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Orgonomie und Metaphysik (Teil 36)

22. Februar 2022

Religiöse Vorstellungen sind weder irrelevant, noch einfach nur nichtig, sie können sogar eine mehr oder weniger notwendige Stimulans für das lebendige Leben sein, doch leider Gottes besteht ihr gegenwärtiges Wirken ganz im Gegenteil in der Behinderung des Lebens. Es ist wie mit dem kosmischen Orgonenergie-Ozean, der sich in uns sozusagen „selbstverwirklicht“, was sich ins Gegenteil verkehrt, wenn wir z.B. über KKWs ORANUR-produzierend auf ihn rückwirken. Genauso wie wir im kosmischen Rahmen, haben die Religionen im biosozialen Rahmen in ihrer rationalen Funktion versagt. Es war die Funktion der Aufklärung die Integrität des Lebens gegen die zerstörerische Einflußnahme der „höheren Welten“ zu verteidigen und in Fortführung von Nietzsches „Kunst des Zweifels“ und der Freudschen Psychoanalyse ist Reichs Orgonomie der Höhepunkt dieser kostbaren europäischen Tradition der Vernunft, die wir unter allen Umständen verteidigen müssen. Ziel der Sexualökonomie war es immer, den Gottesglauben mit der Wurzel aus der menschlichen Seele zu reißen. Nur so wäre beispielsweise im Nahen Osten Frieden möglich. Ecrasez l’Infame!

Wenn da nicht ein ganz entscheidendes Handikap wäre: wie Nietzsche sagt, haben wir zuwenig Religion, um die Religion zu vernichten (Nachgelassene Fragmente 1875-1879, KRITISCHE STUDIENAUSGABE, Bd. 8, S. 344). Wir glauben einfach zu wenig an das Leben, als daß wir z.B. dem todessüchtigen Glaubenseifer der Moslems auch nur irgendetwas entgegenhalten könnten. Wie will man gegen Feinde kämpfen, die den Tod verachten? Immerhin hat eine orientalische Horde von schwachsinnigen religiösen Fanatikern es fertiggebracht, die antike Welt zu vernichten. Das gleiche könnte auch dem heutigen Europa widerfahren.

Das lebendige Orgonom ist durch den Widerspruch zwischen seiner „gefrorenen“ Struktur und der beweglichen, freien organismischen Orgonenergie gekennzeichnet, die nach „Befreiung“ drängt.

https://www.youtube.com/watch?v=4bj6SqgT4SQ

Reich spricht vom „Gefühl von etwas getrennt zu sein“, das bei sensiblen, gesunden Menschen auftritt. Reich:

Es drückt sich am klarsten im Schmerz aus, in der schmerzlichen Pein vom Liebsten getrennt zu sein, ob es das Kind, die Frau, der Ehemann ist; mit einem Verlangen wieder vereint zu sein, wieder zusammen zu sein, wieder den Kontakt zu spüren. Aber ich denke, daß diese Liebeserfahrung eine der Funktionen, eine der Variationen einer viel tieferen Sache ist. Irgendwie kommst du zu solchen Gedanken in sehr stillen Nächten, ohne Geräusche in der Umgebung außer dem Wind; Gedanken darüber, vom kosmischen Orgon-Ozean getrennt zu sein, sozusagen abgesondert zu sein. Und das, was sie Nirwana nennen oder kosmisches Verlangen, all dies scheint der tiefste Ausdruck eines sehr tiefen Wunsches oder einer Tendenz zu sein („Wunsch“ ist zu psychologistisch, um dies zu beschreiben), zum kosmischen Orgon-Ozean zurückzukehren. Und hier hatte Freud irgendwie Recht mit seinem Todestrieb, aber er wußte es nicht. Und keiner wußte es zu jener Zeit. Die innige Rückkehr, die als Rückkehr zur Gebärmutter beschrieben wurde, die Rückkehr zu den Müttern in den alten griechischen Mythensammlungen, die Rückkehr zum Orgon-Ozean. Dieses Verlangen ist nicht so schmerzhaft, wenn du dich in einer funktionierenden, guten Liebesbeziehung befindest oder wenn du ein Kind hast, das du liebst, und so weiter. Es kann dort befriedigt werden. („Man’s Roots in Nature“. Orgonomic Functionalism Vol. 2, 1990, S. 68)

Die Sehnsucht nach Transzendenz, der Drang das Energetische, das „Feinstoffliche“, den „Geist“ von den Banden des Körpers zu befreien, scheint also eine natürliche Bestrebung zu sein, die durch die Panzerung in seiner Dringlichkeit nur verstärkt wird. Entsprechend ist die Religion des gepanzerten, orgastisch impotenten Menschen nach dem Muster einer masochistischen Perversion gestaltet: monotone Riten, Zwangshandlungen, Geißelungen, Todessehnsucht. Man könnte deshalb den Tod als einen „finalen Orgasmus“ betrachten, bezeichnen doch die Franzosen den Orgasmus als „den kleinen Tod“.

Ist die Abwehr des Todes vielleicht so etwas wie Hingabeunfähigkeit? Von alters her galt sexuelle Enthaltsamkeit als Garant für ein langes Leben. Zum Beispiel glauben die Chinesen, daß mit jeder Ejakulation der Mann einen Teil seiner Lebenszeit verliert. Das ist natürlich vollkommener Unsinn. Reich hat gesagt, daß „Todes- und Sterbensangst identisch mit unbewußter Orgasmusangst ist“ (Die Funktion des Orgasmus, Fischer TB, S. 119).

Aus der Vegetotherapie ist bekannt, daß sich orgastische Empfindungen unter dem Druck der Orgasmusangst als Sterbensangst äußern: „Sterben“ im Sinne von Zergehen, Zerfließen, Bewußtseinverlieren, Sich-Auflösen, „Nichtsein“! (Der Krebs, Fischer TB, S. 199)

Hermann Hesse hatte 1919 diese Zusammenhänge in seiner Erzählung Klein und Wagner beschrieben. Alle Ängste einschließlich der Todesangst „waren nur Masken und Verkleidungen. In Wirklichkeit gab es nur eines, vor dem man Angst hatte: das Sichfallenlassen“. Und Edgar Allan Poe hat sehr schön dargestellt, daß der Schrecken gerade darin bestehen kann, nicht sterben zu können, sondern wie ein „Untoter“ unerlöst im Leben festzusitzen. Siehe auch den christlichen Ahasver-Mythos, den „Fliegenden Holländer“ oder den Film Highlander.

Bei der sadomasochistischen Todessehnsucht nach dem „orgastischen Paradies“ kann man auch an das japanische Harakiri denken (siehe Charakteranalyse  und Die Funktion des Orgasmus). Der Tod des englischen Politikers Stephen Milligan 1994 war dergestalt wohl ein Ergebnis echter spiritueller Bestrebungen: Über seinen Kopf war eine Plastiktüte gestülpt, um seinen Hals war ein Stromkabel gewickelt und in seinem Mund steckte eine geschälte Apfelsine, in der sich eine Drogenkapsel befand. Diese Teilstrangulierung bis an die Grenze des Exitus soll zu einem ganz außergewöhnlich starken Orgasmuserlebnis führen. In Klöstern passiert nichts anderes, wenn auch mit anderen Mitteln. Mönche tragen keine Strapse wie englische Politiker.

Roger Cormans HOUSE OF USHER

29. November 2012

Richard Matheson schrieb 1954 den Roman I am Legend, aus dem 1971 schließlich der Film The Omega Man wurde. Die Vorlage ist vollkommen uninteressant, während der Film voller orgonomischer Bedeutsamkeit ist. Ich habe das in Verfilmungen von Reichs Buch CHRISTUSMORD erläutert.

Bei Roger Cormans 1960 gedrehten Film House of Usher ist es ähnlich. Edgar Allan Poes gleichnamige Kurzgeschichte, die dem Film zugrundeliegt, ist vollständig ohne Interesse, während das von Matheson verfaßte Drehbuch zumindest an einer Stelle voller orgonomischer Bedeutsamkeit ist.

Es geht in dem Film um nur vier Personen: Philip Winthrop, der sich in Madeline Usher verliebt hat und sie überraschend besucht, um sie zu heiraten; deren Bruder Roderick und den Hausdiener, der die beiden kränklichen Geschwister im uralten, langsam zerfallenden Haus der Ushers betreut. Roderick Usher beschreibt seinem Gast das Haus der Ushers:

Letzte Nacht fragten Sie mich nach der einzigartigen Trockenheit des Landes, das dieses Haus umgibt. Einst war dieses Land fruchtbar und war voller Farmen. Die Erdkrume lieferte ihren Reichtum zur Erntezeit. Es gab Bäume und Pflanzen, Blumen, Kornfelder. Es gab große Schönheit hier. Damals war dieses Wasser klar und frisch. Schwäne glitten auf seine Kristalloberfläche. Tiere kamen zu seinem Ufer, vertrauensvoll, um zu trinken. Aber das war lange vor meiner Zeit. (…) Und dann kroch etwas über das Land und verdunkelte es. Die Bäume verloren ihre Blätter. Die Blumen welkten und starben. Sträucher wurden braun und welk. Die Getreidefelder gingen zugrunde. Und die Seen und Teiche wurden schwarz und still. Und das Land verdorrte wie im Angesicht einer Pest. (…) Eine Plage des Bösen. Anthony Usher: Dieb, Wucherer, Händler mit Menschenfleisch. Bernard Usher: Betrüger, Fälscher, Juwelendieb, Drogenabhängiger. Francis Usher: professioneller Attentäter. Vivian Usher: Erpresserin, Hure, Mörderin. Sie starb in einem Irrenhaus. Kapitän David Usher: Schmuggler, Sklavenhändler, Massenmörder. (…) Dieses Haus ist Jahrhunderte alt. (…) Und alles Böse ist in seinen Steinen verwurzelt. (…) Das Böse ist nicht nur ein Wort. Es ist Realität. Es kann erschaffen werden wie ein Lebewesen und es wurde von diesen Menschen geschaffen. (…) Seit Hunderten von Jahren wurden gemeine Gedanken und üble Taten in seinen Mauern ausgeheckt. Das Haus selbst ist jetzt böse.

Reich hatte das in seinem Aufsatz „DOR-Beseitigung und Wetterbeeinflussung“ 1952 wie folgt beschrieben:

Stille und Öde breiten sich über die Landschaft, wobei das betroffene Gebiet von der nicht in Mitleidenschaft gezogenen Umgebung deutlich abgegrenzt ist. Die Stille drückt sich darin aus, daß alles Leben in der Atmosphäre zu sterben scheint. Die Vögel hören auf zu singen, die Frösche hören auf zu quaken. Man hört kein Geräusch des Lebens. Vögel fliegen tief und verstecken sich in den Bäumen. Die Tiere kriechen viel langsamer als sonst am Boden hin, und die Blätter und die grünen Nadeln der Bäume sehen sehr „traurig“ aus; sie hängen herab und verlieren ihre innere Spannung und die Fähigkeit, sich wieder aufzurichten. Alles Leuchten und aller Glanz verschwindet von den Seen und aus der Luft. Die Bäume sehen schwarz aus, als ob sie abstürben. Man hat tatsächlich den Eindruck von Schwärze oder besser von Öde. (Ausgewählte Schriften, S. 451)

Die grüne Farbe der Bäume und Wiesen verschwindet von den Bergen. Alles sieht schwarz und matt aus. Der fehlende Glanz läßt sich durch eine Verminderung der orgonotischen Pulsation und des Orgon-Metabolismus in Pflanzen und Tieren erklären. Dies scheint dadurch bestätigt, daß an der Oberfläche von Seen die orgonotische Pulsation ebenfalls aufhört. Das Wasser wird ruhig und regungslos. (ebd.)

Über die Einheit von äußerer und innerer Wüste, die beide von abgestandener, abgestorbener, giftiger Orgonenergie (DOR) geprägt sind, schreibt Reich in „Die emotionale Wüste“ (1955):

Die ständige Gegenwart des Todes (der DOR-Atmosphäre) und das allgegenwärtige dumpfe Gefühl des unvermeidlichen Endes kennzeichnen das Leben in der Wüste wie das Lebensgefühl des gepanzerten Menschen. Die Erstarrung des Gefühlslebens, Dehydration der Gewebe, die mit aufgedunsenen Schwellungen und schlaffen, verfetteten Muskeln oder einer Neigung zu Ödemen oder Ödeme verursachenden Erkrankungen alterniert, der Alkoholismus, der das, was noch von einem ursprünglichen Lebensgefühl übriggeblieben ist, stimulieren soll, Verbrechen und Psychosen und die letzten Zuckungen eines sinnlosen, frustrierten, malträtierten Lebens sind nur einige Folgen der emotionalen Wüste. (ebd., S. 478)

Es ist eine Beschreibung der Ushers und ihres Verhaltens bis zum tragischen Ende.

Die „Schwärzung von Gesteins“, d.h. den „kanzerösen Zerfall“ von ganzen Gebäuden, die Reich erstmals auf Orgonon beobachtete, habe ich an anderer Stelle beschrieben.

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