Für den in zwei Hälften gespaltene Menschen, dessen eine Hälfte die unerreichte und zu erfüllende ist, der die andere, die unwahre Hälfte, zum Opfer gebracht werden muß (Der Einzige, S. 368), – sind bloße Ideen wie etwa „Freiheit“ oder „Menschlichkeit“ das Wichtigste. Diese innerlich Entzweiten sind in „Naturtrieb“ und „Gewissen“ oder, wie Stirner es nennt, „innerer Pöbel und innere Polizei“ zerrissen (Der Einzige, S. 97). Ein Kasperletheater in unserer Brust. Man schaue sich die Kasper bei einer beliebigen „antifaschistischen“ Demo an! NUR NICHT AUF DER FALSCHEN SEITE STEHEN!
Stirner wollte diesem Welttheater ein Ende machen, in dem wir nur schizoide Schauspieler sind, „dualistische Wesen“, zwei Personen in einer: eine ewige, die den großen Ideen folgt, und einen weltlichen „Egoisten“ (Der Einzige, S. 87). Zusammen macht das den Schmierenkomödianten aus, der einerseits fremde „objektive“ Texte spricht, und dabei andererseits zu einer bloßen Schimäre, zu einem „reinen“ Subjekt wird, das kurioserweise „auf der Suche nach sich selbst“ ist. „Wir selbst, aber von Uns getrennt und über Uns erhaben“ (Der Einzige, S. 159). Gegen diese Zweiheit setzt er den „Einzigen“ (Der Einzige, S. 167). Dieser Leibhaftige ist wie ein Tier, das einfach nur seinen jeweiligen Instinkten, d.h. sich folgt (Der Einzige, S. 400).
Kommt es darauf an, sich zu verständigen und mitzuteilen, so kann Ich allerdings nur von den menschlichen Mitteln Gebrauch machen, die Mir, weil Ich zugleich Mensch bin, zu Gebote stehen. Und wirklich habe Ich nur als Mensch Gedanken, als Ich bin Ich zugleich gedankenlos. Wer einen Gedanken nicht los werden kann, der ist soweit nur Mensch, ist ein Knecht der Sprache, dieser Menschensatzung, dieses Schatzes von menschlichen Gedanken. Die Sprache oder „das Wort“ tyrannisiert Uns am ärgsten, weil sie ein ganzes Heer von fixen Ideen gegen uns aufführt. Beobachte Dich einmal jetzt eben bei deinem Nachdenken, und Du wirst finden, wie Du nur dadurch weiter kommst, daß Du jeden Augenblick gedanken- und sprachlos wirst. Du bist nicht etwa bloß im Schlafe, sondern selbst im tiefsten Nachdenken gedanken- und sprachlos, ja dann gerade am meisten. Und nur durch diese Gedankenlosigkeit, diese verkannte „Gedankenfreiheit“ oder Freiheit vom Gedanken bist Du dein eigen. Erst von ihr aus gelangst Du dazu, die Sprache als dein Eigentum zu verbrauchen. (Der Einzige, S. 388f).
Zum Denken und Sprechen brauche Ich die Wahrheiten und Worte, wie zum Essen die Speisen; ohne sie kann Ich nicht denken noch sprechen. Die Wahrheiten sind der Menschen Gedanken, in Worten niedergelegt und deshalb ebenso vorhanden, wie andere Dinge, obgleich nur für den Geist oder das Denken vorhanden. Sie sind Menschensatzungen und menschliche Geschöpfe, und wenn man sie auch für göttliche Offenbarungen ausgibt, so bleibt ihnen doch die Eigenschaft der Fremdheit für Mich, ja als meine eigenen Geschöpfe sind sie nach dem Schöpfungsakte Mir bereits entfremdet. (Der Einzige, S. 391)
Stirners Buch beginnt und endet mit dem Satz: „Ich hab‘ Mein Sach‘ auf Nichts gestellt“ (Der Einzige, S. 3). Er bedeutet, daß alle meine Gedanken, Vorstellungen, Bewußtseinsinhalte nichts weiter als meine Geschöpfe sind, die ich in mich, ihren Schöpfer zurückholen kann. „Macht – das bin Ich selbst, Ich bin der Mächtige und Eigner der Macht“ (Der Einzige, S. 230). Doch aus Sicht des Denkens bin ich nichts, weil ich eben kein Gedanke, sondern die „schaffende Gedankenlosigkeit“ bin (Der Einzige, S. 379f). Oder, da alle Gedanken nichtig sind, bin Ich das Nichts (Der Einzige, S. 398).
Stirners Rede vom „Nichts“, auf das er seine Sache stellt, kann man noch am ehesten von der „negativen Theologie“ her verstehen: „Man sagt von Gott: ‚Namen nennen Dich nicht‘. Das gilt von Mir: kein Begriff drückt Mich aus, nichts, was man als mein Wesen angibt, erschöpft Mich; es sind nur Namen“ (Der Einzige, S. 412). Eine „positive“, d.h. festlegende Aussage ist unmöglich. Das hat nichts mit steriler „Leere“ und alles mit schöpferischer „Fülle“ zu tun.
















