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Warum hatte Reich eine so schlechte Menschenkenntnis?

2. November 2016

Es gibt zahllose Beispiele dafür, daß Reich, Baker und andere leitende Figuren in der Orgonomie in der Einschätzung von Freunden und Mitarbeitern sich geradezu spektakulär geirrt haben. Wie konnten die Schöpfer der „Charakteranalyse“ derartig schlechte Menschenkenner sein?

Man wird durch seine Arbeit Teil einer Gruppe und der Charakter tritt in den Hintergrund. Bricht die Arbeitsfunktion aus welchem Grund auch immer weg, gewinnt der Charakter erneut an Bedeutung. Beispielsweise kann es uns vollkommen gleichgültig sein, ob ein Mitarbeiter Kommunist, Nationalsozialist oder gar ein Grüner ist, solange er seine Arbeit macht. Erst bei Störungen der Arbeitsfunktion gewinnt seine extrem kranke Charakterstruktur Bedeutung, tritt schließlich vielleicht sogar in den Vordergrund. Genauso ist es mit jenen Gestalten in der Orgonomie bestellt, die sich im nachhinein als Leute darstellen, bei denen man sich fragt, wie sie jemals Teil der Orgonomie sein konnten.

Und was die Orgontherapie betrifft, die schließlich Grundvoraussetzung für jede Arbeit in der Orgonomie ist:

Baker selbst hat beschrieben, wie der Orgonom Michael Silvert einst Reich seine neue Verlobte vorstellte, die er bald heiraten wolle. Reich untersuchte sie und diagnostizierte sie als „gesund“. Wenig später kam sie als Schizophrene in die Psychiatrie! Man kann kaum „kränker“ sein! Baker erklärt das damit, daß bei Schizophrenen die Augenpanzerung sehr variabel sein kann und es Perioden gibt, wo die Augen praktisch frei sind. Will sagen, der Charakter zeigt sich manchmal erst im Laufe der Zeit. (Selbst im somatischen Bereich ergibt sich die korrekte Diagnose ab und an erst nach langer Dauer – manchmal erst auf dem Seziertisch!)

Außerdem sieht der Therapeut in erster Linie den Kern seines Patienten und versucht diesen zu befreien. Wenn man so will, sieht der Orgonom, der ansonsten nur die Schlechtigkeit einer gepanzerten Welt sieht, in seinem Patienten, insbesondere aber in seinem Ausbildungskandidaten, „nur das Gute im Menschen“. Ohne diese Zuneigung, ohne dieses „Vorurteil“ zugunsten des Patienten, macht Therapie keinen Sinn.