von Bernd Laska
Die Kontaktaufnahme mit Einstein als weltberühmter Autorität ist unbedingt auf dem Hintergrund obiger Überlegungen zu sehen. Es spielt natürlich auch eine Rolle, daß Reich kein Physiker war, und die Fülle seiner Entdeckungen ihm allein über den Kopf gewachsen war. Im wesentlichen war es aber ein erneuter Versuch, sein „Einzelkämpferdasein“ zu durchbrechen.
Was in /2/ über die „Einsteins-Affäre“ gesagt ist, will ich hier nicht im einzelnen wiederholen, sondern mehr auf die sachlichen Einzelheiten, wie sie aus /1/ hervorgehen zu sprechen kommen.
Reichs Treffen mit Einstein fand am 13.1.1941 statt und dauerte fünf Stunden. Einstein war sehr beeindruckt und bezeichnete das Phänomen der Temperaturdifferenz zwischen Akku und umgebener Luft als „Bombe“ für die Physik, wenn es einwandfrei gesichert werden könnte. Er führte selbst Messungen durch und kam zu ähnlichen Ergebnissen wie Reich. In seinem Brief vom 7.2.1941 /1/ stellte er jedoch fest: „…einer meiner Assistenten machte mich nun darauf aufmerksam, daß in Räumen…stets die Bodentemperatur niedriger ist als die Temperatur an der Decke. Wenn nun eine horizontale feste Platte (die Tischplatte, auf der der Akku beim Experiment stand, B.L.) vorhanden ist, so kommuniziert die Unterseite der Platte durch Konvektion mehr mit dem Boden, die Oberseite mehr mit der Decke…Dieser Umstand hat sich schließlich als der maßgebende herausgestellt…Durch diese Experimente halte ich die Sache für völlig aufgeklart.“
Obwohl Reich das Problem der Konvektion schon von seinen früheren Versuchen her kannte und diesen Einfluß bereits eliminiert hatte, führte er eine Reihe unterschiedlicher Experimente durch, bevor er Einstein am 20.2.1941 einen langen Antwortbrief schrieb. Der erste Teil des Briefes besteht aus einer Beschreibung der Versuche sowie Angabe der Meßergebnisse und einer zusammenfassenden Abhandlung. Reich hatte folgende Experimente durchgeführt:
1. im Raum
1.1 Anordnung des Raumthermometers ebenfalls über der Tischplatte (bei Einstein hing es neben der Tischplatte frei im Raum).
1.2 Anbringung einer zweiten Holzplatte ca. 1m über der Tischplatte, auf der der Akku stand, zur Unterbrechung der Konvektionswirkung von der Decke.
1.3 Ersatz der Holztischplatte durch eine Metallplatte (besserer Wärmeleiter).
1.4 Akku frei im Raum hangend ohne Tisch.
In allen Fällen ergab sich die Temperaturdifferenz zwischen dem Akkuinnern und der umgebenden Luft.
2. im Freien
Hier ergab sich eine noch stärkere Temperaturdifferenz, weil die Einflüsse von Wanden, Tischen usw. entfielen.
Der zweite Teil des Briefes bestand aus einer ausführlichen Beschreibung des biophysikalischen Kontextes zum Temperaturphänomen, um dem Eindruck entgegenzuwirken, dieses stünde isoliert und mehr zufällig zur Debatte.
Auf diesen sehr sachlichen Brief Reichs antwortete Einstein nicht mehr. Anfangs glaubte Reich, Einstein würde noch weitere Kontrollexperimente machen, um ganz sicher zu gehen. Am 23.9.41 berichtete Reich in einem Brief an Einstein ergänzend von Messungen, die er im Sommer bezüglich der Entladungsgeschwindigkeit des Elektroskops in Abhängigkeit von Wetteränderungen durchgeführt habe. Am Schluß deutete er dezent an, daß er auf eine Nachricht Einsteins wegen der Temperaturdifferenz warte. Immerhin war er bereits seit mehr als einem halben Jahr ohne Antwort. Aber Einstein reagierte nicht mehr.
Es ergab sich nur noch ein Schriftwechsel der Sekretärinnen der beiden über die Abwicklung der Rückgabe von Orgongeräten, die noch bei Einstein waren. Erst im Februar 1944 schrieb der Herausgeber von Reichs International Journal of Sex-Economy and Orgone Research, Dr. Wolfe, an Einstein, daß aufgrund von Gerüchten, Einstein könne die experimentellen Ergebnisse nicht bestätigen, er es für nötig halte, den Vorgang zu publizieren. Daraufhin drohte Einstein rechtliche Schritte für den Fall an, daß sein Name in irgendeinen Zusammenhang mit der Orgonsache gebracht werde. Er wolle seinen Namen nicht für Reklamezwecke verwendet sehen, besonders nicht für eine Sache, die er nicht gutheißen könne. Auf diese beleidigende Unterstellung schrieb Reich, auch im Namen aller seiner Mitarbeiter, einen Protestbrief an Einstein. Daraufhin antwortete Einstein noch einmal kurz. Erst jetzt schrieb er, daß er vor drei Jahren auf mehrere Briefe von Reich nicht reagiert habe, weil er sich, so gut er konnte, ein Urteil gebildet hatte und keine Zeit mehr für die Angelegenheit verwenden wollte. Er bat Reich noch, alle seine mündlichen und schriftlichen Äußerungen von ihm diskret zu behandeln, was umgekehrt er auch immer getan habe. Damit endete die „Einstein-Äffäre“ /1/!
Literatur:
/1/ The Einstein Affair, Rangeley USA 1953
/2/ Ilse Ollendorff-Reich, Wilhelm Reich, München 1975
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Aus: Wilhelm Reich Blätter 2/76N.