Des Autors Beschreibung des ORANUR-Experiments ist die mit Abstand beste, die ich je gelesen habe. Daß Reich schon vorher auf den ORANUR-Effekt gestoßen war, als er feststellte, daß das Radium in den Leuchtziffern seiner Armbanduhr dank der starke Orgon-Strahlung, der sie über Jahre ausgesetzt war, über 10mal stärker strahlte als eine fabrikneue Uhr (S. 52), hatte ich bisher immer überlesen oder ich habe es vergessen. Leider (oder zum Glück?) ignorierte Reich diesen Warnhinweis.
Einschränkend muß ich sagen, daß der Autor das ganze aus Freudianischer Sicht sieht, d.h. Reichs Verhalten im Sinne von „Fehlverhalten“ (etwa das erwähnte Ignorieren der Armbanduhr) und sogar der „Allmacht des Gedankens“. Es war dieses Restgefühl der eigenen Allmacht, das ORANUR in Reich störte, und seine Malerei stellte, so der Autor, sozusagen eine Wiederherstellung dieses Machtgefühls dar (S. 58). Im Anschluß schafft es der Autor wieder C.G. Jungs „Mandalas“ einzubringen und mit den „Fliegenden Untertassen“ zu verknüpfen, da Reich als Ergebnis des ORANUR-Experiments zu malen angefangen hat…
Ganz generell habe ich zwei Probleme mit diesem dichten und interessanten, gut und fast fehlerfrei geschriebenen Buch:
1. die Mythologisierung bzw. „Archetypisierung“ Reichs, ähnlich wie Nietzsche mythologisiert und dergestalt jeder ernsthaften Auseinandersetzung mit ihm beraubt wurde;
2. Reich wird eingemeindet in den westlichen Kulturkanon neben Freud, Jung und andere.
Eine Dämonisierung („sexbesessen“) und Verächtlichmachung („geisteskrank“) entsprach weit mehr Reichs wirklicher Bedeutung, denn in Bezug auf diese Zivilisation war er tatsächlich „der Widersacher“ und der „Ver-Rückte“. Die ständigen Verweise auf Freud, Jung, Ferenczi und andere, vor allem aber auf Literatur und Kinematographie, zeigen, wo die Reich-Rezeption mit diesem Buch angekommen ist: während Freud die Psychoanalyse in der Psychologie und „der Kultur“ verankern wollte, war es bei Reich ganz im Gegenteil in der Medizin und „im Labor“. Dieses Fortschritts wird Reich auf geradezu subversive Weise beraubt!
Alles endet im üblichen folgenlosen psychologistischen Kultur-Blablabla, dem Reich ausdrücklich ein Ende setzen wollte. Beispielsweise stellte, wie Bernd A. Laska dargelegt hat, Ferenczi1908 auf dem ersten psychoanalytischen Kongreß fest, daß die Introjektion von „unappellierbaren Prinzipien“, also der Identifikation mit den strafenden Eltern, zu einer inneren irrationalen Verhaltenssteuerung führe, d.h. zu dem, was Freud später als „Über-Ich“ bezeichnen sollte. Es ist typisch für Vertreter der „Kultur“, wie unser Autor einer ist, stattdessen mit dem Jahr 1909 anzufangen, als Ferenczi, auf Druck Freuds hin, solche revolutionären Gedanken bereits verdrängt hatte und sich allgemein über „Introjektion und Übertragung“ ergeht, insbesondere geht es um die „Übertragungszwang“ mit seinem Hunger nach Objekten und der Identifikation mit ihnen. Daraus macht der Autor dieses Buches auf S. 90-94 ein Psychoanalysieren über Reichs Identifikation mit der cineastischen UFO-Folklore der 1950er Jahre. „Die Fähigkeit zur Introjektion war bei Reich gut ausgeprägt, wie wir sehen werden“ (S. 92). Typisches Anti-LSR – der ultimative Verrat an Reich!
Wie naiv und abgestumpft muß man sein, wenn man ausführt: „Ein anderer Analytiker [d.h. C.G. Jung], der zum UFO-Forscher wurde, hätte es so erklärt: ‚Das Wort „Projektion“ paßt eigentlich schlecht, denn es ist nichts aus der Seele hinausgeworfen worden, sondern vielmehr ist die Psyche durch eine Reihe von Introjektionsakten zu der Komplexität geworden, als die wir sie heute kennen‘“ (S. 99). Das beschreibt den Panzerungsprozeß – der von dem unseligen Jung als „Heilung“ hingestellt wird!
Und was „fehlerfrei“ betrifft: auf S. 86 reiht sich Unsinn an Unsinn, die dritte orgonomische Konferenz, die im August 1955 stattfand und auf der Reich seine letzte Ehefrau Aurora Karrer kennenlernte, handelte natürlich nicht vom Cloudbuster und der Space Gun, wie der Autor im Rausch seiner Assoziationskette behauptet, sondern es ging um den Medical DOR Buster. Und Reich nannte sich in Washington, D.C. nicht „Walter Roner“, weil das angeblich wie das rückwärts gelesene „ORANUR“ klingt und der Vorname „jemand, der Macht ausübt“ bedeutet (sic!), sondern weil er dieses Pseudonym bereits zu seiner Sexpol-Zeit benutzt hatte. – Das sind zwei Beispiele dafür, wie der, wenn man so will, „mythologisierende Blick“ des Autors seine Kontaktfähigkeit untergräbt, als hätten wir es bei diesem mit einem Wiedergänger C.G. Jungs zu tun.
Das ganze ist ein schönes Beispiel für das, was Karl Kraus, mit dem Spruch brandmarkte, daß die Psychoanalyse die Geisteskrankheit sei, für deren Therapie sie sich hält: das Ausweichen vor dem Wesentlichen, dem Reich mit der Orgasmustheorie, der Charakteranalyse, der Massenpsychologie, der politischen Psychologie und nicht zuletzt seiner sexualökonomischen Lebensforschung einen Riegel vorschieben wollte. Sein Namensvetter James Reich schiebt den Riegel wieder zurück.















