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David Holbrook, M.D.: FREIHEIT IST SELBSTREGULATION

6. Dezember 2019

 

DAVID HOLBROOK, M.D.:

 

Freiheit ist Selbstregulation

 

KINDER DER ZUKUNFT: Gesundheit und sexuelle Lebensfreude (Teil 1)

11. März 2018

So war das „Kapitel“ mit dem Titel „Die sexuellen Rechte der Jugend“ ursprünglich überschrieben. Im Original fängt diese Schrift mit – „Diese Schrift…“ an, im fiktiven „Reich-Buch“ Children of the Future mit „Die folgenden Seiten…“. So wird aus einer losen Sammlung von Aufsätzen ein „Buch“ herbeimanipuliert!

Wir wissen, wann Reich das Manuskript von 1932 (das  er wahrscheinlich 1930 geschrieben hatte) umgestaltete. Reich:

Ich hatte schon bei der Neubearbeitung meines Jugendbuches [gemeint ist Der sexuelle Kamp der Jugend] 1938 festgestellt, daß jedes sexualökonomische Wort seine Bedeutung nach 8 Jahren beibehalten, daß aber jedes Parteischlagwort, das ich in das Buch hineingenommen hatte, sinnlos geworden war. (Die Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 20)

Wenn ich das aus dem Manuskript richtig entschlüsseln kann, arbeitete 1938 mit einer Schere, mit der er manche Passagen ganz entfernte und manche mit maschinengeschriebenen neuem Material ersetzte, indem er Zettel in das Manuskript hineinklebte. Möglicherweise nahm er dann 1942, als er das Vorwort zur geplanten amerikanischen Neuauflage von Die Massenpsychologie des Faschismus schrieb und aus diesem Anlaß erneut das Manuskript zur Hand nahm, Streichungen im Manuskript vor, um nicht nur „Parteischlagworte“ der KP, sondern generell sozialistische Elemente („kapitalistisch“, „proletarisch“, „bürgerlich“) zu streichen. Andererseits kann ich nicht recht nachvollziehen, warum er  gleich am Anfang folgendes durchgestrichen haben soll: „Wir ziehen Folgerungen, denen man sonst beharrlich ausweicht. Der Jugendliche, der dieses Buch zur Hand nimmt, will wissen…“

Ziemlich sicher bin ich, daß eine dritte Bearbeitungsebene von den amerikanischen Herausgebern der 1983 erschienenen Children of the Future stammt, Chester M. Raphael und Mary Boyd Higgins. Es wurden im Manuskript Passagen mit einem Stift eingekreist und mit einem „Häkchen“ oder einem „Kringel“ versehen, die letzteren Passagen wurden dann in Children of the Future nicht veröffentlicht. Auch werden beispielsweise eingekreiste Passagen im Text an eine andere Stelle verschoben.

Die meisten „Kringel“ lassen sich durchaus rechtfertigen, denn dort geht es meist um Kapitalismuskritik und Zeitgebundenes, während andere „Kringel“ nicht nachvollziehbar sind. Aber ohnehin: Wie kann man auch nur ein einziges Komma bei Reich wegzensieren?! Manchmal wurden auch größere  Passagen mit einem großen „X“ gestrichen, darunter auch spätere maschinenschriftliche Zusätze Reichs. War das Reich selbst, der vielleicht 1942 diese Streichungen vornahm, oder waren es gar die Herausgeber? Wohl eher die letzteren, wie wir gleich sehen werden!

Nehmen wir das erste Beispiel: Warum wurden folgende Sätze aus dem Jahre 1932, von wem auch immer, aus der „Vorbemerkung“ gestrichen?

Und die Behörden geben vor, die Jugend vor sexueller Verderbnis zu schützen, indem sie nach wie vor die sexuelle Unwissenheit der Jugendlichen unter 18 Jahren mit allen Mitteln verteidigen. Und in Wirklichkeit?

Ein paar Absätze später heißt es im Originalmanuskript:

Die zentrale Frage der Jugend ist die des Geschlechtsverkehrs im jugendlichen Alter und der Stellung des Staates und seiner Behörden dazu.

Im Manuskript wurde das Wort „Staates“ eingekringelt. In Children of the Future wurde dieser Begriff dann durch „society“ ersetzt, was den Satz natürlich absurd macht. Das Resultat, wie es in der deutschen Übersetzung korrekt widergegeben wird: „Die zentrale Frage dreht sich um den Geschlechtsverkehr unter Jugendlichen und die diesbezügliche Einstellung unserer Gesellschaft“ (Kinder der Zukunft, S. 150). Schön, aber – dann gebt doch bitte als Verfasser dieses „Buches“ folgende Autoren an: „Mary Boyd Higgins, Chester M. Raphael und Wilhelm Reich“!

Der letzte Absatz der Einführung (in Kinder der Zukunft, S. 151) lautet: „Die Entscheidung über die sexuellen Rechte der Jugend hat die Jugend selbst.“ Wenn ich das Manuskript richtig interpretiere, wollte Reich, daß das in „Blockquote“ gesetzt wird. Nichts davon in Children of the Future und Kinder der Zukunft. Viel später im Manuskript wird eine halbe Seite von Reichs maschinengeschriebenen Zusätzen einfach durchgestrichen, inklusive dem handschriftlichen Zusatz: „Aber das kann nur die Jugend selbst schaffen.“ – Der ganze Grundimpetus der Schrift wird unterdrückt, zumal fast durchweg durch „Kringel“ „kameradschaftlich“ durch „freundschaftlich“ ersetzt wird.

Gut, Passagen wie die, wo Reich die Jugendlichen auffordert sich „älteren Kameraden“ anzuvertrauen, stören heute:

Voraussetzung bleibt immer die Vernichtung der Geheimtuerei in der Gruppe oder Organisation. Jeder Junge und jedes Mädel müssen das sichere Gefühl bekommen, daß sie ruhig über ihre sexuellen Schwierigkeiten mit ihren Gruppengenossen sprechen können.

Aber wer gibt Raphael und Higgins das Recht, das in die Tonne zu treten?

Wer hat entschieden, das erste Kapitel von „Die sexuellen Rechte der Jugend“, Reichs Version eines „Sexualkundeunterrichts“, ganz zu streichen?