Posts Tagged ‘Soldaten’

David Holbrook, M.D.: Überlegungen und Fragen zu „Moralismus“, „Panzerung“, Geist, Körper, Physiologie, Vernunft, Gefühl und „Orgonomie“

17. Januar 2025

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Destruktive versus konstruktive soziale Bewegungen und Ideologien: einige sehr einfache Beobachtungen zu Form und Inhalt

Ein Versuch, die Bedeutung von „liebe dich selbst“ zu entschlüsseln

Psychopolitische Verlagerung

Autoritarismus und Narzißmus

Glück gegen „Interesse“?

Liebe und Grausamkeit

Über Politik als veränderter Bewußtseinszustand

„The Outpost“: Kriegsfilme, Mut, Liebe und Aufopferung

Thomas Gast

1. März 2023

Ich kann mich nicht erinnern, wie ich auf den Outdoor- und Militärexperten Thomas Gast gekommen bin. Wahrscheinlich bin ich irgendwann auf Youtube zufällig über ihn gestolpert. Warum bin ich bei ihm hängengeblieben? Erstmal, er war als „Mischling“ in der fränkischen Provinz von Anfang an Außenseiter – und ich war auch immer „draußen“. Ich kann mich noch erinnern, ich war vielleicht Fünf, als meine Mutter mich zum Tante-Emma-Laden schickte, um Mehl oder sowas zu kaufen. Vor dem Laden bin ich beim übermütigen „coolen“ Bremsen meines Fahrrades ins Schleudern gekommen und bauchlinks in eine Schlammpfütze gefallen. Bis heute kann ich mich, als ich schließlich, besudelt von meinem Schlammbad, am Verkaufstresen stand, an die Blicke der anderen Kunden erinnern – und meine abgrundtiefe Verachtung für diese Kleinbürger und Spießer. Trotz! Ihr und ICH! Immer war er da in der Schule: mein Oppositionsgeist, meine Extrawürste, mein krankhafter Eigensinn. „Peter, alle haben es so gezeichnet (oder was auch immer), nur mal wieder du….“

Seit Kindestagen fühle ich mich als „Outlaw“ nur, wie man heute so schön sagt, „outdoor“ wohl. Vor allem geht es in diesem Zusammenhang aber um einen Stachel in meinem Leben, das Militär. Ich hatte, schließlich ist man Abiturient, allen Ernstes mal eine Offizierslaufbahn in Erwägung gezogen, bin dann aber kläglich an der Bundeswehr gescheitert. Zum einen landete ich nicht bei den Jägern, sondern bei der Artellerie, was mir gar nicht zusagte. Ich sollte Fahrer werden, bis sich meine Vorgesetzten plötzlich anders entschieden. Mitten in der Grundausbildung wurde ich aus heiterem Himmel versetzt und in eine andere Kaserne gekarrt, wo man bis zum Ende der Wehrpflichtzeit nicht so recht wußte, was ich da eigentlich sollte, außer ständig Wache schieben mit scharfer Munition. Typisches Bundeswehr-Chaos. Was für ein desorganisierter Sauhaufen!

Es war eine scheiß Zeit. Und dann dieses ständige Machogetue, das mir dermaßen auf den SACK geht. Mein Helm ist zu klein für meinen Langschädel, ab ins Magazin, um einen größeren zu beschaffen. Einer dieser typischen Klappspaten wirft mir den Helm mit einer derartig wirklich unglaublichen Wucht entgegen, daß ich in Bruchteilen einer Sekunde entscheiden muß, ob ich ihn auffange und mir dabei wahrscheinlich einige Finger breche, oder ausweiche, so daß hinter mir sonstwas für ein Bruch entsteht und damit wieder mal Ärger, Ärger, Ärger. „Nasselstein!!!“ Also fange ich ihn auf, gerade so eben ohne schwerste Verletzungen davonkommend. Typisch Militär. Was für ARSCHLÖCHER!

Das mit dem Militär ist wirklich eine merkwürdige Dialektik. Befehl und Gehorsam, der Anschiß lauert wirklich hinter jeder Ecke, Sympathikotonie ist Dauerzustand, doch gleichzeitig kannst du dich nirgends freier fühlen. An sich ist der Traum jedes Jungen erfüllt und jeder Mann ist in seinem eigentlichen Element. Es ist in unserem Blut seit Schimpansenzeiten am Rande deines Reviers in quasi militärisch organisierten Gruppen nach feindlichen Menschenaffenhorden Ausschau zu halten und die Wildnis unsicher zu machen. Im Vergleich kommt einem das Zivilleben geradezu bizarr und künstlich und vollkommen sinnentleert vor.

Trotz allem und obwohl mir ein Unteroffizier an den Kopf geworfen hat: „Hasselstein, Sie sind ein hoffnungsloser Zivilist“, – das Militär ist mein Ding. Die Sommermonate als Lichtmesser irgendwo in der Schleswig-Holsteinischen Pampa, wo man sonst nie hinkommen würde. Auch nicht auf die Idee verfiele. Es zerreißt mich innerlich, wenn ich Thomas Gasts Beschreibungen seiner Zeit in der Fremdenlegion höre: Natur, Raum, Weiten, Abenteuer, Freiheit (sic!), Klarheit, Kameradschaft.

Was mich aber wirklich beschäftigt und verwirrt, ist Thomas Gasts Philosophie: du marschierst nicht mit den Beinen, sondern mit deinem Kopf! Das erinnert mich beispielsweise an den Marsch, als mein Hintermann mir sagte: „Sag mal, Peter, sickert da Blut aus Deinem Stiefel?“ „Upps, ja Du hast recht.“ Große Aufregung, ab mit dem Jeep zurück in die Kaserne zum Sani. „Hä, sowas habe ich ja noch nie gesehen!“ Mit diesem Fuß könnte man nach menschlichem Ermessen doch gar nicht gehen. Aber ohne meinen Hintermann hätte ich weiterhin meinen Körper und seine Signale schlichtweg ignoriert und wäre, stur wie ich bin, beliebig lange weitermarschiert.

Ist dieses Roboterhafte nicht das Gegenteil all dessen, wofür Reich und die Orgonomie stehen? Einmal sagte mir bei der Essensausgabe ein Kamerad, den ich kaum vom Sehen her kannte, unvermittelt und zusammenhanglos in den Nacken: „Roboter!“

„Augen zu und durch!“ Ich marschiere, Punkt! Ist das nicht die Quintessenz von Panzerung? Meiner charakterlichen Sturheit gleich Starrheit? Maschinenhaftigkeit? Die Trennung von Körper und Geist? Zweifellos. Doch andererseits… Ein guter Musiker der europäischen oder indischen Klassik oder des Jazz muß durch eine Hölle des mechanischen Lernens gegangen sein. Tonleitern, Akkordfolgen, Takt, Modulation etc. bis zum Überdruß, d.h. bis es zur Automatik wird. Erst dann ist er frei, um zu interpretieren bzw. zu improvisieren. Dazu muß er ziemlich ungepanzert sein. Man schaue sich kunstvollen Militärdrill an: ein total verspannter und verpeilter Mensch würde das nie und nimmer hinkriegen. Wie wach, kontaktvoll und geschmeidig mußt du sein, um aus einem militärischen Hinterhalt mit heiler Haut rauszukommen! Zweifellos machte mich meine Panzerung, nicht etwa meine Gesundheit zu einem schlechten Soldaten.

Aber, – da ist ein Widerspruch, den ich nicht verstehe. Auch verwirrt mich Thomas Gasts Diktum, daß du dem Leben eins in die Fresse hauen mußt oder das Leben macht dich fertig. Was bleibt da von der Hingabe an das Lebendige? Erst mal, Moment, wer wirklich Kontakt zur Natur hat, wirklich „Outdoor“ kennt, weiß, daß „die Natur“ kein romantischer Traum von Muttersöhnchen ist („Mutter Natur“), sondern von einer alles erschlagenden Nüchternheit sein kann. Ein Sommertag mutterselenallein weitab irgendwo in der besagten „schleswig-holsteinischen Pampa“! Die Nüchternheit, die brutale Leere und Indifferenz des Raumes! Und jederzeit kann ein Blutgerinnsel in dir oder ein bloßer Ast oder Stein, der irgendwo rumliegt, dir das Leben kosten! Sinnlos, trostlos, jenseits aller menschlichen Gefühle. Wie oft haben meine guten Reflexe seit frühster Kindheit mich vor einer Querschnittlähmung oder gar dem Halsbruch bewahrt! Life is a BITCH!

Romantische Naturliebhaber verstehen nichts von der Natur, Weicheier nichts von Hingabe. Man kann sich keinen härteren Knochen vorstellen als Thomas Gast – und doch keinen liebevolleren Vater, keinen hingebungsvolleren und lebendigeren Menschen. Sein ganzes Leben lang Militär und Paramilitär (Private Security) und „trotzdem“ einer der wenigen wirklich selbstregulierten, „anarchistischen“ Menschen. Sein ganzes Leben im Zentrum einer mörderischen lebensfeindlichen mechanistischen Zivilisation – und gleichzeitig immer draußen vor. Außerhalb der Falle. Er hatte einen denkbar schlechten Anfang, ganz unten auf der sozialen Leiter und dann noch „schwarz“ – und hat daraus ein perfektes Leben gemacht, wirklich GELEBT. Alles richtig gemacht!

„Sich den Arsch aufreißen, Bruder. Aber für die eigene Sache. Für die eigene Sache!“

Worum geht es in diesem Blogeintrag eigentlich? Um die Eigenliebe! Darum, daß Thomas Gast imgrunde ein Stirnerianer ist:

Arbeitsdemokratie, Emotionelle Pest und Sozialismus (Teil 41)

16. April 2021

An anderer Stelle habe ich deutlich gemacht, warum sich die Wehrmacht trotz mangelnder Ressourcen und einer, zumindest anfangs, mittelmäßig bis schlechten Ausrüstung gegen eine ganze Welt behaupten konnte. Während etwa die russischen Streitmächte, aber insbesondere die amerikanischen, eine blinde, rein mechanisch funktionierende „Militärwalze“ waren, agierten die Einheiten der Wehrmacht (natürlich immer im Rahmen der teilweise idiotischen Vorgaben des Stabes) weitgehend autonom und quasi „arbeitsdemokratisch“, so daß selbst die Entschlüsselung von Enigma durch die Alliierten nur begrenzten Schaden anrichtete.

Vielleicht noch entscheidender war jedoch der Faktor der Homogenität. Während die anderen Armeen ganz bewußt „zusammengewürfelte Haufen“ ohne eigene Identität waren, um sie zu schlagkräftigen Einheiten formen zu können, stellte die Wehrmacht ihre Einheiten ganz bewußt nach landsmannschaftlichen Kriterien zusammen. Teilweise kannten sich die Soldaten seit ihrer Kindheit! Und das war durchaus nicht im Sinne der Naziideologie, die ein einheitliches stromlinienförmig „modernes“ durchaus „unvölkisches“ Deutschland (bzw. natürlich übernationales „Großgermanien“) anstrebten, sondern entsprach der „völkischen“ und „reaktionär kaiserlichen“ Grundhaltung des Offiziersstabs. Die Soldaten verstanden sich, konnten in jeder Hinsicht blind aufeinander vertrauen und es gab keine Reibungsverluste. Man war (wie gesagt teilweise von Kindheitsbeinen an) ein eingespieltes Team und der Krieg war eine organische Fortsetzung der „Cowboy-und-Indianer-Spiele“.

Das hat beispielsweise meinem Vater das Leben gerettet. Als er mit seinem rein aus Hamburgern bestehenden Zug, nur mit Karabinern und ein paar Handgranaten bewaffnet, durch die belgische Pampa marschierte und plötzlich ein englischer Panzerverband auf sie zuhielt, hat der Hauptfeldwebel, ein gemütlicher Kaufmann und Familienvater aus Hamburg, seine Leute zusammengerufen, man verstand sich, warf die Waffen in den Straßengraben und organisierte weiße Fahnen. Hätte das bei einem zusammengewürfelten Haufen funktioniert, wo niemand einschätzen kann, ob nicht irgendein Schwein austillt und „den Verräter“ erschießt?

Ich bin gerade an Straßenbauarbeitern vorbeigekommen, ausnahmsweise mal alles nur Deutsche, und mir fiel der Blick und das Lächeln auf, das einer einem seiner Kollegen zuwarf, als er irgendeine Anweisung gab. Diese Vertrautheit und (im besten Sinne des Wortes) „Kumpelhaftigkeit“, diese fast liebevollen Blicke findet man ansonsten nur bei alten Ehepaaren. Und so war es schon im Sandkasten. Das ist evolutionsbiologisch sofort einsichtig, denn einerseits sind Männer wegen ihres Testosterons auf Distanz und Konkurrenz gepolt, doch andererseits hängt das Überleben schon von Schimpasenhorden von „Männerbünden“ und „Männerfreundschaften“ ab, denn nur so kann die Horde sich gegen Feinde durchsetzen und das notwendige Protein erjagen. Das ist aber nur möglich, wenn man von Kindheit an aufeinander eingetuned ist bzw. beim Menschen „die gleiche Sprache spricht“, auch die nonverbale und implizite: man weiß blind, was der andere meint und will, selbst wenn man ihn weder sieht noch hört. „Diversität“ zerstört das und macht die Gruppe ineffektiv und schutzlos.

In Grenzen und wohlverstanden: Nationalismus und das „Völkische“ sind untrennbar mit der Arbeitsdemokratie verbunden. „Diversität“ ist eben nicht unsere Stärke, sondern führt schnurstraks zu Zerfall und Untergang.