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Kann es orgonomische Politik geben?

27. Dezember 2013

Mir wurde von amerikanischen linken „Reichianern“ (die Marx, Marcuse und anderen Murx hochhalten) vorgehalten, wie verlogen doch Konia & Co. seien, die diesen „Reichianern“ eine Politisierung der Orgonomie vorwerfen, während gerade diese Orgonomen selbst weit mehr politisch agitieren, wenn auch extrem rechtskonservativ. Wie kann es sein, daß, wenn man für Obama ist, als „Anti-Orgonom“ dasteht, während ein ausgesprochener Obama-Gegner und Tea-Party-Aktivist den Mantel Wilhelm Reichs überstreifen kann?

War Reich nicht selbst Sozialist?! Was ist mit seinen gesellschaftspolitischen Forderungen und Aktivitäten Ende der 1920er bis Mitte der 1930er Jahre?! Nun, Reich ging es um die Freilegung der Wechselwirkung zwischen Charakterstruktur und Gesellschaft. Er erkannte, daß Gesellschaftspolitik nicht etwa Ausdruck konkreter soziopolitischer Erfordernisse ist, sondern charakterstruktureller Zwänge. An die Stelle der Gesellschaftspolitik tritt entsprechend die Arbeitsdemokratie, d.h. die Absage an jedwede Ideologie – d.h. die Überwindung jedes charakterstrukturellen Zwanges. Hat aber nicht Reich Politik ohne wenn und aber überhaupt abgelehnt?!

Das Problem mit dieser Argumentation ist, daß mit dem Begriff „Politik“, zwei gegensätzliche, sich wechselweise sogar ausschließende Gegebenheiten bezeichnet werden. Wenn Konservative von „Politik“ sprechen, dann meinen sie Staatskunst, Diplomatie, Schutz von Besitz und Familie und nicht zuletzt eine staatliche Haushaltsführung, bei der am Ende die Bilanz bei plus minus Null steht, also weder die gegenwärtige noch zukünftige Generationen durch Überschüsse bzw. Schulden ausgebeutet werden. Wenn Linke von Politik reden, dann meinen sie GESELLSCHAFTSpolitik, d.h. Veränderung der Gesellschaft durch staatliche Interventionen, Regulierung der Wirtschaft, „Umverteilung“ und eine von oben organisierte Umgestaltung der Familienstrukturen. Neuerdings sogar die Aufhebung der Staatsgrenze und Umvolkung, also die biologische Ausmerzung des Souveräns.

Man mag einwenden, daß „Konservative“ heutzutage doch genau dasselbe tun, aber erstens passen sich diese dem „Zeitgeist“ an, um politisch zu überleben, und wenn sie doch tatsächlich konservative Gesellschaftspolitik betreiben, dann ist das eine Abwehrreaktion, die ihnen von den Linken aufgezwungen wurde.

Jedes Zusammenleben in größeren Gruppen braucht so etwas wie einen Staat und damit Politik, d.h. die Auseinandersetzung wie dieser Staat konkret funktionieren soll. Dazu müssen Allianzen geschlossen, Kompromisse eingegangen, ein Geflecht von Verpflichtungen geknüpft werden. Das kann man bereits in jeder Schimpansenhorde beobachten. In Rudimenten bei allen Herdentieren. Der Unterschied zur Gesellschaftspolitik ist, daß genuin politische Entscheidungen selten und nur punktuell getroffen werden müssen.

Die Staatskunst kann irrational sein, ist es sogar meistens auch („Seilschaften“), aber sie ist nicht prinzipiell irrational. Man nehme ein denkbar einfaches Beispiel: die Spartaner. Es mußte entschieden werden, ob sie sich dem persischen Großreich widersetzten oder sich unterwerfen und hoffen, sich einordnen zu dürfen. Das ist Politik: Gemeinschaften müssen handlungsfähig sein, sozusagen als „juristische Person“ mit einem Ziel und einem Willen auftreten, oder sie können nicht überleben.

Irrational und zwar prinzipiell irrational wird es, wenn eine gesellschaftspolitische Agenda ins Spiel kommt. Man nehme etwa die ach so demokratische Mitgliederbefragung der SPD zur Großen Koalition. Frägt man Parteimitglieder, geht es meist um irgendwelche unsinnigen, wenn nicht destruktiven ideologischen Wunschträume: Gleichstellung homosexueller Paare, doppelte Staatsbürgerschaft, höhere Renten und Mindestlohn. Das sind durchweg keine politischen, sondern gesellschaftspolitische Fragen. Es sind keine Fragen des Überlebens, sondern es ist durchweg der pure Schwachsinn, etwa die Rechtschreibreform und ähnlicher destruktiver – Schwachsinn.

Das Fatale ist, daß es sich hier um sogenannte „Sachthemen“ handelt, also das ganze einen rationalen Anstrich hat, während es sich bei der drögen Staatskunst meist um „Personalfragen“ dreht, was einen extrem irrationalen Gout hat. Tatsächlich geht es aber um den alles entscheidenden Charakter der Entscheidungsträger. Die „Sachfragen“ beantworten sich sowieso meist von selbst. Wirkliche politische Weichenstellungen sind, wie gesagt, eher selten zu treffen. Immer wenn grußspurig davon die Rede ist, daß es um „Sachthemen“, nicht um „Personalfragen“, gehen soll, denkt der tumbe „Reichianer“ an „Arbeitsdemokratie“, tatsächlich erhebt aber ihr diametrales Gegenteil ihr häßliches Haupt: die Emotionelle Pest!

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