Archive for 3. November 2023

LSR ist die letzte und endgültige, die einzig wichtige Wahrheit!

3. November 2023

L

LaMettrie beanspruchte Priorität nur für seine Lehre von den Schuldgefühlen, „und da kein Philosoph zu diesem Thema etwas beigetragen hat, kann mir diesen bescheidenen Erfinderruhm auch keiner nehmen“ (Anti-Seneca, S. 11).

„Um die Schuldgefühle, diese Plage der menschlichen Gattung, zu beseitigen, genügt es, ihr Wesen genau darzulegen. Man wird sehen, daß es durchaus von Vorteil ist und nicht viel Aufwand erfordert, die Gesellschaft von einer Bürde zu befreien, die schwer auf ihr lastet; daß die Tugenden, die durch die Institutionen der Gesellschaft garantiert werden, für deren Bestand, Sicherheit und Wohlergehen vollkommen ausreichen; daß es nur eine Wahrheit gibt, die zu kennen für die Menschen von Bedeutung ist, eine Wahrheit, der gegenüber all die anderen Wahrheiten Lappalien sind, mehr oder weniger verzwickte Gedankenspielereien“ (ebd., S. 22).

„Begeben wir uns zurück in unsere frühe Kindheit (…) und wir befinden uns dort, wo das Schuldgefühl entsteht. (…) Schuldgefühle sind (…) nichts anderes als unangenehme Reminiszenzen (…). Sie sind, wenn man so will, alte Prägungen (…) (ebd., S. 53f). Schuldgefühle, diese „Henker“, diese „bitteren Früchte“, „die auf dem Baum der Erziehung, nie jedoch auf dem der Natur, gewachsen sind“ (Philosophie und Politik, S. 101).

S

„Die Macht der Worte folgt“, so Stirner, „auf die der Dinge: erst wird man durch die Rute bezwungen, hernach durch Überzeugung.“ (Der Einzige und sein Eigentum, reclam, S. 390).

„[I]n der Furcht bleibt immer noch der Versuch, sich vom Gefürchteten zu befreien durch List, Betrug, Pfiffe usw. Dagegen ist’s in der Ehrfurcht ganz anders. Hier wird nicht bloß gefürchtet, sondern auch geehrt: das Gefürchtete ist zu einer innerlichen Macht geworden, der Ich Mich nicht mehr entziehen kann; Ich ehre dasselbe, bin davon eingenommen, ihm zugetan und angehörig: durch die Ehre, welche Ich ihm zolle, bin Ich vollständig in seiner Gewalt, und versuche die Befreiung nicht einmal mehr. (…) Ich und das Gefürchtete sind Eins: ‚nicht Ich lebe, sondern das Respektierte lebt in Mir!‘“ (ebd., S. 78).

R

Bernd A. Laska in einem lexikalischen Eintrag zu Reich: „Der fundamentale Gegensatz zwischen Freud und Reich kann mit den weithin geläufigen Freudschen Begriffen Es, Ich und Über-Ich pointiert dargestellt werden. Freud faßte sein Programm in die bekannte Sentenz: ‚Wo Es war, soll Ich werden.‘ Das Über-Ich, das er für die Grundbedingung menschlicher Kulturfähigkeit hielt, blieb unangetastet. Reich hingegen sah im Über-Ich ein evolutionär zu überwindendes Kulturhindernis. In Freudscher Terminologie lautete sein Programm: ‚Wo Über-Ich war, soll Ich werden‘. Die Bildung des Über-Ich bei der Enkulturation des Kindes sah Reich ‚funktionell identisch‘ mit der Entstehung einer psychisch und somatisch objektivierbaren ‚charakterlichen Panzerung‘, verbunden mit ‚orgastischer Impotenz‘. Nach Reich ist das introjizierte Über-Ich, obwohl vom Individuum als sein Ureigenstes (Identität, Werthaltungen) empfunden, der Inbegriff von Heteronomie, die letzte Instanz, die den wirklichen ‚Ausgang des Menschen aus seiner Unmündigkeit‘ verhindert“ (Neue Deutsche Biographie, 2003).