Wir alle kennen die Weisheit, daß, wer sich selbst nicht liebt, auch keinen anderen lieben kann. Oder daß man einen anderen nur verstehen kann, wenn man sich in ihn hineinversetzt und dergestalt das fühlt, was er fühlt. Umgekehrt findet nur der zu sich selbst, der in einem persönlichen Austausch mit anderen Menschen steht. Kontakt mit der Umwelt ist funktionell identisch mit dem Kontakt zu sich selbst. Landschaftsbilder, sind immer auch „Seelenbilder“.
Drei Forscher von der Columbia Business School und der University of Pittsburgh haben in einer Reihe von acht Studien die Voraussagen von Probanden mit deren Vertrauen in die eigenen Gefühle korreliert. Dabei ging es zum Beispiel um die Nominierung des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten 2008, den kommerziellen Erfolg von Filmen, den Gewinner von American Idol, das Verhalten des Dow Jones Index, die Gewinner eines Football-Spiels und sogar das Wetter. In allen Fällen zeigte sich, daß jene Versuchspersonen, die ihren Gefühlen mehr trauten auch signifikant bessere Voraussagen über die Zukunft fällten.
Die Forscher nannten dieses bemerkenswerte Phänomen Emotional Oracle Effect und erklärten es mit dem Konzept des Privileged Window. Michel Pham, einer der drei Forscher, beschreibt diese Hypothese wie folgt:
Wenn wir uns auf unsere Gefühle verlassen, summiert das, was als „richtig“ bzw. „falsch“ empfunden wird, all das Wissen und die Information, die wir bewußt und unbewußt über die Welt um uns herum zusammengetragen haben. Das sich anhäufende Wissen, das unsere Gefühle für uns zusammenfassen, erlaubt es uns, bessere Vorhersagen zu treffen. Gewissermaßen verleihen unsere Gefühle uns Zugang zu einem privilegierten Fenster für Wissen und Information – ein Fenster, zu dem uns eine analytischere Form des Denkens den Zugang verwehrt.
Entsprechend müsse der Proband ein gewisses Maß an relevantem Vorwissen besitzen, um die Zukunft richtig voraussagen zu können. Beispielsweise waren die Versuchspersonen, die ihren Gefühlen vertrauten, bei der Voraussage des Wetters nur dann besser, wenn es sich um das Wetter ihres Landkreises handelte, nicht etwa um das Wetter von Peking oder Melbourne. Ähnliches galt auch für die Voraussage des Ergebnisses von Football-Spielen. Nur innerhalb einer Gruppe von Probanden, die sich in der Liga auskannten, gab es signifikante Unterschiede in der Fähigkeit, die Ergebnisse vorauszusagen.
Daran sieht man, daß es sich beim Emotional Oracle Effect um kein „paranormals“ (mystisches) Phänomen handelt. Gleichzeitig ist die Privileged Window-Erklärung jedoch mechanistisch, denn ihr zufolge sind Gefühle kaum mehr als Signale, die diverse Informationen plastisch zusammenfassen.
Verkannt wird, daß wir es hier nicht nur mit „Informationsverarbeitung“ zu tun haben, sondern mit Kontakt und der ist nur möglich, wenn zur Wahrnehmung die energetische Erregung hinzutritt.
Der Unterschied zwischen den guten und schlechten Probanden in Sachen Vorhersage liegt ja nicht in einem unterschiedlichen Informationsstand („Wahrnehmung“) begründet, sondern in einem unterschiedlichen „Erregungszustand“. Die „schlechten“, verkopften Versuchspersonen sind sozusagen „gefühlskalt“. Mangels energetischer Erregung spüren sie sich selbst nicht und darum auch nicht die Umwelt. Stimmt diese Hypothese, müßte eine Untersuchung ergeben, daß die guten Probanden biophysisch lebendiger sind als die schlechten.
Elsworth F. Baker beschreibt, wie sich der Grad des Kontakts in einer Orgontherapie beurteilen läßt. Man fordere den Patienten auf, den Therapeuten zu beschreiben. „Tut er es mechanisch, als wäre der Therapeut nur ein Gegenstand, oder sieht er ihn als lebendigen, fühlenden Menschen?“ (Der Mensch in der Falle, S. 118). Es liegt auf der Hand, daß man das zukünftige Verhalten des Gegenübers nur einschätzen kann, wenn man ihn richtig, d.h. „kontaktvoll“ einschätzt. Ähnliches läßt sich nicht nur über unsere Mitmenschen, sondern über unsere gesamte Umgebung sagen. Wenn man keinen Kontakt hat, weil man emotional unlebendig ist oder objektiv kein Verhältnis zum Gegenstand hat (etwa, weil man sich nicht mit Football beschäftigt und objektiv nichts über die Wetterdynamik in Melbourne weiß), kann man auch keine vernünftigen Vorhersagen treffen.
Wer seinen Gefühlen vertraut, ist in einem besseren energetischen Kontakt mit sich selbst und deshalb auch mit seiner Umwelt. Er lebt entsprechend funktionell, d.h. kann Vorhersagen treffen, die sein Überleben wahrscheinlicher machen. Das galt früher für Jäger und Sammler und gilt heute für Geschäftsleute. Es ist nur natürlich, daß die hier diskutierte Untersuchung von Wirtschaftswissenschaftlern durchgeführt wurde.