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Max Stirner und das Orgon

8. Mai 2024

Reich unter den Psychoanalytikern der 1920er und Anfang der 1930er Jahre: Niemand konnte sich so wie er unter die Arbeiterklasse mischen, niemand konnte einfach so tanzen wie er, zelten und „andere wunderliche Dinge“ tun – niemand konnte so einfach er selbst sein wie er. Er war einfach er. Der Rest spielte immer eine Rolle, beispielsweise die des „Herrn Doktor“ und des unnahbaren Psychoanalytikers. Nichts ist für den gepanzerten Mann erschreckender als ein Mann, der einfach er selbst ist, ohne sich zu verstellen. Das ist OR, die Lebensenergie selbst, alles andere ist nur totes DOR. Reich war eine natürliche Kraft, die anderen waren nur tote Objekte, die von äußeren Kräften bewegt werden – weil sie nicht sie selbst sind, d.h. keinen inneren Antrieb haben.

Ich habe meine Probleme mit Trump, aber – ja: es gibt etwas an ihm, das die Menschen terrorisiert, seine „Unberechenbarkeit“ und sein „Populismus“ und Libertinismus. Er steht zu sich! Etwas, das sie an „etwas“ erinnert. Einfach nur man selbst zu sein, was das Einfachste sein sollte – aber eigentlich das Schwierigste ist. Wie das Atmen in einer Orgontherapie-Sitzung: einfach nur atmen, einfach man selbst sein. Der schlimmste Terror, den sich der gepanzerte Mensch vorstellen kann. All diese innerlich toten Politiker und all diese Zombies von Meinungsmachern – und dann tritt Trump auf den Plan. Wie ein Außerirdischer, wie Reich, der spekuliert, er sei ein „space man“. Und das alles, weil er einfach er selbst ist. Etwas „Fremdes“ betritt den Schauplatz – während alle anderen in Wirklichkeit von sich selbst entfremdet sind.

Reich hat ein ganzes Buch darüber geschrieben: Christusmord. Die Leute haben sich immer gefragt, wie Max Stirners Der Einzige und sein Eigentum in die Bibliographie dieses Buches geraten ist. Das liegt daran, daß das Selbstsein der Schlüssel ist. Wir werden nie „frei“ sein, aber wir haben immer die Fähigkeit, unser Eigenheit zu wahren, einfach authentisch und uns selbst treu zu sein, identisch mit uns selbst. Spontanes, autonomes Funktionieren – die eigentliche Essenz des Orgons. Alles andere ist Zwang, Wahnsinn, Irrsinn: die Welt des gepanzerten, verDORrten „Lebens“.

Arbeitsdemokratie, Emotionelle Pest und Sozialismus (Teil 47)

3. Juni 2021

Die Ausführungen in dieser Blogserie haben eine Metastruktur, die mit Reichs Aussage von Mitte der 1930er Jahre zu tun haben, daß die Psychoanalyse die Mutter und der Marxismus der Vater der Sexualökonomie ist.

Der Hauptunterschied zwischen Psychoanalyse und Orgontherapie besteht darin, daß Freudianer und Jungianer ihre neurotischen und psychotischen Patienten lehren, ihre neurotischen Ideationen und Perversionen und „die Stimmen in ihrem Kopf“ zu „integrieren“, d.h. sich wieder zu eigen zu machen. Während Reich, der den gesellschaftlichen Bereich betreten hatte, seine Schüler lehrte, mit diesen Ideationen und Stimmen als dem Fremden umzugehen, das Besitz von dem Patienten genommen hat. Reich sagte sozusagen: „Es sind nicht Sie, die sich verhalten, denken und sprechen, sondern Ihre Eltern, die gepanzerte Gesellschaft, der Kapitalismus [später ersetzt durch „die Emotionelle Pest“] durch Sie.“ Das hat Reich von Max Stirner und Marx gelernt. Kurz gesagt, Freud sagte: „Diese Dämonen sind letztendlich DU!“, während Reich sagte: „Sag zu diesen Dämonen, sie sollen verschwinden!“

Das erinnert natürlich an die Exorzismen Christi im Neuen Testament. Tatsächlich geht es in den Evangelien fast ausschließlich um das Problem, Dämonen loszuwerden. Das mag so aussehen, als würde ich Opfer meiner mystischen Tendenzen werden, aber siehe Reichs Aufsatz über den Medical DOR-Buster „Die emotionale Wüste“, wo er sich mit dem „Heraussaugen“ des DOR aus den Patienten beschäftigt. Es geht um Sequestration. Und was ist die Grundregel für jeden Exorzismus? Niemals in einen Dialog mit den Dämonen eintreten, niemals mit ihnen argumentieren, niemals eine Beziehung aufbauen: „Wir müssen Fremde bleiben!

Jedenfalls fügen Therapeuten (typischerweise Liberale) den Patienten großen Schaden zu, wenn sie ihnen empfehlen, wieder „ganz“ zu werden, indem sie das als das Eigene akzeptieren, was ihnen in Wirklichkeit fremd ist und unter allen Umständen fremd bleiben muß. Deshalb niemals „sich selbst verlieren“, niemals Alkohol trinken, niemals Drogen nehmen, niemals irgendeinem Glauben oder einer Ideologie anhängen. Kurz: Selbstregulation gegen Fremdbestimmung. Dies ist die zentrale Botschaft sowohl der Orgonomie als auch des ursprünglichen Judentums, wie es von Rabbi Jesu von Nazareth gelehrt wurde. Alles andere steht unter der Herrschaft des Bösen.