In „Practical Functional Economics (Part II): How Exchange Organizes Society“ (S. 31-51) führt Robert A. Harman aus, daß sich Gesellschaften spontan organisieren, indem Menschen wechselseitig mehr oder weniger längerfristige Verpflichtungen eingehen, die wiederum auf grundlegende menschliche Bedürfnisse zurückgehen:
Selbstredend spielt dabei immer das Selbstinteresse des Einzelnen mit, doch das organisierende Prinzip der Gesellschaft geht aus den Beziehungen hervor, die durch den Austausch von Darlehen erzeugt werden.
Die konventionelle Ökonomie geht von der Homogenität der Zeit aus und beschreibt entsprechend „Wachstumsraten“, so als gäbe es keine qualitativen Unterschiede zwischen Vergangenheit und Zukunft. Im Verlauf eines Darlehensaustausches entwickeln sich jedoch Erinnerungen über die Gewinne und die Verpflichtungen, die in der Vergangenheit erzielt bzw. eingegangen wurden und Erwartungen über zukünftige Gewinne und Verpflichtungen. Entsprechend sind „an sich“ identische Dinge, etwa eine bestimmte Summe Geld, in der Vergangenheit, sagen wir vor einem Jahr, etwas grundlegend anderes als „die gleiche“ Geldsumme in einem Jahr. Das Umfeld und die innere Einstellung des Wirtschaftsteilnehmers verändern sich ständig.
Er hat langfristige Vertrauensbeziehungen zu seinen fachkundigen Mitarbeitern, seinen Lieferanten, seinen Kunden, seinen Kreditgebern und weiteren. Jede dieser Beziehungen basiert darauf, daß sich beide Parteien im Laufe der Zeit ändern, um ihre hochspezialisierten Aufgaben erfüllen zu können. Diese Änderungen treten auf, weil die Beteiligten in unzählige kredit-artige Austauschoperationen eintreten, in denen jeder etwas jetzt gibt mit der Erwartung in Zukunft etwas qualitativ anderes zu erhalten. Ein Teil dieser Transaktionen werden mit einem juristischen Dokument zementiert, das bindende Zahlen- und Zeitvorgaben enthält. Andere beinhalten kaum mehr als die Hoffnung auf zukünftige Produktivität, Weiterbeschäftigung, Karriereaussichten, zukünftige Absätze, zuverlässige Lieferquellen, usw. Wir haben hier Menschen vor uns, aus denen tatsächlich hochentwickelte, aber veränderbare Arbeitsfunktionen werden, die mit unzähligen anderen Arbeitsfunktionen in einem sich ständig weiter entfaltenden Gewebe Beziehungen herstellen, die sich ständig verändern. (…) Dies geschieht, weil außerordentlich leistungsfähige Beziehungen durch kredit-artige Austauschoperationen hergestellt werden, die sich über lange Zeiträume erstrecken und weil diese Zeit heterogen ist. (S. 45)
Der Darlehensaustausch erlaubt es Individuen und ganzen Firmen neue Gemeinsame Funktionsprinzipien (CFPs) zu werden und diese CFPs gegebenenfalls zu ändern. Auf diese Weise reorganisiert sich die Gesellschaft ständig auf spontane Weise. Der Austausch wird am besten durch das Geld verkörpert.
Der Zusammenbruch dieses Austauschs ist ein Beispiel für die Emotionelle Pest. Man betrachte etwa die tieferen Ursachen für die seit 2008 anhaltende Weltwirtschaftskrise:
Dieser Zusammenbruch war Resultat eines früheren, weniger offensichtlichen Zusammenbruchs des Austauschs in Gestalt der Beziehung zwischen den USA und China. China verleiht große Geldmengen an das US-Finanzministerium, um den Wert der chinesischen Währung auf einem „wettbewerbsfähigen“ Niveau zu halten. Das Wesen dieser Finanzaktionen schließt jeden Rückzahlungsanspruch aus, da China den USA ständig mehr Geld leihen (d.h. mehr US-Staatsanleihen und Schuldverschreibungen kaufen) muß und die Schuldverschreibungen nicht ohne eine verheerende Aufwertung seiner Währung verkaufen kann. Der ultimative Zusammenbruch der Austausch-Funktion ist die Ausbeutung des einzelnen Sparers in China, der letztlich die ganze Operation zu finanzieren hat, weil ihm keine Alternative zur Verfügung steht (außer riskanten Spekulationen in den chinesischen Immobilien- und Aktienmärkten) als seine Geldmittel in staatlich kontrollierten Banken zu deponieren, die Zinsen weit unter der Inflationsrate bieten. Diese Einlagen finanzieren außerdem die nicht enden wollende Liquidation fauler Kredite, die von den Banken ausgegeben wurden, was noch einen weiteren Zusammenbruch der Austauschfunktion darstellt. Die Beträge, um die es in allen drei Fällen geht (Kredite an die USA, schlechte Zinsraten für chinesische Bankeinlagen und kumulative Verluste aus faulen chinesischen Bankdarlehen), gehen in die Billionen von Dollar. (S. 49)
















