Posts Tagged ‘The Omega Man’

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 62)

1. Mai 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Der amerikanische Philosoph Eric Hoffer, den ich hier nach Charles Konias Clueless (S. 246) zitiere, schreibt etwas über die junge Generation, das man so auch auf das innige Verhältnis von Konservatismus und Stirners Anthropologie anwenden kann:

Menschen, die [wie es „woke“ Linke tun] ihr Leben als unheilbar verdorben betrachten, können in der Selbstverwirklichung kein lohnendes Ziel finden. Die Aussicht auf eine individuelle Karriere kann sie nicht zu einer gewaltigen Anstrengung bewegen, noch kann sie in ihnen Glauben und hingebungsvolle Zielstrebigkeit hervorrufen. Sie betrachten das Eigeninteresse als etwas, das mit dem Bösen behaftet ist, als etwas Unreines und Unglückliches. Alles, was unter der Schirmherrschaft des Egoismus unternommen wird, scheint ihnen zum Scheitern verurteilt. Nichts, was seine Wurzeln und Gründe in der eigenen Person hat, kann edel und gut sein. Ihr innerstes Verlangen ist das nach einem neuen Leben – einer Wiedergeburt – oder, falls dies nicht möglich ist, nach einer Chance, durch die Identifikation mit einer heiligen Sache neue Elemente des Stolzes, der Zuversicht, der Hoffnung, der Sinnhaftigkeit und des eigenen Wertes zu erlangen. Eine aktive Massenbewegung bietet ihnen Möglichkeiten für beides. Wenn sie sich der Bewegung als vollständige Konvertiten anschließen, werden sie in einem neuen Leben in ihrem eng verbundenen kollektiven Körper wiedergeboren, oder wenn sie sich zu Sympathisanten hingezogen fühlen, finden sie Elemente des Stolzes, der Zuversicht und des Ziels, indem sie sich mit den Bemühungen, Errungenschaften und Aussichten der Bewegung identifizieren.

Den Enttäuschten bietet eine Massenbewegung entweder Ersatz für ihr ganzes Selbst oder für die Elemente, die das Leben erträglich machen und die sie aus ihren individuellen Ressourcen nicht hervorbringen können.

Der Erfolg des Westens im allgemeinen und des Kapitalismus im besonderen beruht darauf, daß Menschen ihre Sache auf nichts gestellt haben. Durch bloße Initiative erschaffen sie sich, nach dem Vorbilde Gottes, aus dem Nichts ( = voraussetzungslos, im Sinne von spontan, nicht-mechanisch!). Man hat eine Geschäftsidee und verwirklicht sie, ohne seine Gedanken über den Zustand dieser Welt zu verschwenden. Das beste Beispiel ist Reich selbst, der eine „Gesellschaft“ nach der anderen aus dem Boden gestampft hat. Oder wie der Rocksänger Sammy Hagar nach seinem Rauswurf bei Van Hallen einmal in einem Interview sagte: „Setz mich nackt irgendwo in der Wüste Arizonas aus. Nach zwei Jahren werde ich in einem Ferrari zurückkehren.“

Elsworth F. Baker hat gezeigt, daß der Konservative der Vater-Imago („Gott“) nacheifert, während der Linke dagegen rebelliert, gegen die „Ungerechtigkeit“ protestiert und in der Jauche der Jammerei versinkt. Kein Wunder, daß Stirner als „Urvater des Faschismus“ „entlarvt“ wurde… (Ich verweise wieder auf The Omega Man aus Teil 53!)

Nochmal: „seine Sache auf nichts bauen“. Die Erschaffung der Welt aus dem Nichts, ist keine naturphilosophische oder gar „physikalische“ Aussagen, sondern hat eine theologische Bedeutung: Gott handelt spontan, „selbstherrlich“. Gott (und damit sein in seiner Natur mit ihm identische Sohn Christus) wird von Anfang an so definiert, daß nichts über ihm steht, das ihn zu irgendetwas veranlassen könnte. Gewisserweise ist Gott bzw. Christus als „über-ich-frei“ (ungepanzert) definiert, d.h. als spontan agierend.

Wenn man aus dieser Sichtweise Stirners Der Einzige und sein Eigentum, insbesondere aber seine Parerga, Kritiken, Repliken liest, wird offensichtlich, warum Reich Stirners Hauptwerk in die Bibliographie am Ende seines Werkes aufgenommen hat. Der „Einzige“ (sic!) ist der ideale genitale Charakter, der, frei nach Elsworth F. Baker, im realen Leben dem konservativen Charakter noch am nächsten kommt.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 53)

5. März 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Immer auf Kontra zu setzen und Reich stets draußen zu halten, ist billig: er habe nicht wirklich zu Marx, zu Freud, zu „Wilson“, „Roosevelt“, zu „Eisenhower“ (von denen er jeweils zu ihren Hochzeiten ein großer Fan war) etc. gehört. Das ist einfach eine Selbstverständlichkeit. (Es sollte zumindest eine Selbstverständlichkeit sein.) Was erst mal wichtiger ist, ist doch, wie Reich sich eingebracht hat: wie der wahre Reich, der „LSR-Reich“, sich in dieser Welt einbringen wollte. Mir persönlich hat immer imponiert, wie er sich einpassen konnte, wie er eben nicht in eine „Peer Gynt-Existenz“ versank, sondern sich in den Institutionen festsetzte und, zumindest anfangs, durchsetzte: in der Psychoanalyse, nach dem „Konflikt mit Freud“ in der KP, danach im Exil, wo er eine eigene Organisation nach der anderen aufbaute, um schließlich in seinen letzten Versuchen bis nach „ganz oben“ durchzudringen.

Dieser unbedingte Wille sich durchzusetzen und zwar in dieser Welt und ihren Institutionen, die einen rationalen Kern haben (siehe seinen Aufsatz „Die Entwicklung des autoritären Staatsapparats aus rationalen sozialen Beziehungen“ in Die Massenpsychologie des Faschismus). Siehe dazu auch seinen Brief an Neill vom 3. März 1956. Dort schreibt er, er sei immer ein „Konservativer“ gewesen. Was bedeutet das? Ein Konservativer ist jemand, der an die überkommenen Institutionen glaubt und der sie nutzen will, um im schlechtesten Fall den Status quo zu erhalten und im besten Fall, um diese Welt organisch zu den besagten „rationalen sozialen Beziehungen“ zurückzuführen.

Dem steht der Progressive gegenüber, der gegen die Institutionen ankämpft im Namen aller denkbar guten Ziele: soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Das führt entweder zum Zerfall (z.B. der Familie und damit der Psyche der Kinder) oder (bzw. und) zur Gegenreaktion.

Ich habe wahrhaftig nichts gegen den progressiven Reich, der diese scheiß Gesellschaft (die mein Lebensglück, die dein Lebensglück und das Lebensglück von 8 Milliarden Menschen für nichts und wieder nichts geopfert hat) „zerschlagen“ will. Die Frage ist nur, wie man das (die Veränderung der Gesellschaft) erreichen soll. Indem man sich den Institutionen anpaßt!

Bei aller „Anpassung“ hat Reich nie das Ziel aus den Augen verloren: siehe die Schlußsätze von Christusmord, siehe die „Kinder der Zukunft“ und sein Testament. Er war der einzige Denker (oder was auch immer), den ich kenne, der einen realistischen, gangbaren, sicheren, humanen Weg gewiesen hat, um das zu verlassen, was er als „die Falle“ bezeichnet hat. Er war der einzige (neben Stirner und LaMettrie), der überhaupt wußte, daß wir in dieser Falle stecken.

Es geht nicht an, die „sechs Jahrtausende“ einfach so vom Tisch zu wischen. Alles hat einen rationalen Kern. – Und dieser Satz ist eben nicht nur eine Platitüde, sondern der Dreh- und Angelpunkt. Es ist erstens rational, weil es sich durchgesetzt hat und schlichtweg existiert, zweitens weil es einem natürlichen Muster entspricht, das sich im gesamten Tierreich und „Menschenreich“ widerfindet und drittens weil es eine Entstellung der Arbeitsdemokratie ist – des bioenergetischen Kerns, d.h. seine Irrationalität keine eigene Substanz hat.

Es ist kein Zufall, daß ausgerechnet das erzkonservative England (mit Königshaus, Perücken und all dem Zeugs) so ungefähr das demokratischste Land ist (bzw. war!), während Frankreich mit all seinen „revolutionären“ Umwälzungen geradezu eine grotesk undemokratische Gesellschaft ist. – Selbst die blödsinnigsten Institutionen, wie etwa die Erbmonarchie, haben eine rationale Funktion. Es ist vollkommen unproduktiv, ja kontraproduktiv sie zu zerschlagen. (Monarchien verankern den Staat sozusagen „vertikal“ in der Geschichte und sozusagen „horizontal“ in der Welt – der Adel ist international verzweigt und nur ein König kann einem „Commonwealth“ vorstehen.)

Es geht um einen Punkt, den kein Linker jemals nachvollziehen wird: um die Legitimität der Institutionen bzw. um ihre schrittweise Wiederherstellung. Endziel ist eine rationale Gesellschaft mit Institutionen, die man als genauso legitim hinnehmen kann, wie man etwa die Gravitation oder das Hebelgesetz akzeptieren kann: die „Freiheit“ wird auf eine nachvollziehbare und vernünftige Weise eingeschränkt, aber nicht mehr die Eigenheit im Sinne Stirners.

Man schaue sich dazu Charlton Hestons Endzeitfilm The Omega Man an und dessen Gegensatz zwischen der kulturrevolutionären „Familie“, die alle bisherige Geschichte hinwegfegen will, weil diese im Kern irrational und lebensfeindlich ist und die Menschheit an den Rand der Auslöschung geführt hat – und dem einsamen „Omega-Mann“, der alles tut, um das, was an der untergegangenen gut und lebenspositiv war:

Dieser Film drückt eigentlich alles aus, was ich mit meinen Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte aus sagen will.

Roger Cormans HOUSE OF USHER

29. November 2012

Richard Matheson schrieb 1954 den Roman I am Legend, aus dem 1971 schließlich der Film The Omega Man wurde. Die Vorlage ist vollkommen uninteressant, während der Film voller orgonomischer Bedeutsamkeit ist. Ich habe das in Verfilmungen von Reichs Buch CHRISTUSMORD erläutert.

Bei Roger Cormans 1960 gedrehten Film House of Usher ist es ähnlich. Edgar Allan Poes gleichnamige Kurzgeschichte, die dem Film zugrundeliegt, ist vollständig ohne Interesse, während das von Matheson verfaßte Drehbuch zumindest an einer Stelle voller orgonomischer Bedeutsamkeit ist.

Es geht in dem Film um nur vier Personen: Philip Winthrop, der sich in Madeline Usher verliebt hat und sie überraschend besucht, um sie zu heiraten; deren Bruder Roderick und den Hausdiener, der die beiden kränklichen Geschwister im uralten, langsam zerfallenden Haus der Ushers betreut. Roderick Usher beschreibt seinem Gast das Haus der Ushers:

Letzte Nacht fragten Sie mich nach der einzigartigen Trockenheit des Landes, das dieses Haus umgibt. Einst war dieses Land fruchtbar und war voller Farmen. Die Erdkrume lieferte ihren Reichtum zur Erntezeit. Es gab Bäume und Pflanzen, Blumen, Kornfelder. Es gab große Schönheit hier. Damals war dieses Wasser klar und frisch. Schwäne glitten auf seine Kristalloberfläche. Tiere kamen zu seinem Ufer, vertrauensvoll, um zu trinken. Aber das war lange vor meiner Zeit. (…) Und dann kroch etwas über das Land und verdunkelte es. Die Bäume verloren ihre Blätter. Die Blumen welkten und starben. Sträucher wurden braun und welk. Die Getreidefelder gingen zugrunde. Und die Seen und Teiche wurden schwarz und still. Und das Land verdorrte wie im Angesicht einer Pest. (…) Eine Plage des Bösen. Anthony Usher: Dieb, Wucherer, Händler mit Menschenfleisch. Bernard Usher: Betrüger, Fälscher, Juwelendieb, Drogenabhängiger. Francis Usher: professioneller Attentäter. Vivian Usher: Erpresserin, Hure, Mörderin. Sie starb in einem Irrenhaus. Kapitän David Usher: Schmuggler, Sklavenhändler, Massenmörder. (…) Dieses Haus ist Jahrhunderte alt. (…) Und alles Böse ist in seinen Steinen verwurzelt. (…) Das Böse ist nicht nur ein Wort. Es ist Realität. Es kann erschaffen werden wie ein Lebewesen und es wurde von diesen Menschen geschaffen. (…) Seit Hunderten von Jahren wurden gemeine Gedanken und üble Taten in seinen Mauern ausgeheckt. Das Haus selbst ist jetzt böse.

Reich hatte das in seinem Aufsatz „DOR-Beseitigung und Wetterbeeinflussung“ 1952 wie folgt beschrieben:

Stille und Öde breiten sich über die Landschaft, wobei das betroffene Gebiet von der nicht in Mitleidenschaft gezogenen Umgebung deutlich abgegrenzt ist. Die Stille drückt sich darin aus, daß alles Leben in der Atmosphäre zu sterben scheint. Die Vögel hören auf zu singen, die Frösche hören auf zu quaken. Man hört kein Geräusch des Lebens. Vögel fliegen tief und verstecken sich in den Bäumen. Die Tiere kriechen viel langsamer als sonst am Boden hin, und die Blätter und die grünen Nadeln der Bäume sehen sehr „traurig“ aus; sie hängen herab und verlieren ihre innere Spannung und die Fähigkeit, sich wieder aufzurichten. Alles Leuchten und aller Glanz verschwindet von den Seen und aus der Luft. Die Bäume sehen schwarz aus, als ob sie abstürben. Man hat tatsächlich den Eindruck von Schwärze oder besser von Öde. (Ausgewählte Schriften, S. 451)

Die grüne Farbe der Bäume und Wiesen verschwindet von den Bergen. Alles sieht schwarz und matt aus. Der fehlende Glanz läßt sich durch eine Verminderung der orgonotischen Pulsation und des Orgon-Metabolismus in Pflanzen und Tieren erklären. Dies scheint dadurch bestätigt, daß an der Oberfläche von Seen die orgonotische Pulsation ebenfalls aufhört. Das Wasser wird ruhig und regungslos. (ebd.)

Über die Einheit von äußerer und innerer Wüste, die beide von abgestandener, abgestorbener, giftiger Orgonenergie (DOR) geprägt sind, schreibt Reich in „Die emotionale Wüste“ (1955):

Die ständige Gegenwart des Todes (der DOR-Atmosphäre) und das allgegenwärtige dumpfe Gefühl des unvermeidlichen Endes kennzeichnen das Leben in der Wüste wie das Lebensgefühl des gepanzerten Menschen. Die Erstarrung des Gefühlslebens, Dehydration der Gewebe, die mit aufgedunsenen Schwellungen und schlaffen, verfetteten Muskeln oder einer Neigung zu Ödemen oder Ödeme verursachenden Erkrankungen alterniert, der Alkoholismus, der das, was noch von einem ursprünglichen Lebensgefühl übriggeblieben ist, stimulieren soll, Verbrechen und Psychosen und die letzten Zuckungen eines sinnlosen, frustrierten, malträtierten Lebens sind nur einige Folgen der emotionalen Wüste. (ebd., S. 478)

Es ist eine Beschreibung der Ushers und ihres Verhaltens bis zum tragischen Ende.

Die „Schwärzung von Gesteins“, d.h. den „kanzerösen Zerfall“ von ganzen Gebäuden, die Reich erstmals auf Orgonon beobachtete, habe ich an anderer Stelle beschrieben.

[youtube:http://www.youtube.com/watch?v=D6qDHlqvMKM%5D