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Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 109)

19. Februar 2024

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Warum war die Marxsche, d.h. die katholische, d.h. die Aristotelische Werttheorie, daß Wert einzig und allein auf menschliche Arbeit zurückgeht, für Reich so wichtig?

Erstmal, wofür stand sie bei Marx selbst? Ganz einfach, sie war eine anti-Stirnersche Idee, DIE anti-Stirnerische Idee! Denn was bedeutet die Arbeitswerttheorie anderes als „Ora et labora“: bete die Ideen, die verinnerlichten gesellschaftlichen Hierarchien, an und ordne dich ein! Um nichts anderes geht es.

Dagegen steht die „bürgerliche“ Werttheorie: ICH bewerte die Dinge!

Marx nennt Waren „Kristalle der ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz“. Diese „Substanz“ ist die menschliche Arbeit, gemessen in abstrakten Stunden der „gesellschaftlich notwendigen Arbeit“, d.h. was der einzelne Arbeiter macht, wie er arbeitet, ist egal, denn es geht einzig und allein um den abstrakten „Durchschnittsarbeiter“.

Reich war von diesem Konzept fasziniert. Es gemahnt ein wenig an Bione als „Kristallisationen von Orgonenergie“. Dabei hat Reich das Problem nicht erkannt, daß man zwar Freuds Libido messen kann (oder besser gesagt, man kann die Bio-Elektrizität und letztlich die Orgon-Energie als Äquivalent zu Freuds Libido messen), es aber unmöglich ist, die lebendige Arbeitskraft von Marx meßtechnisch zu erfassen.

Man kann den (Marx’schen) „Wert“, sagen wir, dieses Bleistifts nicht messen. Was man aber messen kann, ist meine libidinöse Bindung an den besagten Bleistift. Ich bevorzuge blaue Bleistifte und dementsprechend kann man meine orgonotische Aufladung messen, d.h. mein „Verlangen nach blauen Bleistiften“. Ich schätze Bleistifte. Im Gegensatz dazu habe ich nicht die leiseste Ahnung, wie ich den völlig abstrakten Wertbegriff von Marx sowohl mit der Orgasmustheorie als auch mit der Entdeckung des Orgons in Verbindung bringen soll.

Aber zurück zu Marx: In der kapitalistischen Gesellschaft gibt es Ausbeutung. Aber diese Ausbeutung kann man nicht mit der abstrakten Werttheorie von Marx fassen, sondern nur unter dem Aspekt der Macht: Die Mächtigen beuten die Ohnmächtigen aus. So einfach ist das. Um letztere zu ermächtigen, muß man sie von der letzten Quelle ihrer Machtlosigkeit (Abhängigkeit) befreien: Man muß sie von ihrer Panzerung, den besagten verinnerlichten Hierarchien, dem Über-Ich, befreien, um sie unabhängig zu machen.

Reich versuchte die Massen davon zu überzeugen, daß sie, bzw. ihre Arbeit, die Quelle aller Werte sind und daß es gilt diese „lebendige Produktivkraft“, die organismische Orgonenergie, zu befreien. Wie gesagt, klingt gut, macht aber sowohl orgonenergetisch wenig Sinn (da die Arbeitswerttheorie so mystisch ist wie die katholische Transsubstantiationslehre) und impliziert das Gegenteil dessen, was Reich zum Ausdruck bringen wollte (weil es EXPLIZIT gegen die Selbststeuerung gerichtet ist).

Interessanterweise ist die Werttheorie, Marx zufolge, selbst von der Gesellschaftsordnung abhängig, d.h. in der kommunistischen Gesellschaft spielt sie keine Rolle mehr und der Wert ist tatsächlich nur noch die „Be-Wertung“: jeder wird das erhalten, wonach ihm gerade ist – dazu gleich mehr. Das impliziert, daß die Werttheorie nun wirklich nichts mit Arbeitsdemokratie und gar dem Orgon zu tun haben kann.

In seiner einfach nur peinlichen „Kritik am Gothaer Programm“ von 1875, die Wilhelm Liebknecht nicht ohne Grund unter Verschluß hielt, und etwa August Bebel diesen schieren Unsinn mit Bedacht vorenthielt, und die erst 1891 veröffentlicht wurde; also in diesem Machwerk schlug Marx allen Ernstes vor, die SPD solle dafür eintreten, daß, nachdem die Produktionsmittel in „Gemeingut“ übergegangen sind,

die Produzenten ihre Produkte nicht aus(tauschen); ebensowenig erscheint hier die auf Produkte verwandte Arbeit als Wert dieser Produkte, als eine von ihnen besessene sachliche Eigenschaft, da jetzt, im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, die individuellen Arbeiten nicht mehr auf einem Umweg [also über den Markt, PN], sondern unmittelbar als Bestandteile der Gesamtarbeit existieren. (…) Demgemäß erhält der einzelne Produzent – nach den Abzügen – exakt zurück, was er ihr gibt. Was er ihr gegeben hat, ist sein individuelles Arbeitsquantum. Z.B. der gesellschaftliche Arbeitstag besteht aus der Summe der individuellen Arbeitsstunden. Die individuelle Arbeitszeit des einzelnen Produzenten ist der von ihm gelieferte Teil des gesellschaftlichen Arbeitstags, sein Anteil daran. Er erhält von der Gesellschaft einen Schein, daß er soundso viel Arbeit geliefert (nach Abzug seiner Arbeit für die gemeinschaftlichen Fonds), und zieht mit diesem Schein aus dem gesellschaftlichen Vorrat von Konsumtionsmitteln soviel heraus, als gleich viel Arbeit kostet. Dasselbe Quantum Arbeit, das er der Gesellschaft in einer Form gegeben hat, erhält er in der andern zurück.

Die, die mehr arbeiten können, stärker und intelligenter sind, erhalten also mehr an den Verteilungsstellen. Aber gemach aus der Kaserne wird schließlich im vollendeten Kommunismus ein Siechenheim:

In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!

Das wirre Geseiere eines halbirren, weltfremden Dystopisten!

Warum dann überhaupt die Werttheorie bei Marx? Sie soll die Vergesellschaftung, die Ent-Eignung rechtfertigen, unabhängig von allen äußeren Bedingungen, d.h. selbst wenn alle Arbeiter Millionäre wären. Oder wie Marx es in seinen Randglossen ausdrückt:

(…) der Arbeitslohn (ist) nicht das ist, was er zu sein scheint, nämlich der Wert respektive Preis der Arbeit, sondern nur eine maskierte Form für den Wert resp. Preis der Arbeitskraft. Damit war die ganze bisherige bürgerliche Auffassung des Arbeitslohnes sowie die ganze bisher gegen selbe gerichtete Kritik ein für allemal über den Haufen geworfen und klargestellt, daß der Lohnarbeiter nur die Erlaubnis hat, für sein eignes Leben zu arbeiten, d.h. zu leben, soweit er gewisse Zeit umsonst für den Kapitalisten (daher auch für dessen Mitzehrer am Mehrwert) arbeitet; daß das ganze kapitalistische Produktionssystem sich darum dreht, diese Gratisarbeit zu verlängern durch Ausdehnung des Arbeitstages oder durch Entwicklung der Produktivität, größere Spannung der Arbeitskraft etc.; daß also das System der Lohnarbeit ein System der Sklaverei, und zwar einer Sklaverei ist, die im selben Maß härter wird, wie sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit entwickeln, ob nun der Arbeiter bessere oder schlechtere Zahlung empfange.

Letztendlich geht es um MORAL: der Kapitalismus ist unmoralisch und die Arbeiter sollen sich einer moralischen Mission unterwerfen. Moral ist der Kern des Marxismus. Marxismus ist Frömmelei und das auf eine theoretisch fast undurchschaubare Weise. Sie wird aber unmittelbar sichtbar im moralistischen Affekt, der wirklich alle Marxisten auszeichnet und einem sofort ins Auge springt. Pfaffen der allerübelsten Sorte! Oder mit Stirner: unsere vermeintlichen „Atheisten“ sind fromme Leute!

Nachtrag zu Orgonometrie (Teil 2): Kapitel 3.e.: Die Marxsche Arbeitswertlehre als Emotionelle Pest (Teil 1)

15. Januar 2016

Wie bereits ausgeführt geht die Arbeitswerttheorie davon aus, daß der Wert einer Ware durch die menschliche Arbeitskraft bestimmt wird, die in ihr verausgabt wurde. Die Arbeitskraft wird in durchschnittlicher gesellschaftlicher Arbeitszeit gemessen. „Wert“ ist demnach „geronnene“ menschliche Arbeitskraft, sozusagen zu Materie gewordene „Arbeitsenergie“, die sich verselbstständigt und sich schließlich in Gestalt der kapitalistischen Ausbeutung gegen ihren eigenen Ursprung wendet, den lebendigen Menschen. Es ist nur allzu offensichtsichtlich, warum Reich von diesem Gedankengebäude so fasziniert war!

In seiner Kritik der Marxschen Wertlehre (Hamburg 1972) schreibt dazu der Philosoph Werner Becker:

Der Marxsche Ausdruck der „vergegenständlichten“ bzw. „materialisierten“ bzw. „geronnenen“ Arbeit ist deshalb insofern mißverständlich (…), als die Wertlehre die Arbeitszeit zur Grundlage der Wertmessung macht. Die Arbeitszeit aber ist selbstverständlich nicht in das Produkt der Arbeit „materialisiert“ bzw. „vergegenständlicht“. Es wäre Unsinn, so etwas zu behaupten, denn Zeit ist dasjenige, was im Arbeitsprozeß wie in jedem an die Zeit geknüpften Vorgang in dieser Welt unwiederholbar vergeht und verschwindet. Mit anderen Worten: Gerade die Zeitspanne, die es kostet, einen Gegenstand herzustellen, ist nicht in dem Gegenstand „vergegenständlicht“.

Auf den mystischen Anteil dieses mechano-mystischen Konzepts werde ich gleich eingehen.

Die Ware und ihr Wert läßt sich einfach nicht begreifen, wenn man sie vom Gesamtkomplex, d.h. vom konkreten Marktgeschehen abstrahiert und so groteskerweise glaubt, die verkehrte Welt, den „Fetischcharakter“ der Ware, überwunden zu haben. Tatsächlich hat man die Wirklichkeit nur zurechtgestutzt. Als Marx sich wirklich mal hinreißen ließ, etwas über die Alternative zum Kapitalismus zu schreiben, trat denn auch sofort jene auf einem mittelalterlichen Niveau reorganisierte Gesellschaft zutage, die seiner Theorie entsprach.

Im Kapital meint Marx zur Rolle der Arbeitszeit in einer solchen sozialistischen Gesellschaft, daß diese eine „doppelte Rolle“ spielen werde:

Ihre gesellschaftlich planmäßige (!) Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiedenen Arbeitsfunktionen zu den verschiedenen Bedürfnissen. Andererseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts.

Also nicht die Bedürfnisse, sondern ein bürokratischer Plan „regeln“ die Investierung der rein quantitativ gefaßten Arbeitskraft.

Zeugt dies von Hochachtung oder vielmehr Verachtung für die Arbeit? Denn Arbeit und Leistung werden doch nur bestraft, wenn nach diesem System verteilt wird! Der Faule langsam arbeitende bekommt nämlich genauso viel wie der Fleißige. Und wie soll man in einem solchen System überhaupt qualitativ hochstehende Arbeit mit schlechter vergleichen? Dies geht alles nicht ohne Markt, den der Superökonom Marx als Grundübel („Fetischismus“) abschaffen will! Als Konsument wird der geheilte Fetischist gleich doppelt gepiesackt: einerseits vom Plan und andererseits von der miesen Qualität der Waren. Folge ist die absolute Blockierung der Gesellschaft, denn wer so als Konsument behandelt wird, hat erst recht keine Lust mehr zur Produktion. Und dann setzt Marx noch eins drauf und schafft das Geld ab: Exitus der Gesellschaft. (Es läßt sich zeigen, daß im gegenwärtigen angeblichen „Kapitalismus“ untergründig genau das gleiche Szenario abläuft!)

Mit „Fetischcharakter der Waren“ meint Marx, daß die Ware als Ding (Gebrauchswert), ihre gesellschaftliche Wertbestimmung durch die abstrakte gleichartige menschliche Arbeit (also einem gesellschaftlichen Verhältnis) verschleiert:

Das Geheimnisvolle der Warenform besteht (…) darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst (…) zurückspiegelt (…).

Erst im Sozialismus wird demnach die Welt wieder vom Kopf auf die Füße gestellt und der Arbeitswert sozusagen pur verteilt, ohne daß er erst in der angeblich mystischen „Warenwelt“ sein unheilvolles Unwesen treibt.

Nun ist es aber leider so, daß Marx nicht etwa die Menschen vom Wahn befreit, sondern im Gegenteil seinem mystischen Wahn verfallen läßt. Denn Marx‘ Welt der „durchschnittlichen gesellschaftlichen abstrakten allgemeinen normierten gleichartigen Gesamtarbeit“ ist eine falsche Welt, die er in die wahre Welt des Warenmarktes quasi theologisch hineininterpretiert und ihr dann „revolutionär“ aufzwingen will!

Tatsächlich steht Marx dabei in der Tradition der Scholastik, denn seine Arbeitswertlehre kann über Adam Smith bis auf Aristoteles zurückverfolgt werden. Originell ist nur, daß er sie auf die äußerste Spitze getrieben und so vollends zu einer mystischen Absurdität gemacht hat. Becker kritisiert an diesem Konzept, daß sie eine „metaphysische Realität“ jenseits der Warenwelt postuliert, die „empirisch so wenig vorzeigbar (ist), wie etwa der christliche Gott. Sie ist ein pures Glaubensprodukt“ (Die Achillesferse des Marxismus, Hamburg 1974).

Und tatsächlich sind die aristotelischen Quellen der Arbeitswertlehre mit denen der katholischen „Transsubstantiationslehre“ identisch, nach der sich Brot und Wein durch den Segen des Priesters in Leib und Blut Christi verwandeln, also ihr Wesen verändern, ohne daß man von außen irgendeinen Unterschied feststellen kann. In der Hostie steckt Christus auf die gleiche geheimnisvolle Weise wie die „gesellschaftliche Arbeitszeit“ in der Ware. (Dieser schwer zu durchschauende mystische, quasi „ätherisch-lebensenergetische“ Aspekt des Marxismus macht es, wie erwähnt, verständlich, warum ausgerechnet Reich auf den hanebüchenen Unsinn der Arbeitswertlehre hereingefallen ist.)

Marx‘ Welt ist eine kontaktlose Welt, eine mystische, ungreifbare Welt „im Spiegel“.

Bei Marx handelt es sich beim Tauschwert einer Ware um das Verhältnis des in Zeitmaßen seiner verausgabten Arbeitskraft gefaßten Abstraktums eines Produzenten zur abstrakten Gesamtarbeit gespiegelt im Verhältnis von Dingen. Für die Orgonomie ist der Tauschwert eine konkrete Funktion des orgonotischen Kontakts des Bedürfnisses mit dem Arbeitsprodukt bzw. des Konsumenten mit dem Produzenten. Also ein „ungespiegeltes“ bioenergetisches Verhältnis: die Dinge haben schlicht den Wert, den man ihnen beimißt. Letztendlich ist der Wert, ähnlich wie in der Liebe (Genitale Umarmung), eine Funktion der kosmischen Überlagerung und orgonotischen Erstrahlung. Der Mechano-Mystiker Marx geheimnist in dieses einfache biologische Geschehen etwas hinein – um dann eine Rechtfertigung für dessen Zerstörung zu haben (ähnlich wie der Katholik etwas „Geistiges“ in die Sexualität hineingeheimnist, um sie dann im Namen der „Liebe“ abzuwürgen).

Das Schlimme am Marxismus ist, daß er sich im Namen des Wahren, Konkreten und Lebendigen gegen den „Fetischcharakter der Ware“ wendet, sich in Wirklichkeit aber damit gegen das Wahre, Konkrete und Lebendige richtet: die kosmischen Funktionen der Orgonenergie Überlagerung und Erstrahlung. Marx wendet sich so nicht weniger als der Vernichtung der Orgonenergie selbst zu. Der Marxismus ist dergestalt so etwas wie die „Radioaktivität“ auf dem sozialen Schauplatz!

Die Attacke auf das Lebendige wird durch die Aufhebung der folgenden zwei „Widersprüche“ gerechtfertigt:

  1. der zwischen der gesellschaftlichen abstrakten genormten Arbeit als wahrem Bewertungsmaß und ihrer falschen „privat-gebrauchswertigen“ Hülle als bewertetes Objekt; und
  2. der Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen Produktion und der privaten Aneignung des Mehrwerts.

Die besagte Attacke ist bereits in der Postulierung dieser Widersprüche enthalten, die eben nur unter der Voraussetzung der theoretischen Abtötung der lebendigen Arbeit herleitbar sind. Deshalb ist es ja so widersinnig, wenn ausgerechnet Marx von einem Gegensatz zwischen „lebendiger Arbeit“ und „totem Kapital“ spricht. In Wirklichkeit besteht nur ein Widerspruch zwischen Marx und dem Lebendigen.