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Thomas Gast und Hermann Schmitz (eine Ergänzung zu „Pornosophie oder: Die Unfähigkeit etwas zu Ende zu denken“)

6. Oktober 2023

Das ist nicht nur eine Ergänzung zum gestrigen Blogeintrag, sondern auch eine zu Thomas Gast.

Ich habe mich immer gefragt, warum ich eigentlich Thomas Gast-Videos anschaue, obwohl mich das jeweilige Thema meist vollkommen kalt läßt und er nicht so „intellektuell“ (verkopft!) ist wie ich. Da wäre als Erklärung das Thema meiner persönliches Haß-Liebe-Trauma mit dem Militär, aber jetzt, als ich seine Reise nach Guayana verfolgte, ist mir bei einer Szene (ausgerechnet bei „Gast putzt sich die Zähne im Boot“) plötzlich der wahre Grund für mein persönliches „Faszinosum Thomas Gast“ aufgegangen: er kennt keinen Zynismus und, vor allem, er ist vollkommen frei von Ironie, d.h. einer meiner zahlreichen Charakterfehler.

Als Exmilitär und von seiner ganzen unmittelbaren Art her verkörpert er das Gegenteil dessen, was ich an mir selbst verabscheue.

Ironie ist Distanz. „Ist es nicht ironisch, daß jetzt ausgerechnet das eintritt?“ Womit wir sagen wollen, daß das Leben nur Theater ist und es zu einer „Deus ex machina“ kommt – eine Gottheit mit Hilfe einer Bühnenmaschinerie auftaucht, wenn der Autor bzw. Regisseur sich beim Entwirren des Handlungsfadens sonst nicht mehr zu behelfen weiß. Doch das Leben ist kein Spiel und wenn wir das Leben nicht leben, nicht „funktionell leben“, wird im realen Leben keine „Gottheit“ auftauchen, um uns den Arsch zu retten!

Wenn wir ironisch werden, werden wir selbst zum Schauspieler, der affektiert das eine sagt („Du bist aber schlau!“) und dabei das andere kommuniziert („Du bist saublöd!“).

Was fehlt ist der Ernst, die Konsequenz, die Unmittelbarkeit, die organische Entfaltung. Stattdessen sitzen wir sozusagen am Rande der Welt und wahren Distanz. Wir können, frei nach dem Philosophen Hermann Schmitz, „ironistisch“ jeden Standpunkt einnehmen und uns von jedem Standpunkt ebensogut auch wieder distanzieren, weil wir nicht wirklich in der Welt involviert sind. Am „Ironismus“ erkrankt, kann uns nichts wirklich für sich vereinnahmen, genauso wie umgekehrt wir uns für bzw. an nichts ganz hingeben.

In der Orgontherapie geht es um nichts anderes: die Distanz überwinden, es geschehen lassen, funktionell leben, orgastische Potenz.