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Kapitalismus und die Funktion des Orgasmus (Teil 2)

29. Juni 2015

Curtis Barnes zufolge spüren wir eine innere Erregung, die sich als Tätigkeitsdrang äußert und zur Entladung in produktiver Arbeit drängt. Es ist ein angenehmes Gefühl, nach all der Anstrengung sein Arbeitsprodukt schließlich in den Händen zu halten. „Der identische Prozeß bewirkt“, so Barnes, „im sozialen Bereich die ökonomische Aktivität.“ Wird dieses Streben nach Lustgewinn und Profit unterbunden, wird die Gesellschaft freudlos und verarmt materiell.

Ähnlich wie die orgastisch impotente Sexualität nicht zur Entladung, sondern zur Erhöhung der inneren Spannung führt, führt auch ein entsprechendes Konsumverhalten zu innerer Leere und zur Zerstörung der Umwelt. Der Kapitalismus krankt an seinen kranken Menschen. Beispielsweise drückt im freien Medienmarkt mit den vielen Privatsendern der Pöbel alles auf das niedrigste mögliche Niveau. Freie Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn richtig „bewertet“ wird, z.B. wäre in einer rationalen Gesellschaft Heroin wertlos, egal wie rar es ist, während wissenschaftliche Publikationen breites Interesse fänden. Ein anderes Beispiel ist, daß das organisierte Verbrechen von den Perversionen lebt, die der Sexualunterdrückung entspringen. Freie Marktwirtschaft ist nur in einer sexuell gesunden Gesellschaft möglich.

Es gibt eine funktionelle Identität von kontaktloser Promiskuität und kontaktlosem Konsumrausch. Beide sind das Gegenteil dessen, als was sie oberflächlich erscheinen. In Wirklichkeit haben sie mit gesunder Sexualität und Konsum nichts zu tun. Eine genital gesunde Menschheit würde sich nicht ins Arbeitsjoch spannen, nur um ewig unbefriedigt sinnlosen Konsumgütern nachzujagen, sondern zu einem Gleichgewicht zwischen Produktion und Konsumption finden. Ein ausgeglichener gesunder Libidohaushalt wäre funktionell identisch mit einer ausgeglichenen gesunden Wirtschaft.

Dafür gibt es hinreichend Belege in „primitiven“ Gesellschaften, wo nicht etwa der hochangesehen ist, der viel hat, sondern der viel gibt. (Reste davon findet man im Mäzenatentum.) In solchen Gesellschaften sind Feste der Motor der Wirtschaft, denn sie verteilen die erwirtschafteten Erträge zurück in die Gemeinschaft: Ladung und Konzentration auf dem Markt → Entladung und Verteilung bei den von den Erfolgreichen veranstalteten Festen → Ladung und Konzentration auf dem Markt → Entladung und Verteilung bei den von den Erfolgreichen veranstalteten Festen → Ladung und Konzentration auf dem Markt, etc.

In primitiven Gesellschaften dreht sich alles um gegenseitiges Beschenken, so als würde man eine heiße Kartoffel so schnell wie möglich weiterreichen, um sich nicht die Finger zu verbrennen. Der Austausch von Geschenken, englisch „gift“, beinhaltet den Austausch von „Gift“ – Begriffe, die den gleichen etymologischen Ursprung haben. Diese etymologische Doppeldeutigkeit weist auf eine unbewußte Wahrheit hin, denn, wie Reich dargelegt hat, verrät die Wortbildung die Ausdrucksweise des Lebendigen (Charakteranalyse). Jemanden ein Geschenk zu überreichen, bedeutet das eigene Gift loszuwerden, so daß der Beschenkte es weiterreichen muß – und so fort in einem ewigen Kreislauf.

Freigebigkeit wird hochangesehen, während Knauserigkeit verachtet wird. Dieses weniger ethische als vielmehr ästhetische Urteil scheint damit zusammenzuhängen, daß beim krampfhaften Festhalten der Tauschgüter eine energetische Stagnation eintritt und buchstäblich giftiges DOR akkumuliert wird. Um diesen unappetitlichen Fäulnisprozeß zu verhindern, wird das statische Resultat energetischer Überlagerung in Bewegung gehalten – es soll sich in ORgon zurückverwandeln. Schon als Kind ist mir aus persönlichem Augenschein bei einem familiären Überschneiden der „Klassengrenzen“ aufgefallen, daß Menschen, die im Luxus leben, daran wirklich buchstäblich ersticken. Sie haben etwas seltsam „Unappetitliches“ an sich, strahlen eine merkwürdig „übersättigte Schwermut“ aus. Ein Gefühl, wie wenn man zu viele Süßigkeiten zu sich genommen hat und alles klebrig geworden ist. Ich glaube, es ist eine wirkliche DOR-Krankheit. (Der Begriff „stinkreich“ stammt daher, daß sich im 18. Jahrhundert die Aristokratie nie gewaschen und buchstäblich in die Ecken geschissen hat. Der unerträgliche Gestank in den Schlössern wurde mit Parfüm überdeckt.)

Reich, Marx und die Charakterlosigkeit (Teil 2)

4. Juli 2013

Was ist Geld? Geld kann man gegen fast alle gängigen Güter und Dienstleistungen tauschen. Natürlich nicht in alle, denn manches wird an bestimmte Personen oder generell nicht gegen Geld getauscht. Nicht alles ist käuflich! Es gibt entsprechend eine Sphäre jenseits des Geldes. Etwas, was man bei derartigen Erörterungen gerne unter den Tisch fallen läßt.

Also, Geld ist ein universelles Tauschmedium. Entsprechend kann man es mittels dreier „Universalien“ erklären:

  1. Materiell, d.h. mit einem Gut, das in alle anderen Güter umgetauscht wird. Gemeinhin ist das Gold oder ein anderes Edelmetall. Nach dem Krieg waren es zeitweise und in beschränktem Rahmen Zigaretten. Jedenfalls werden diese Zahlungsmittel mit ungeheuren Emotionen aufgeladen. Sie senden für den Menschen einen universellen Schlüsselreiz aus, der alle anderen Schlüsselreize in sich vereinigt und jeden einzelnen von ihnen in den Schatten stellt. (ORGONOTISCHE LADUNG)
  2. Ein gesellschaftliches Verhältnis: die Schuld. Man geht eine Verpflichtung ein und diese kann prinzipiell an andere abgetreten werden. Das unendlich sich ausbreitende Geflecht gegenseitiger Verpflichtungen, die den ganzen Planeten und beliebig lange Zeiträume umspannen kann, macht den Kern der Arbeitsdemokratie aus. (ORGONOTISCHE SPANNUNG)
  3. Abstrakte, d.h. vergleichbare Arbeit. Wenn man nicht gerade am Fließband arbeitet und dort etwas tut, bei dem man nicht viel falsch machen kann, lassen sich Arbeiten kaum miteinander vergleichen. Dieses Problem läßt sich umgehen, indem man einfach die Zeit mißt, in der gearbeitet wird. Eine Geldeinheit entspricht dann einer bestimmten Arbeitszeit und repräsentiert die biologische Energie, die während dieser Zeit entladen wurde. Es gab und gibt Versuche, das Geldsystem zu umgehen, indem einfach Arbeitsstunden gegen Arbeitsstunden getauscht werden. (ORGONENERGIE)

Nochmals, was ist Geld? Der bloße Tausch von Gütern konstituiert noch lange keine Ökonomie. Diese tritt erst mit dem Schuldverhältnis in Erscheinung, das die Menschen auf Gedeih und Verderb aneinander bindet. Um dieses Schuldverhältnis aber irgendwie darstellen zu können, benötigt man universell tauschfähige Güter wie etwa das Gold, aus dem dann buchstäblich durch „Falschmünzerei“ das Papiergeld geworden ist, wie wir es heute kennen. Aber selbst mit diesem zweiten Schritt ist noch keine funktionsfähige Ökonomie gegeben, denn es fehlt ein universeller Wertmaßstab, d.h. genau das, was das Geld überhaupt ausmacht. Das, womit das Geld letztendlich gedeckt wird, ist die Arbeitskraft der Bevölkerung: damit ist das Geld ein bioenergetisches Problem. (Siehe dazu Reichs Ausführungen über Marx in Menschen im Staat.)

Dies ist es letztendlich auch auf den beiden vorangegangenen Ebenen, denn das Eingehen eines Schuldverhältnisses ist nur in einer Gesellschaft möglich, in dem Menschen „versprechen können“, d.h. letztendlich in der Lage sind, eine bioenergetische Spannung aufrechtzuerhalten. Gemeinhin spricht man in diesem Zusammenhang davon, daß jemand „Charakter hat“. Und auch was die materielle Substanz des Geldes betrifft, also letztendlich das Gold: die gesamte Ökonomie beruht auf dem Vertrauen, daß die „Zertifikate“, die ausgestellt werden, tatsächlich den nicht überprüfbaren Lagerbestand an realem Gold entsprechen. (Heute gibt es diese Golddeckung natürlich überhaupt nicht mehr.) Früher mußte man darauf vertrauen, daß das Papiergeld nicht gefälscht ist, d.h. nicht einfach gedruckt wurde, und heute geht es vor allem um die Frage, ob das Geld, das nur noch mittels Nullen und Einsen bei irgendwelchen Servern gespeichert ist, tatsächlich mehr ist als „Nullen und Einsen“.

Genau um diese in letzter Instanz charakter-strukturellen Fragen geht es bei der Euro-Krise, d.h. dem Konflikt zwischen dem protestantisch geprägten Nordeuropa und dem katholisch-„charakterlosen“ Südeuropa. Oder man betrachte die eigene Gesellschaft: die „charakterlosen“ jungen Leute von heute sind zu einem Gutteil nicht mehr „geschäftsfähig“, Vereinbarungen werden nicht eingehalten, es gibt nur das Hier und Jetzt. Die orgonotische Spannung, die etwa in der Natur dafür sorgt, daß sich die Biosphäre gegen die Gravitation wehrt, kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Das geht bis in die Körpersprache der Jugendlichen hinein!

Hier, bei der Frage nach der Charakterstruktur, gewinnt auch das Bedeutung, was nicht käuflich, nicht mit Geld aufgewogen werden kann, aber trotzdem die ganze „Geldwirtschaft“ trägt: die eigene Integrität. Sie ist die letzte Instanz, die das ganze Gebäude trägt. Ohne sie, ohne „den ehrlichen Kaufmann“, ohne intakte Familienstrukturen, ohne Werte, die alle bloß monetären Werte übersteigen, kann keine Wirtschaft langfristig funktionieren. Oder mit anderen Worten: das wahre Gold liegt im Herzen!

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