, daß das letztere näher an Reich ist, der die „psychologistische“ Verranntheit der Psychoanalyse überwinden wollte.
In diesem Zusammenhang möchte ich hier nochmals das bringen, was ich zum letzten Teil in einem Leserbrief schrieb:
…in den 1920er Jahren hat Reich sich explizit gegen Freud stellend, gegen die Laienanalyse optiert, weil die „Geisteswissenschaftler“ zu viel Ballast (Ideologie, Über-Ich) in die naturwissenschaftliche Psychologie (die Psychoanalyse) tragen würden. Diese Haltung hat er in den 1930er Jahren bei seinen bioelektrischen Experimenten und den Bion-Versuchen weiter zugespitzt und sich sogar gegen „vorgebildete“ Naturwissenschaftler vom Kaiser-Wilhelm-Institut und der Rockefeller-Foundation gewandt. Man müsse ideologisch unvorbelastet die Natur betrachten. Sein Anspruch war es naturwissenschaftlicher als die Naturwissenschaftler zu sein, denen er im Grunde „Scholastik“ vorwarf.
Laska hat geschrieben:
Der Stirnersche Eigner seiner selbst hat durch Reichs Arbeiten klare Kontur gewonnen, sowohl was seine konkrete Gestalt angeht als auch die gesellschaftlichen Bedingungen für seine Existenz. Stirners fehlende oder ratlose Gesellschaftstheorie – von Marx und Engels zwar zu Recht kritisiert, aber nicht überwunden – wurde erst hundert Jahre später möglich: durch Reichs naturwissenschaftliche Erkenntnisse über die Möglichkeit der amoralischen individuellen Selbststeuerung, die mit sozialer Selbststeuerung nicht nur nicht kollidiert, sondern sie zur Bedingung hat – und umgekehrt. (Laska: „Zur Bestimmung des Status der Reich’schen Theorie, Teil 2“ Wilhelm Reich Blätter 2/80, S. 82)
Schlagwörter: Adorno, Engels, Geisteswissenschaften, Geisteswissenschaftler, Gender, Gesellschaftstheorie, Ideologie, Inidividualität, Kaiser-Wilhelm-Institut, Körpertherapeuten, Lebensenergie, Marx, Physik, Plancksches Wirkungsquantum, Psychologie, Religion, Rockefeller-Foundation, Scholastik, Selbststeuerung, Stirner
15. Juli 2022 um 09:51 |
Dieses polyerotische Etwas ist ein Beispiel dafür, wie die Generation Z mit Reich umgehen würde, wenn sie überhaupt Interesse ran ihm hätte (Reich wird am Ende erwähnt):
15. Juli 2022 um 13:48 |
Es geht nur um die subjektiven „Strömungs[und überhaupt]empfindungen“. Nur das zählt. Es besteht null Interesse darin, das zu objektivieren, meßbar zu machen, ein wissenschaftliches Konzept daraus zu machen usw.
Wenn ich ihn richtig verstanden habe, geht Laska:
=> ?? „davon aus“?
Ich halte dagegen: „Eigner entfremdet sich den menschlichen Konzepten und befreit sich anhand des Orgons, das das Gegenteil eines Konzepts und sogar das Gegenteil eines materiellen Erkenntnisobjektes ist“.
=> Tut mir leid, das ist Geschwurbel. Ich verstehe Sie schon, aber wenn Orgon einfach etwas „Materielles“ (klar zu Fühlendes) ist und kein Konzept (was ja an sich sympathisch ist) – was passiert denn dann? Jemand, der Strömungsempfindungen oder sonst was fühlt – warum soll der das, was er fühlt, dann als „Orgon“ bezeichnen? Also ich käme nicht auf die Idee, dann zu sagen: „Oh geil, ich fühle das Orgon!“ Ich würde – wenn ich überhaupt dafür ein Wort benutzen würde, was sicher nicht der Fall ist – sagen: „Wow, geil!“ Oder ich würde mich irgendwie poetisch oder synästhetisch ausdrücken…
Welche Einschätzung des Orgons ist für den Therapeuten potentiell wichtiger: Laskas Haltung (die sich um die historische Person Reich dreht), die eh von allen und jedem vertreten wird, oder „meine“ Haltung, bei der es um Körperströmungen, Panzerauflösung und Wahrnehmung, Kontakt und das Orgon im Hier und Jetzt geht?
=> Weder noch. Beides ist präskriptiv. Laska sagt (vielleicht! – Ich will ihm nichts unterstellen!): Sei ein Eigner! Sie sagen: Fühle das Orgon! Das beste ist: Sei wahr und du selbst! Ansonsten: mach was du willst (nur du bist für dich selbst verantwortlich).
Tja, ja, Sie haben recht: Sie sind zu sehr Physiker und Wissenschaftler. Ich würde das ja auch akzeptieren und schätzen – wenn es nur irgendeinen praktischen Nutzen hätte. Den sehe ich aber nicht. Jedenfalls nicht bei der Aufhebung der Entfremdung (An-Eignung, Ver-Eignung, Selbstwerdung). Naturwissenschaftlich-technisch-medizisch kann ich es nicht wirklich beurteilen, bin aber äußerst skeptisch. Man aktiviert tausend mal mehr „Orgon“ und „stärkt sein Immunsystem“, wenn man Gefühle zuläßt als wenn man sich in einen Orgon-Akkumulator setzt, mag der nun tatsächlich eine Temperaturanstieg usw. bewirken, ja oder nein.
Mir kommt es so vor, als würden Sie eigentlich innerlich wissen („fühlen“), daß Laska recht hat mit seiner Ablehnung der Orgonomie. Aus irgendwelchen Gründen können oder wollen Sie sich nicht davon lösen.
Stirner hat nicht der subjektiven „solipsistischen“ Willkür Tür und Tor geöffnet, sondern ganz im Gegenteil sich gegen die Willkür der Menschensatzungen empört, um den Gesetzen der Natur wieder Geltung zu verschaffen.
=> Stirner hat sich nicht „gegen die Willkür der Menschensatzungen empört, um den Gesetzen der Natur wieder Geltung zu verschaffen.“ Ich verstehe diesen Satz aber nicht richtig. Soll Stirner gewollt haben, daß die Gesetzen der Natur wieder zur Geltung kommen?
Das Forschungsobjekt der Orgonomie zwingt einen funktionell zu denken und zu handeln.
=> Ich muß zugeben, daß mich der reich’sche Funktionalismus immer noch fasziniert und ich ihn immer noch benutze zur Darstellung von Sachverhalten, insbesondere Pseudo-Dichotomien.
15. Juli 2022 um 22:15 |
Laska hat sich intensiv mit Karl Kraus und der „Tiefenperson“ (vegetative Strömung) und Zondek (Die Elektrolyte) und Szent-Györgys Bioenergetics (hat nichts mit Lowen zu tun) beschäftigt. Als Ingenieur und aus der, wie Laska sich ausdrückte, „Arbeitssphäre“ stammend, hatte er nie etwas mit „Geisteswissenschaften“ am Hut. Warum dann der Bruch und die komplette Hinwendung zum LSR-Projekt, was konkret das Durchforsten „geisteswissenschaftlicher Archive“ bedeutete? Man kann es einfach nicht leisten Kraus et al. als Laie durchzuarbeiten und sich dann mit „Fachleuten“ auseinanderzusetzen, die den ganzen Wissenschaftsbetrieb hinter sich haben – und NICHTS von Kraus et al. wissen… Das ist eine Schlacht, die man nicht gewinnen kann, obwohl man recht hat – ohne eine Chance zu haben dies zu beweisen. Laska hat einen anderen Weg gesucht, das Gebäude der „Geisteswissenschaft“ zum Einsturz zu bringen, eben LSR. Und selbst da ging es fast gar nicht um LaMettrie, Stirner und Reich, sondern um die Reaktion der anderen auf sie. Laska hat dieses Vorgehen mit der Reichschen Widerstandsanalyse verglichen, – die die Strömungen, d.h. die „Tiefenperson“ freilegen soll, „um den Gesetzen der Natur wieder Geltung zu verschaffen“.
16. Juli 2022 um 12:56 |
„Außerdem bin ich einfach doch zu sehr Physiker, …“.
Wenig Biographisches ist dem gemeinen Leser bekannt ….
Ein universitäres Physikstudium hast Du aber nicht absolviert?
16. Juli 2022 um 13:22 |
Nicht beendet.
16. Juli 2022 um 13:44 |
Danke für die Info. Bei nur ein Semester.