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Authentisch, autonom, frei, selbstbewußt, glücklich und produktiv (Teil 3)

3. Juni 2023

Liebe, Arbeit und Wissen bedeuten LiebesGLÜCK (Reichs Orgasmustheorie), ArbeitsFREUDE (das, was Reich ursprünglich als „Sozialismus“ bezeichnet hat) und WißBEGIERDE (die Grundlage der Summerhill-Erziehung). Siehe dazu auch die ursprüngliche Formulierung von Reichs Motto, das er ab 1942 jedem seiner Schriften voranstellte: „Liebesglück, Wissen und Arbeit sind die Säfte unseres Lebens! Sie sollten es auch regieren!“ Das ist der Schlußsatz von Die natürliche Organisation der Arbeit in der Arbeitsdemokratie, seiner ersten Arbeit zur Arbeitsdemokratie vom Januar 1939.

Zuvor war dieser Satz bereits in Reichs Artikel „Selbstverständlichkeiten“ aufgetaucht, den Reich 1938 in seiner Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie veröffentlicht hatte:

Liebesglück, Wissen und Arbeit sind die Säfte unseres Lebens! Sie sollen es auch regieren!!

Arbeit ist die Grundlage des Lebens, Liebesglück sein Inhalt!

Arbeit soll nicht Pflicht, sondern ein Stück Lebensfreude sein!

Ohne Liebesglück würde alles keinen Sinn machen. Das geben selbst die Mystiker zu, auch wenn sie dieses Glück ins Jenseits verlagern. Dem Problem der Arbeitsfreude widmete Reich einen ganzen Abschnitt in der Massenpsychologie des Faschismus („Das Problem der ‚freiwilligen Arbeitsdisziplin‘“). Es gelte den Gegensatz zwischen Lebensfreude und Arbeit aufzuheben, d.h. die zwanghaft-unlustvolle durch die natürlich-freudige Arbeitsleistung zu ersetzen, die Arbeit von einer lästigen Pflicht in eine lustvolle Bedürfnisbefriedigung zu verwandeln und dergestalt eine Arbeitsdemokratie zu errichten.

Und was das Problem des freiwilligen Lernens betrifft, sei an Reichs Sexpol-Zeit erinnert:

Die sexualpolitische Arbeitsgemeinschaft in Berlin hatte einen ersten Anlauf unternommen, es mit der sexualökonomischen Kinderarbeit zu versuchen, und zu diesem Zwecke eine Erzählung kollektiv zusammengestellt, Das Kreidedreieck, Verein zur Erforschung der Geheimnisse der Erwachsenen. (…) Es wurde beschlossen, die Broschüre in einer Fichte-Kindergruppe vorzulesen und die Reaktion der Kinder abzuwarten. Man hätte gewünscht, daß alle diejenigen, die bei der Nennung der sozialen Sexualökonomie verächtlich die Schultern zucken, anwesend gewesen wären. Zunächst waren, statt wie sonst etwa zwanzig, siebzig Kinder anwesend. Während nach den Berichten die Funktionäre sonst nur teilweise Aufmerksamkeit herrschte, Ruhe schwer zu erzielen war, lauschte diesmal alles gespannt, die Augen glühten, die Gesichter bildeten einen einzigen hellen Fleck im Saale. An manchen Stellen wurde die Vorlesung mit heller Begeisterung unterbrochen. Am Schlusse wurden die Kinder aufgefordert, ihre Wünsche und ihre Kritik vorzubringen. Viele meldeten sich. Und man mußte sich vor diesen Kindern seiner Prüderie und Befangenheit schämen. Die pädagogischen Bearbeiter der Erzählung hatten beschlossen, die Frage der Empfängnisverhütung nicht einzubeziehen, ebenso wie die der kindlichen Onanie wegzulassen. Prompt kamen Fragen (…). Der erste vorgelesene Teil enthielt vorwiegend sexuelle Aufklärung; die Gruppe hatte jedoch die Absicht, dem ersten Band einen zweiten anzufügen, der den Kindern von diesen Fragen ausgehend die sozialen Fragen schildern sollte. Das wurde mitgeteilt. „Wann kommt der zweite Band; wird er auch so lustig sein?“ Wann hat je eine Kindergruppe derart stürmisch nach sozialen Broschüren gefragt? Sollten wir daraus nicht lernen? Gewiß, wir müssen: Die Kinder müssen durch Bejahung ihrer sexuellen Interessen und Befriedigung ihrer Wißbegierde zu sozialen Interessen erzogen werden; sie müssen das unerschütterliche Gefühl bekommen, daß ihnen das die politische Reaktion nicht geben kann. Und man wird sie massenweise gewinnen, in allen Ländern gegen die reaktionären Einflüsse immunisieren und – was das Wichtigste ist – tief an die revolutionäre Freiheitsbewegung binden. Doch zunächst stehen zwischen dieser Leistung und den Kindern nicht nur die politische Reaktion, sondern auch die „Moralischen“ im Lager der Freiheitsbewegung. (Die Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 183f; Hervorhebungen von Reich)

Letztendlich geht es beim Wissensdurst darum, daß die in einer Membran eingeschlossene organismische Orgonenergie sehnsuchtsvoll zur freien kosmischen Orgonenergie strebt (siehe das Schlußkapitel von Die kosmische Überlagerung).

Kapitalismus und die Funktion des Orgasmus (Teil 1)

28. Juni 2015

Im Abschnitt „Problem der ‚freiwilligen Arbeitsdisziplin’“ in Massenpsychologie des Faschismus setzt sich Reich eingehend mit der Wechselbeziehung von Arbeit und Sexualität auseinander:

Wir nennen die Beziehung eines Menschen zu seiner Arbeit, wenn sie ihm Freude macht, „libidinös“; die Beziehung zur Arbeit ist, da Arbeit und Sexualität (im engsten und weitesten Sinne) aufs engste miteinander verflochten sind, gleichzeitig eine Frage der Sexualökonomie der Menschenmassen; von der Art, wie die Menschenmassen ihre biologische Energie anwenden und befriedigen, hängt die Hygiene des Arbeitsprozesses ab. Arbeit und Sexualität entstammen der gleichen biologischen Energie. (Fischer TB, S. 263)

Weiter schreibt Reich:

Je befriedigender das Geschlechtsleben ist, desto voller und freudiger ist auch die Arbeitsleistung, wenn alle äußeren Bedingungen erfüllt sind. Die befriedigte Sexualenergie setzt sich spontan in Arbeitsinteresse und Drang nach Betätigung um. (S. 264)

Dies schließe, so Reich, jeden Kommandoton aus – aber, wie hinzuzufügen ist, eben auch jeden „Sozialismus“.

Die zwangsmoralisch bestimmte Struktur leistet die soziale Arbeit ohne innere Beteiligung unter dem Gebote eines ich-fremden Soll. Die sexualökonomisch gelenkte Struktur leistet die Arbeit im Einklang mit den sexuellen Interessen aus dem großen Reservoir der Lebensenergie heraus. (Die Funktion des Orgasmus, Fischer TB, S. 139)

Dabei pendelt „die biologische Energie zwischen Arbeit und Liebesbetätigung hin und her. (…) Das Interesse ist jeweils eindeutig und konzentriert (…)“ (Funktion des Orgasmus, S. 140). Wird die biologische Pulsation in einem dieser beiden Bereiche gestört, hat das auch Auswirkungen auf den jeweils anderen Bereich. „Je befriedigender das Geschlechtsleben ist, desto voller und freudiger ist auch die Arbeitsleistung“ (Massenpsychologie des Faschismus, S. 264).

Reich:

Die Gesetze der biologischen Energie, des Orgons, umfassen die Grundmechanismen der Arbeit sowohl wie der Sexualität und somit die emotionellen Kräfte innerhalb, außerhalb und zwischen den Menschen. (Menschen im Staat, Stroemfeld, S. 82)

Vor mehr als 30 Jahren hat ein gewisser Curtis Barnes (ein selbstständiger Handwerker) im Journal of Orgonomy eine grundlegende Arbeit über „funktionelle Ökonomie“ veröffentlicht. Es ist Barnes‘ Verdienst im Anschluß an Reichs Orgasmus-Forschung die bioenergetische Grundlage des Wirtschaftsgeschehens entsprechend der sexuellen Formel „Spannung-Ladung-Entladung-Entspannung“ offengelegt zu haben:

Arbeit entstammt bioenergetischer Spannung, die der Organismus als Gefühle von Sehnsucht, Verlangen oder Unbehagen erfährt; physische Arbeitstätigkeit folgt und schließlich ist Kontakt mit dem Arbeitsprodukt hergestellt, was ein Nachlassen der Spannung erzeugt, das als lustvolle Befriedigung empfunden wird.

Die individuelle Ökonomie der Arbeitsenergie verläuft also ähnlich wie die individuelle Sexualökonomie. Dergestalt macht, so Barnes,

das Erkennen der vitalen bioenergetischen Prozesse im Kern der Arbeitsfunktion eine direkte Anwendung orgonomischer Prinzipien bei der Untersuchung der Arbeit möglich. Gleichzeitig ermöglicht es ein besseres Verstehen des Platzes, den die Arbeit in der Gesellschaft einnimmt, in Bezug darauf, ob die Arbeiter/Arbeitsprodukt-Beziehung selbstgesteuert ist oder nicht.

Die Frage ist nun, wie man diese allgemeingehaltene Theorie in eine praktische Wirtschaftspolitik umsetzen kann. Und zwar im Sinne von Barnes‘ Aussage, daß das arbeitsdemokratische Netzwerk

ein funktionelles Ergebnis von lebendigen Menschen ist, die Arbeit und Austausch nutzen, um Freude und Lust in ihr Leben zu bringen. Die Frage ist nicht, wie man diesen Prozeß verändern oder kontrollieren kann, sondern wie man ihn verstehen und dadurch sich entfalten lassen und beschützen kann.

In einer freien Wirtschaft bestimmt die Konsumption von ganz allein die Produktion. Der Nachfrager beeinflußt, so Barnes,

durch die Äußerung seiner Vorlieben und seiner Wahl von Arbeitsprodukten und seinem Austausch (…) die Art und Weise in der Materialien, Zeit, Aufwand und Fähigkeit angewandt werden. Die Gesellschaft wird eine Sache der Zusammenarbeit und wechselseitigem, wohltuendem Kontakt. (…) Die Marktfunktion erlaubt die Überlagerung von Arbeitsfunktionen in einer Art, die tiefe Wahrheiten über die Natur, bioenergetisches Funktionieren und subjektive emotionelle Äußerungen widergibt.

Was ist Arbeitsdemokratie?

26. Januar 2015

„Arbeitsdemokratie“ ist in der Orgonomie ein eher verschwommener Begriff. Teilweise scheint er sich in Slogans zu erschöpfen. In der Tat ließ Reich in seinem Labor entsprechende Tafeln anbringen, a la „Work, Not Politics!“. Andererseits scheint sie aber auf eine verschwommene „Gedankenwelt“ zu verweisen, die sich einer knappen und eindeutigen Darstellung entzieht.

Bevor ich doch so eine Darstellung versuche, hier einige relevante „Slogans“, die Reich unter dem Titel „Selbstverständlichkeiten“ 1938 in seiner Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie veröffentlicht hat. Sozusagen sein Konzept „Arbeitsdemokratie“ in Rohform:

Liebesglück, Wissen und Arbeit sind die Säfte unseres Lebens! Sie sollen es auch regieren!!

Arbeit ist die Grundlage des Lebens, Liebesglück sein Inhalt!

Arbeit soll nicht Pflicht, sondern ein Stück Lebensfreude sein!

Die Maschine wurde euer Herr! Macht sie zum Werkzeug!

Die nationale Wirtschaft hat der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse zu dienen.
Heute dient sie der Vernichtung von Leben und Gut!

Die Wirtschaft ist international! Ebenso Liebesverlangen und Lebenswille.

Welcher Japaner ist welches Chinesen Feind?

Der arbeitende Mensch hat mehr gemeinsam mit dem eines anderen Landes als mit den Parasiten des eigenen.

Arbeiter aller lebenswichtigen Berufe! Rettet die Gesellschaft vor der Tyrannei der Nichtarbeit!

Die Ehre der Nation verwirklicht sch nur durch Beseitigung der Unehre der menschlichen Not!

Kein Mensch kann für Millionen denken!
Staatspolitik und Diplomatie sind Notberufe!

Nicht Kolonien mit Kriegen und Sklaven, sondern international zugängliche friedliche Arbeitssiedlungen.

Kriegersein ist kein lebensnotwendiger Beruf!

(…)

An die Stelle eitler Uniformen setzt natürliches Selbstbewußtsein!

Habt weniger National- und mehr Selbstbewußtsein!

Bettelt nicht – fordert!

Ihr schafft fürs Leben. Ihr habt das Recht es zu bestimmen!

(…)

Baut nicht so sehr auf Überzeugung und Freundschaft als auf praktischer Arbeit fürs Leben!

Gesinnungen werden wie schmutzige Hemden gewechselt! Fragt jeden: Was kannst Du für die Sicherung der Lebensfreude aller tun? Beweise es! Wir hören dich!

(…)

Die ausgelassenen „Slogans“ sind mehr sexualökonomischer Natur.

Reich ging es nicht um eine neue fest umrissene Ideologie, sondern um eine neue grundsätzliche Sicht- bzw. Herangehensweise; eine „neue Gedankenwelt“, die jeder Arbeitende aufgerufen ist, weiter auszuformulieren. (Ich denke da etwa an die „10 Leitlinien“.) Es entspricht in dieser Hinsicht Mechanismus, Mystizismus und Funktionalismus, die ebenfalls jeweils keine festumrissenen „Systeme“, sondern breitgefächerte Gedankenwelten darstellen.

Genitalität verkörpert ein Mensch, der keine Panzerung hat. Eine Definition von Genitalität, die darüber hinaus geht, mag hier und da treffend sein, wird die Genitalität aber nie erfassen können, sondern sie viel eher verfehlen. Entsprechend ist eine Arbeitsdemokratie eine Gesellschaft ohne „gesellschaftliche Panzerung“, d.h. frei von Politik und all den irrationalen Ideologien. Work, Not Politics!

Hier nun eine kurze Zusammenfassung des Konzepts „Arbeitsdemokratie“, das Reich seit 1939 entworfen hat:

  1. In der Arbeitsdemokratie wird die Zusammenarbeit der Menschen untereinander von biologisch bestimmten subjektiven Arbeitsinteressen und dem Zusammenspiel der objektiven Arbeitsfunktionen bestimmt.
  2. Arbeitsdemokratie ist weder Unterwerfung unter Autoritäten noch Rebellion gegen sie, sondern die funktionelle Einheit von vollkommener persönlicher Freiheit und strengster Arbeitsdisziplin. Jeder ist frei, nach seinen Interessen und Fähigkeiten sich einen Arbeitsbereich auszusuchen, danach aber unterliegt er unerbittlich den objektiven Regeln des Arbeitsprozesses. Beispielsweise kann ein Waldarbeiter nicht die Bäume fällen, bei denen es besonders viel Spaß macht und sie nach eigenem Gusto in eine beliebige Richtung fallen lassen.
  3. Ähnlich wie ausnahmslos alle neurotischen Symptome bloße Übertreibungen primärer, gesunder Antriebe sind, gehen alle gesellschaftlichen Institutionen, egal wie irrational sie auch sind, auf rationale arbeitsdemokratische Beziehungen zurück.
  4. Durch das bloße Fortbestehen der Gesellschaft erweist sich, daß die Arbeitsdemokratie in jedem Augenblick bereits existiert, ähnlich wie ein Organismus durch sein bloßes Dasein zeigt, daß er „pulsiert“, d.h. lebt. Genitalität ist gleichbedeutend mit ungehinderter Pulsation. In diesem Sinne kann auch die Arbeitsdemokratie ein Ziel sein, das angestrebt wird.
  5. In der Arbeitsdemokratie herrschen keine formalen, sondern funktionelle Hierarchien, d.h. nur jene haben zu entscheiden, die etwas von der Sache verstehen. Das erweist sich durch ihre eigene Arbeitsleistung. Die Entscheidungen werden vom objektiven Arbeitsprozeß bestimmt und sind unabhängig von individuellen ideologischen Einstellungen oder Wertesystemen.
  6. Was produziert wird bzw. welche Leistungen erbracht werden, bestimmen weder private Profitinteressen noch politische Überlegungen, sondern die Bedürfnisse der Gesellschaft. Es ist jene „lebensnotwendige Arbeit“, die auch ohne monetäre Anreize bzw. politischen Zwang geleistet werden würde. In diesem Sinne bestimmt die Konsumtion die Produktion.
  7. In ihrer Funktion als Arbeitende sind Menschen dazu gezwungen, sich rational zu verhalten. Diesen Mechanismus gilt es zu verinnerlichen und ein „Fachbewußtsein“ zu kultivieren, das die Massen gegen die politische Irrationalität immunisiert.
  8. Arbeitsdemokratische Führungspersönlichkeiten unterscheiden sich von politischen Führungspersönlichkeiten dadurch, daß sie die Arbeitenden nicht von der Verantwortung befreien, sondern ihnen das Maß an Verantwortung aufbürden, das sie vernünftiger Weise tragen können. Damit macht sich der arbeitsdemokratische Führer schließlich selbst überflüssig.
  9. Eine „Demokratie“ ist nur dann ihres Namens wert, wenn sie zu einer Entwicklung beiträgt, in der die arbeitenden Massen immer mehr selbst die Verantwortung für ihr Leben übernehmen und immer mehr Verantwortung im Arbeitsprozeß übernehmen, statt „angeleitet“ zu werden.
  10. Der Arbeitsprozeß entwickelt sich organisch und der Arbeitende ist ein bloßes Organ dieser funktionellen Logik. Hier kann nichts erzwungen werden.
  11. Arbeitsdemokraten sind niemals „Aktivisten“, die gegen etwas oder jemanden „zu Felde ziehen“, vielmehr unterwerfen sie sich dem rationalen Arbeitsprozeß, in dessen Verlauf spontan Hindernisse überwunden werden.
  12. Die Entwicklung der Arbeitsdemokratie hängt vom Verantwortungsbewußtsein des einzelnen Arbeitenden ab, d.h. von seinem Kontakt mit seinen eigenen Empfindungen („Interesse“) und mit den Empfindungen der Menschen in seiner Umgebung (Empathie).
  13. Der Fortbestand der Arbeitsdemokratie ist davon abhängig, daß die Arbeit des einzelnen Arbeitenden wirklich Teil seines Lebens geworden ist, er also nicht wie ein Roboter funktioniert, sondern aus sich heraus „mit vollem Engagement“ arbeitet.

Ratgeber wie Die Entdeckung der Faulheit. Von der Kunst, bei der Arbeit möglichst wenig zu tun sind schlichtweg Emotionelle Pest und nichts außerdem. Auf amazon wird das Buch wie folgt beschrieben:

Dolce Vita am Arbeitsplatz: das Kultbuch über die Kunst des Nichtstuns im Büro. Wer arbeitet, macht einen Fehler, behauptet die französische Bestsellerautorin Corinne Maier, die mit ihrem Buch „Bonjour paresse“ die Grande Nation in Aufruhr versetzte. Nichts ist heute mehr sicher und selbstverständlich, der Job nicht, die Karriere nicht, und die Rente schon gar nicht. Warum sollte man sich also für seine Firma krumm legen? Corinne Maier, selbst leitende Angestellte beim staatlichen Energiekonzern EDF (Electricite de France), rät in ihrer pointierten Polemik deshalb zur „aktiven Distanzierung“ im Arbeitsleben. Innerhalb seines Unternehmens suche man sich möglichst eine Nische, um mit geringstmöglichem Einsatz und ohne Risiko durch den Büroalltag zu kommen. Laut Umfrage haben sich bereits 17 Prozent der Franzosen diesem subversiven Aufruf zu Individualismus und Ineffizienz angeschlossen.

Ein naheliegender Einwand gegen Reichs Konzept ist, daß es das Produkt eines „Laboratoriumsarbeiters“ sei, der einer interessanten und abwechslungsreichen Arbeit nachgeht, aber was ist mit einem Postboten, einer Kassiererin im Supermarkt, einem Arbeiter an einer Stanzpresse oder dem Kapitän einer Flußfähre? Dieser Einwand ist selbst „elitär“, da er davon ausgeht, daß es nicht auch Leute gibt, die in einfachen Tätigkeiten ihre Erfüllung finden. Jene, die keine Arbeitsstellung gemäß ihrer hohen Intelligenz und ihrer Neigung finden, haben dies (jedenfalls in einem Land wie Deutschland) einzig und allein ihrer eigenen Verantwortungslosigkeit und nicht der angeblichen Unfreiheit der Gesellschaft zu danken. Sie werden aber auch sowieso immer unzufrieden und rebellisch sein, selbst wenn sie durch glückliche Fügung doch noch in ihrem „Traumjob“ landen. Diese widerliche Jammerei ist schlichtweg „anti-arbeitsdemokratisch“.

Die Arbeitsdemokratie „umfaßt jeden, der lebensnotwendige Arbeit leistet“ (Die Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 279).

Unter „lebensnotwendiger Arbeit“ müssen wir jede rubrizieren, die zur Aufrechterhaltung der menschlichen Lebens und der gesellschaftlichen Maschinerie unerläßlich ist. Jede Arbeit also, deren Ausfall den lebendigen Prozeß schädigen und hemmen würde, ist lebensnotwendig. (ebd., S. 337)

Was bedeutet das konkret? Eine Krankenschwester leistet zweifellos lebensnotwendige Arbeit, aber gilt das auch für die Bedienung in einer Parfümerie? Eine Bäckerei ist lebensnotwendig, aber gilt das auch für eine Konditorei?

Man kann dieses Spiel beliebig weiterführen und nie zu einer befriedigenden Definition von „lebensnotwendiger Arbeit“ gelangen. Des Rätsels Lösung ergibt sich, wenn man Reichs Worte weiter zitiert:

[Arbeitsdemokratie] umfaßt jeden, der lebensnotwendige Arbeit leistet, und ist deshalb einzig und allein vorwärts gerichtet.

Das, was lebensnotwendig ist, wird sich in der Zukunft immer plastischer herausschälen, wenn der Einfluß irrationaler linker und rechter Ideologien gebrochen ist und Menschen mehr und mehr die Verantwortung für ihr Leben selbst übernehmen und es nicht mehr an andere abtreten. Mit dem graduellen Abnehmen der „Störgeräusche“ des gesellschaftlichen Chaos wird von selbst evident werden, was „lebensnotwedig“ ist und deshalb auch das Leben bestimmen sollte.

Um beim Beispiel der Parfümerie zu bleiben: Es ist nichts Unnatürliches daran, die „natürlichen“ Körperausdünstungen in Schach zu halten. Selbst Affen benutzen „Parfüm“! Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man „wie ein Iltis riecht“ oder mit seinem Geruch signalisiert, daß man gesund, sexuell aktiv und sozial kompetent ist!

„Liebe, Arbeit und Wissen“ sind nicht voneinander zu trennen. Ihnen gemeinsam ist der Kontakt: zu uns selbst und unseren wirklichen Bedürfnissen, der Kontakt zu unseren Mitmenschen und der Kontakt zur Natur.

Deshalb unterstützt dieser Blog alles, was die Kontaktfähigkeit der Massen erhöht, beispielsweise den libertären Abbau überflüssiger gesetzlicher Regelungen, die das Wirtschaftsgeschehen einschränken, andererseits bekämpft er alles, was die Kontaktfähigkeit der Massen herabsetzt, etwa eine libertäre Drogenpolitik.