[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]
Bernd A. Laskas LSR-Projekt (www.lsr-projekt.de) versucht dingfestzumachen, warum sowohl die Reaktionäre als auch, was noch wichtiger ist, die Progressiven drei Geistesgrößen zu „Parias des Denkens“ machten: LaMettrie, Max Stirner und Reich. Ihre Gegenspieler waren jeweils Diderot, Marx und Freud. Laska versucht, die Differentia specifica zu identifizieren. Diese drei Parias waren die einzigen, die konsequent gegen das Über-Ich (die verinnerlichten lebensfeindlichen gesellschaftlichen Normen) und für die Kinder der Zukunft eintraten. Das Antisoziale, das sowohl von der Reaktion als auch den vermeidlichen Progressiven mit moralischem Furor bekämpft wird, wird eben erst durch die „moralische Erziehung“ der Kinder hervorgerufen! Diese grundsätzliche Einigkeit von „L und S und R“, ist viel bedeutsamer als ihre Unterschiede. Das gleiche gilt für die Unterschiede etwa zwischen Marx und Freud. Das bedeutet auch, daß keiner der genannten den folgenden direkt beeinflußt haben, mal abgesehen von Reichs Lektüre von Stirners Der Einzige und sein Eigentum.
Reich „gehörte einfach nicht dazu“, weder zu den Psychoanalytikern noch zu den Marxisten, und der „Freudo-Marxismus“ verkörpert das genaue Gegenteil von Reichs Kernbotschaft. (Man betrachte nur den heutigen Triumphzug des „Kulturbolschewismus“!) Und tatsächlich wurde er nicht nur als Psychoanalytiker von Freud selbst abgelehnt, sondern auch als Marxist von allen Fraktionen des Marxismus: den Kommunisten, den Sozialdemokraten (siehe Bernfelds „Gegenartikel“: „Reich ist kein Marxist!“) und den Marxistischen Talmudisten, beispielsweise Erich Fromm: „Reich ist kein Marxist!“
Und was ist mit dem Orgon. Gibt es da nicht jede Menge naturphilosophische Vorgänger? Nun, die Entdeckung des Orgons ist etwas grundsätzlich anderes als die zahllosen Spekulationen über einen „Urgrund“ und ähnlichem! Viel wichtiger sind zwei andere Vordenker Reichs, die mit ihrer grundsätzlichen Herangehensweise die Entdeckung des Orgons vorbereiteten:
Reich waren seine beiden Vorstreiter LaMettrie und Stirner durch F.A. Langes Geschichte des Materialismus ein Begriff. Was lernte Reich von dem Neu-Kantianer Lange? Langes Buch ist eine Kritik des Materialismus, insbesondere von dessen mechanistischer Betrachtungsweise des biologischen und „geistigen“ Lebens. Lange kritisierte den atomistischen Ansatz: mit Teilchen im leeren Raum kann man Leben und insbesondere das „innere Erleben“ (Seele, Bewußtsein) nicht erklären. Es muß „etwas“ geben, das die Leere zwischen den Atomen aufhebt, ein Kontinuum herstellt. Wir können beispielsweise Legosteine so lange und kompliziert zusammenfügen, wie wir wollen, es wird nie ein lebendes, gar sich seiner selbst bewußtes Wesen dabei herauskommen.
Genau diesem „Bindeglied“ jenseits aller Mechanik ist Henri Bergson nachgegangen, der Reichs Denken entscheidend beeinflußt hat.
Reichs funktioneller Denkansatz wurde durch den „Dialektischen Materialismus“ vorbereitet. Dieser geht auf Hegels „idealistische Dialektik“ zurück. Hegel kannte auf eine sehr abstrakte Weise die gleichzeitige funktionelle Gegensätzlichkeit und Einheit. Im ersten Teil seiner Wissenschaft der Logik schrieb er: Der Anfang ist nicht reines Nichts, sondern ein Nichts, aus dem etwas hervorgehen soll. Das Sein ist also auch im Anfang. Der Anfang umfaßt sowohl Sein als auch Nichts: er ist die Einheit von Sein und Nichts. Die Gegensätze, Sein und Nichts, sind also am Anfang in unmittelbarer, undifferenzierter Einheit. Die Analyse des Anfangs macht also den Begriff der Einheit von Sein und Nicht-Sein, oder in reflektierter Form die Einheit des Verschiedenen und des Nicht-Unterschiedenen, oder die Identität von Identität und Nicht-Identität.
Hier Hegel im Wortlaut:
Der Anfang ist nicht das reine Nichts, sondern ein Nichts, von dem etwas ausgehen soll; das Sein ist also auch schon im Anfang enthalten. Der Anfang enthält also beides, Sein und Nichts; ist die Einheit von Sein und Nichts; – oder ist Nichtsein, das zugleich Sein, und Sein, das zugleich Nichtsein ist.
Ferner Sein und Nichts sind im Anfang als unterschieden vorhanden; denn er weist auf etwas Anderes hin; – er ist ein Nichtsein, das auf das Sein als auf ein Anderes bezogen ist; das Anfangende ist noch nicht; es geht erst dem Sein zu. Der Anfang enthält also das Sein als ein solches, das sich von dem Nichtsein entfernt oder es aufhebt, als ein ihm Entgegengesetztes.
Ferner aber ist das, was anfängt, schon, ebensosehr aber ist es auch noch nicht. Die Entgegengesetzten, Sein und Nichtsein sind also in ihm in unmittelbarer Vereinigung; oder er ist ihre ununterschiedene Einheit.
Die Analyse des Anfangs gäbe somit den Begriff der Einheit des Seins und des Nichtseins, – oder in reflektierter Form, der Einheit des Unterschieden- und des Nichtunterschiedenseins, – oder der Identität der Identität und Nichtidentität. Dieser Begriff könnte als die erste, reinste d.i. abstrakteste, Definition des Absoluten angesehen werden (…). (Wissenschaft der Logik, Zweite Auflage 1841, S. 63f, Werke in zwanzig Bänden, Bd. 5, Frankfurt: Suhrkamp 1969, S. 73f)
Der Kreis schließt sich, denn wir sind hier bei Stirners „Einzigem“, der seine Sache auf nichts, das Nichts (im Sinne Hegels) gestellt hat.
Schlagwörter: : LaMettrie, Bewußtsein, Der Einzige und sein Eigentum, Dialektik, Diderot, Erich Fromm, F.A. Lange, Freud, Freudo-Marxismus, Hegel, Henri Bergson, Kommunisten, Kulturbolschewismus, Leben, Marx, Marxismus, Marxisten, Materialismus, Max Stirner, Parias des Denkens, Progressive, Reaktionäre, Seele, Siegfried Bernfeld, Sozialdemokraten, Wissenschaft der Logik
7. Februar 2023 um 14:26 |
American College of Orgonomy
Available Now
Journal of Orgonomy
Volume 55 no. 1
Dear Reader,
Many of the case studies in this issue of the Journal involve the treatment of the young, especially adolescents. In these, we are confronted with the unique vulnerabilities of the growing organism and the ease with which its healthy impulses can be derailed. The suffering of the young is particularly troubling; their restoration to health, profoundly moving. As illustrated by these case studies, and other articles in this Journal issue, medical orgone therapy and a knowledge of its principles can protect Life at any age from the effects of armored thinking, contactlessness, and the emotional plague.
In this issue, Alberto Foglia, M.D. chronicles the treatment of Laura, a five-month-old suffering from severe agitation and insomnia. During Laura’s initial visits Dr. Foglia recognized the infant’s deep mistrust, enabling him to uncover the early trauma that gave rise to it and address its underlying cause. The case underscores the unique efficacy of medical orgone therapy: although Laura was too young to speak words, the essential nature of the therapeutic relationship remains intact.
A case from Dee Apple, Ph.D. describes the treatment of a challenging adolescent boy. Central to the case is Dr. Apple’s flexibility and patience as he earns and maintains the boy’s trust. The case illustrates the nature of the therapeutic relationship as Dr. Apple remained calmly focused on the boy’s needs, rather than distracted by the parents’ anxiety about the pace of treatment.
Susan Marcel, D.O. discusses the treatment of an adolescent girl who suffered a psychotic breakdown that required temporary hospitalization and medication. The case highlights the depth of contact between Dr. Marcel and the patient. When the pandemic necessitated a shift to online treatment, Dr. Marcel was able to continue building trust and emotional contact with the girl, allowing her to work through her fear and mistrust.
Jackie Bosworth, M.D. recalls a brief interaction with 14-year-old Stevie, an emotionally disturbed and developmentally disabled patient at a residential treatment facility. Although Stevie was not her patient, Dr. Bosworth was summoned on an emergency basis when the young man became violent. By gently acknowledging the boy’s anger, fear, and suffering, Dr. Bosworth provided emotional relief, rather than simply quelling the boy’s outburst.
The case of a newly-married woman who became depressed and disconnected is presented by Theodata Chasapi, M.D. By making the patient physically aware of her suppressed emotions, Dr. Chasapi restored the woman’s clarity and healthy functioning with a single session.
Chris Burritt, D.O. demonstrates how improved emotional health for one member of a family benefits the family as a whole. When a husband is encouraged to be more supportive of his wife’s parenting efforts, it allowed her to address deeper emotions during therapy, rather than focusing on the more superficial conflict with her husband.
In her series “The Emotional Plague in Everyday Life,” Virginia L. Whitener, Ph.D. explores how the emotional plague manifests and spreads. Comparing the behavior of the emotional plague with that of other highly contagious and destructive pathogens, Dr. Whitener provides insight into the nature of the emotional plague and practical solutions to protect healthy Life.
A short article from Philip Heller, M.D. demonstrates how the emotional plague can be thwarted when an individual is made aware, in a straightforward way, of their own plague reactions.
Alexis Packer, Esq. chronicles the increasing disrespect for authority in America—a manifestation of the emotional plague—and considers its destructive consequences.
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This announcement was created by The American College of Orgonomy (ACO), located near Princeton, New Jersey. The ACO is a nonprofit education and scientific organization devoted to setting and maintaining standards for work in the field of orgonomy. The ACO provides information, training, and research support for those interested and involved in orgonomy. This press release is meant to inform those who may have an interest in the science of orgonomy and the activities of the ACO. The ACO is not affiliated with any website, newsgroup, bulletin board, network, service, or other media that may be reproducing this release. The ACO does not endorse any information, data, text, software, music, sound, photographs, graphics, video, messages, or other materials transmitted, posted, published, distributed, or otherwise disseminated on any media other than the ACO’s website at http://www.orgonomy.org. Please contact aco@orgonomy.org for information on the ACO as well as to verify the original text of this announcement.
7. Februar 2023 um 23:06 |
Ein neues Buch über Reich ist in Norwegen erschienen:
Håvard Friis Nilsen – Du må ikke sove. Wilhelm Reich og psykoanalysen i Norge
„Du darfst nicht schlafen. Wilhelm Reich und die Psychoanalyse in Norwegen“
Hier eine Beschreibung, die ich aus der norwegischen Presse geklaut habe:
Wilhelm Reich ist eine mythische Figur. Dies gilt sowohl für die kurze, aber konfliktreiche Geschichte der Psychoanalyse als auch für die norwegische Kulturgeschichte. Er lebte nur kurze fünf Jahre in Norwegen, schaffte es aber, sowohl Sigurd Hoel als auch Arnulf Øverland zu psychoanalysieren, eine Therapie, die Reich oft physisch durchführte. Als Reichs Patient schrieb Øverland in einer inspirierten Nacht das Gedicht „Du darfst nicht schlafen“, einen Aufruf zum Handeln gegen Terror und Verfolgung. Der Titel des Buches von Håvard Friis Nilsen geht auf dieses Gedicht zurück.
„Du darfst nicht schlafen. Wilhelm Reich und die Psychoanalyse in Norwegen“
Mit seinen 573 Seiten und beeindruckenden Quellen und Anmerkungen ist dies ein wichtiges Buch über eine unterbelichtete Zwischenkriegsgeschichte: Der Aufstieg der Psychoanalyse in Norwegen und ihre Auswirkungen auf die kleine, aber einflußreiche radikale norwegische Kulturgemeinschaft.
Sein Bestreben, die individualorientierte Psychoanalyse mit der marxistischen Gesellschaftsanalyse zu verbinden, machte ihn zu einem Außenseiter unter den Freudianern. Aber das war noch nicht alles. Als Wissenschaftler glaubte Reich zu beobachten, dass aus toter Materie Leben entstehen kann. Er erhielt keine Unterstützung von der Universität Oslo.
Friis Nilsen dramatisiert diese Geschichte nicht unnötig. Er scheint den farbenfrohen Katalysator absichtlich herunterzuspielen, um Platz für die anderen Themen des Buches zu schaffen: Das Entstehen einer psychoanalytischen Gemeinschaft in Norwegen und ihr Einfluß auf die kulturelle Elite.
Sigurd Hoel war eine zentrale Figur als Autor, Redakteur und Berater bei Gyldendal. Er wurde von Reich analysiert. So auch seine damalige Frau, die später als Nic Waal bekannt wurde. Friis Nilsen zögert nicht, Material aus dem Fall Hoel oder aus seinem Briefwechsel mit Nic Waal zu verwenden. Der Autor von „Sünder in der Sommersonne“ kämpfte mit Impotenz. Man sagt, daß in hundert Jahren alles vergessen sein wird, aber das gilt nicht, wenn man zu einem Fallbeispiel geworden ist. In dem Buch geht es sowohl um Aksel Sandemoses Umgang mit Tieren in seiner Jugend als auch um die Homosexualität von Reichs Gegner Johan Scharffenberg.
Friis Nilsen interpretiert Reich wohlwollend. Die Einwände werden eher kritisch behandelt. Wenn der Krebsforscher Kreyberg einen Film von Reich einen „Propagandafilm“ nennt, sagt das für Friis Nilsen etwas über die „Chemie zwischen den beiden“ aus. Das kann auch etwas über den Film aussagen. Wenn Professor Schjelderup, ein früher Befürworter, mit einer sachlichen Kritik an Reichs späteren Theorien zitiert wird, folgt im nächsten Satz die Verbitterung Schjelderups über Reichs erfolglose Therapie seiner Frau. Die Zweifel und die Zeit kommen Reich zugute, nicht seinen Kritikern.
Reich wurde aus der Psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen, er wurde aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen, er mußte aus Deutschland fliehen und landete schließlich in Norwegen, das er kurz vor Kriegsausbruch wieder in Richtung USA verließ. Die Tatsache, daß starke Kräfte in Norwegen, wie die Arbeiterpartei und Martin Tranmæl vom Arbeiderblad, ihn aus dem Land haben wollten, wurde zu einer Art rettender Verfolgung: Als Jude, Psychoanalytiker und Kommunist hätte er die deutsche Besatzung nicht überlebt.
Der Stoff und die Geschichte sind so interessant, daß man sich leicht vorstellen kann, daß es sich um zwei Bücher handelt: Eine Biographie von Reich und eine über Psychoanalyse, Kultur und Gesellschaft in Norwegen. Es ist schade, daß Friis Nilsen von der Chronologie von Reichs Geschichte abweicht: Seine zutiefst traumatische Kindheitserfahrung wird bis zum Ende des Buches aufgespart. So lautet eine interessante Fallbeschreibung von Reich durch den Analytiker Otto Fenichel. Wären diese chronologisch angeordnet gewesen, hätten sie die Lektüre bereichert.
Das Buch von Friis Nilsen ist keine akademische Geschichte der Psychoanalyse. Es ist die Kulturgeschichte einer Umgebung. Sie beleuchtet einen wichtigen Teil der modernen norwegischen Kultur und Entwicklungsgeschichte. Unsere heutige Einstellung zu Sexualität und Freiheit ist ein Erbe von Reich. Reichs beeindruckende Fähigkeit, sich mit Menschen anzulegen, und seine spätere Entwicklung zeigen uns auch, wie komplex ein Mensch sein kann.
10. Februar 2023 um 21:59 |