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Einige orgonotische Erstrahlungseffekte. Eine vorläufige Mitteilung (1958) (Teil 7)

2. August 2018

von David Boadella

Gefühlsreaktionen

Die Erstrahlung der Birnen war mit einer Reihe spezifischer Gefühlsreaktionen verbunden, die bemerkenswert waren. Mein eigener Widerstand, der die Beobachtungen so lange hinauszögerte, wurde bereits besprochen. Es kann vielleicht verallgemeinert werden als „Magie passiert nicht, und wenn sie es tut, wird es mich beunruhigen. Also werde ich nur darüber lesen.“ Es scheint klar zu sein, daß dies ein Beispiel für den instinktiven Selbstschutz des gepanzerten Organismus ist. In meinem Fall war die Irrationalität offensichtlich, da sie in direktem Widerspruch zu dem stand, von dem ich intellektuell wußte, daß es wahr ist und intellektuell wollte, daß es sich ereignet. Aber es gab die Angst, sich mit der wahren lebendigen Sache auseinanderzusetzen.

Diese Angst wurde mir verständlich, nachdem ich die erste große Erregung beim Spielen mit den Glühbirnen gespürt hatte und die leuchtenden Blitze und Punkte und die Erstrahlung erhalten hatte. Es ist sehr beunruhigend zu erkennen, daß das Pest-Individuum indirekt durch seinen Panzer hindurch auch auf diese Erregung reagiert. Er spürt, daß es in dem ganzen Unterfangen etwas gibt, das irgendwie nicht ‚richtig‘ ist. Es ist ziemlich einfach, zum Beispiel hinter der bereits zitierten Ablehnung der A.E.I.-Managers, eine vage moralistische Reaktion auszumachen. Wenn man bedenkt, daß das Streichen und Reiben der Birne dem Masturbieren nicht unähnlich ist, kann die unbewußte und implizite Gleichung, die durch eine verzerrte Organempfindung gemacht wird, besser eingeschätzt werden: Orgon = Sex = etwas Schmutziges, „unsachgemäß verwendet“. Die Bemerkung: „Die meisten Menschen behandeln sie natürlich nicht wie Aladdins Lampen“ (die im Wesentlichen unvollständig ist ohne den Ton, mit dem sie ausgesprochen wurde), verrät das Gefühl, daß elektrische Glühbirnen verkauft werden, um sie in Steckdosen zu stecken und sie leuchten zu lassen, um etwas zu sehen, entsprechend dem Penis, den man zum Zwecke des Urinierens hat. Der Hinweis, daß Penisse Lustorgane sind, ist für viele Menschen ausgesprochen schockierend, und ebenso der Vorschlag, daß man mit elektrischen Glühbirnen lustbetont spielen kann, einfach weil die Lichteffekte schön und aufregend zu beobachten sind, wird unbewußt als schockierend empfunden. Vielleicht hat die Freudsche Symbolik der Lampe tiefere Wurzeln, als wir uns gewärtig sind.

Der Begriff „Erregung“ wird nicht von ungefähr für die orgonotische Erstrahlung verwendet. Der subjektive Genuß des Phänomens wird von einer tatsächlichen ‚Aufladung‘ des Organismus und, wie ich es subjektiv beurteile, der ihn unmittelbar umgebenden Atmosphäre begleitet. Viele der Beobachtungen wurden gemacht, während ich im Orgonakkumulator saß, in dem ich normalerweise für mindestens eine Stunde sitzen kann, ohne irgendein Gefühl der Bedrückung zu verspüren. Aber an den Abenden, an denen ich die Glühbirne zur Erstrahlung brachte, mußte ich zweimal den Akkumulator verlassen, weil ich das Gefühl hatte, „zu viel“ Energie absorbiert zu haben, daß ich von der Glühbirne „zu viel“ Erstrahlung erhalten hatte. Dieses Gefühl der Bedrückung wurde von einer leichten Übelkeit begleitet, wie sie von Reich als symptomatisch für Überladung beschrieben wurde. Sie wurde sofort nach einem Bad besser, der Abhilfe, die nahegelegt wird.

Die Identität der Orgonenergie innerhalb des Körpers und der Orgonenergie außerhalb des Körpers wurde des Weiteren belegt durch die Angstreaktion bei einer Person, der die Lichteffekte gezeigt wurden. Diese Person äußerte Bedenken, daß ich meine Augen schädigen könnte und gab zu, sich vor der Erstrahlung zu fürchten. Es wirke „unheimlich“ und sähe „wie ein Hexenlicht aus“. Es ist nur ein kurzer Weg von dieser Reaktion zur Angst, die das Gefühl der Energie umgibt, die sich im Körper bewegt, und der allgemeinen Tendenz bei Leuten, die die Ströme spüren, zu glauben, daß sie böse sind, daß sie die ‚Eingebungen des Teufels‘ sein müssen. (Es ist wahrscheinlich, daß leichtes Schwitzen der Handflächen aufgrund von Angstzuständen ein Grund ist, warum manche Leute Schwierigkeiten haben, die Glühbirne zum Leuchten zu bringen, selbst wenn sie sich abmühen ihre Hände trocken zu kriegen.)

An einem der Abende, an denen ich die Glühbirne beobachtete, flackerte gegen 9 Uhr als es dunkel wurde ein Lichtblitz über den Himmel. Die Identität dieses Blitzes am Himmel mit dem Aufleuchten der Glühbirne war sehr auffällig. Emotional und visuell schienen sie ein und dasselbe zu sein. Diese Identität macht auch Sinn in Bezug auf Reichs Annahme, daß der Blitz eine Entladung von akkumuliertem Orgon ist, und trug dazu bei, etwas Licht auf das eigenartige Phänomen des winzigen Funkens zu werfen, der auf den Kontaktbolzen einer der Birnen sichtbar wurde, sowie dem Auftreten von elektrischem Strom in der Vakuumbirne, der ausreicht, um die Neonlampe durch den Zwischenstecker zum Leuchten zu bringen. Die Möglichkeit, daß der Wolframdraht als Miniatur-Blitzableiter fungieren könnte, um einen Teil der Energie abzuleiten, ist eine Überlegung wert.

Der Vergleich mit dem Blitz wird durch die zweite Art des Aufleuchtens, die strichartig ist, bestätigt und durch die Tatsache, daß Blitze, wie das Elmsfeuer und Irrlichter, etwas sind, bei denen auch der mechanistische Wissenschaftler Probleme hat sie zu erklären. In einem Buch über Blitze wird angemerkt, daß es „auf den ersten Blick merkwürdig ist, daß diese großen elektrischen Maschinen (Gewitterwolken), die Potentiale von Tausenden von Millionen Volt entwickeln können und viele Meilen lange Funken produzieren, nur aus Wasser und Eis bestehen, das vom Wind fortgeblasen wird“ (8, S. 122). In ähnlicher Weise versucht Harvey Irrlichter zu erklären: „Ihre Natur ist kaum verstanden, aber es wurde verbrennendem Phosphin zugeschrieben, einem selbstentzündlichen Gas, das irgendwie durch die Zersetzung von organischem Material im Sumpf erzeugt werde. Leider ist Phosphin nicht als Zersetzungsprodukt organischer Materie bekannt. Methan, ein wohlbekanntes Abbauprodukt, brennt mit einer schwachen bläulichen Flamme, und einige meinten das Irrlicht, sei das Ergebnis dieses Gases. Da Methan sich nicht selbst entzündet, bleibt zu erklären, wie es entflammt wird“ (2, S. 20).

Der Blitz ist also „nur Wasser und Eis, das vom Wind hinweg geblasen wird“, und Irrlichter sind nur irgendwelche nichtentflammbaren Gase, die irgendwie Feuer gefangen haben, und die Erstrahlung von Vakuumlampen ist „nur Statik“ und „Statik“ ist etwas, was dem Wissenschaftler peinlich ist, es ist ein Ärgernis, etwas, das er versucht loszuwerden, abzutöten, abzuschaffen; es sind „atmosphärische Störungen“ die sein Radio stören und ‚Raumwellen“, die den Flugverkehr stören. Und die zugrundeliegende Einheit geht völlig verloren.

Als ich zuerst das Aufleuchten in der Birne erzeugt hatte und mich erkundigte, ob dies ein unbekanntes oder ein wohlbekanntes Phänomen sei, konnte ich nicht glauben, daß ein so leicht herstellbarer Effekt bei einem Allerweltobjekt wie der Haushaltsbirne von allen unbemerkt geblieben sein konnte außer vereinzelten Beobachtern des Ungewöhnlichen. Dann schien es so offensichtlich: hier war wieder einmal der Ehrfurcht einflößende Tatsache, zu der Reich Anmerkungen gemacht hat – die Sache ist zu einfach. Das Tabu Hand an die einfachen Dinge zu legen, ist voll wirksam; berühre es nie! Sobald du anfängst im Dunkeln zu sitzen, beginnen sich harte und voreilige Unterscheidungen aufzulösen, Verwirrung kommt auf und sicher zu erwartende Dinge geschehen nicht mehr. Du mußt buchstäblich ‚im Dunkeln tappen‘, bevor ein Licht aufgeht.

 

Literatur

2. Harvey, E. Newton: LIVING LIGHT. Princeton University Press, 1940
3. Reich, W.: „Orgonotic light functions. 3. Further physical characteristics of Vacor Lumination (1948)“ Orgone Energy Bulletin Vol. 1, No. 3, 1949
8. Schonland, B.F.L.: THE FLIGHT OF THUNDERBOLTS, Clarendon Press, 1950

 

* Abdruck der Übersetzung aus dem Englischen mit freundlicher Genehmigung des Autors, Dr. Boadella. Der Originalaufsatz „Some Orgonotic Lumination Effects“ findet sich in der von Paul und Jean Ritter in Nottingham, England herausgegebenen Zeitschrift Orgonomic Functionalism, Vol. 5 (1958), No. 3, S. 139-150.

Die Orgonomie und die Energetik (Teil 2)

3. Mai 2015

Das Werk des russischen Mineralogen Wladimir Wernadski (1863-1945) umfaßt fast die gesamte Energontheorie von Hans Hass. Bei der folgenden kurzen Darstellung stütze ich mich als einziger Quelle auf die Ausgabe von Wissenschaft in der UdSSR von Sept./Okt. 1987.

Wernadski belebte die statische Mineralogie, indem er die Mineralien evolutionär als Restspuren einstiger Reaktionen interpretierte. Dabei stieß er auf folgende vier Probleme:

1. Die kieselsaure Tonerde Kaolin (auch Porzellanerde genannt), die fast immer im Ton zu finden ist, bildet sich aus festem Feldspat oder Glimmer (Aluminiumsilikat). Diese Umwandlung kann aber nicht unter den normalen Bedingungen, wie sie heute normalerweise auf der Erde zu finden sind, vonstatten gehen, sondern nur unter Anwendung hoher Temperaturen und aggressiver Säuren.

Das veranlaßte Wernadski nach einem „übersehenen Kaolinisierungsfaktor“ zu suchen, der über die Grenzen der schematischen Geologie und Mineralogie hinausgeht.

Orgonenergie? Ließe sich hier ein Anschluß an Reichs Entdeckung von Gesteinsveränderungen infolge des ORANUR-Experiments finden?

2. Silikate bilden den überaus größten Teil der Erdkruste. Das wirft Fragen auf, denn damit solche siliziumhaltigen Gesteine entstehen können,

ist es nötig, daß die feste Verbindung zwischen den Aluminium- und Siliziumatomen gelöst wird und die Aluminium- von den Siliziumatomen getrennt werden. Eine dazu erforderliche geologische Energie aber liegt nicht vor.

Orgonenergie? Daß es sich bei dieser „geologischen Energie“ tatsächlich um das Orgon handeln könnte, wird klar, wenn Wissenschaft in der UdSSR solche Gesteine „außerhalb des geologischen Gleichgewichts“ mit thermodynamischen Modellen vergleicht und dabei das Orgonomische Potential anschneidet:

Eine spontane Trennung der Silizium- von Aluminiumatomen ist genauso schwer vorstellbar wie die Trennung „heißer“ und „kalter“ Moleküle, die dazu führte, daß das eine Ende einer Metallstange von selbst rot glüht, das andere aber sich mit Rauhreif bedeckt. Wenn aber die Trennung dennoch erfolgt war, mußte eine rationale Erklärung gefunden werden.

Man ersetze die besagte Stange durch einen Orgonenergie-Akkumulator auf der einen Seite und eine Kontrollbox auf der anderen: der ORAC wird sich von selbst erwärmen.

3. Mit seiner „Unvollständigkeitsmethode“, die nach dem (dritten) fehlenden Faktor suchte, analysierte Wernadski auch

die geochemischen Eigenschaften der Granite und sah in ihnen deutlich Verbindungen, deren Entstehung im Rahmen eines toten thermodynamischen Gleichgewichts undenkbar wäre. Seiner eigenen Logik folgend, gelangte er zu dem eindeutigen Schluß, daß eben jener „übersehene Faktor“ an der Herausbildung der Gesteine hatte teilnehmen müssen. Die lebende Substanz.

Danach waren die Granite Überreste „einstiger Biosphären“. Dergestalt war die „träge Materie“ dem „Druck des Lebens“ ausgesetzt. Tatsächlich hat man auf keinen anderen Himmelskörper Granite entdeckt. Auch ist man im Granitgestein Skandinaviens auf Erdöl gestoßen. Etwas, was bisher als unmöglich galt. (Siehe dazu unsere vorangegangene Diskussion über den „Ölplaneten Erde“.)

4. Die Atmosphäre selber, insbesondere das Vorhandensein von freiem Sauerstoff, paßte nicht in den Rahmen der „chemischen Thermodynamik“, ist doch Sauerstoff äußerst reaktionsfreudig, so daß sie sehr schnell einem „sauerstofflosen chemischen Gleichgewicht mit einem Maximum an Entropie“ zustreben müßte. „Da nichts dergleichen geschieht, ist wieder ein zusätzlicher Faktor zu vermuten (…).“ Dies ist natürlich über die „lebende Substanz“ indirekt die Orgonenergie. (Reich glaubte, daß die atmosphärischen Bestandteile auch direkt von der atmosphärischen Orgonenergie durch „Mikro-Überlagerung“ geschaffen werden.)

Jim Lovelock („Gaia-Hypothese“) hat in seinem Buch Unsere Erde wird Überleben (München 1982) darauf verwiesen, daß die gesamte chemische Zusammensetzung der Atmosphäre nicht dem entspricht, was

man aufgrund eines stationären chemischen Gleichgesichts erwarten dürfte. Das Vorkommen von Methan, Stickoxyd und sogar molekularem Stickstoff in unserer gegenwärtigen oxidierenden Atmosphäre stellt eine Verletzung chemischer Gesetze dar, und zwar um Faktoren von mehreren Zehnerpotenzen. Ungleichgewichte solcher Größenordnungen deuten darauf hin, daß die Atmosphäre nicht einfach ein Produkt, sondern wahrscheinlich sogar ein Konstrukt des Lebens darstellt: zwar nicht lebendig, doch wie das Fell einer Katze, die Feder eines Vogels oder die papierartige Wand eines Wespennestes der erweiterte Bestandteil eines lebenden Systems dazu bestimmt, eine passende Umwelt aufrechtzuerhalten.

Das Unterstrichene wird noch entscheidende Bedeutung für unsere Beurteilung der Energontheorie von Hans Hass haben.

Wernadski war der Meinung,

daß sich der erstaunlich hohe Energiegehalt der lebenden Substanz unmöglich ohne eine Analyse ihrer Beziehung zu Raum und Zeit erklären läßt.

Dabei sah er als Kristallograph „einen großen Unterschied zwischen der räumlichen Struktur der unbelebten und belebten Materie.“ So kommen in der Kristallographie Drei-, Vier- und Sechsecke und Kombinationen vor, aber keine Fünfflächner und Fünfecke. Diese sind auf das Lebendige beschränkt:

Eine fünfzackige Form haben die Seesterne, fünf Blätter haben die Fliederblüten, fünf Finger hat die menschliche Hand.

Bereits Kepler habe die fünfflächige Struktur mit der „lebensspendenden Kraft“, die „unfruchtbare Kraft“ jedoch mit der sechsflächigen gleichgesetzt.

Die Asymmetrie, oder, wie Wernadski sie nannte, „Disymmetrie“ des Raumes sei

auch mit der Disymmetrie der Zeit unlöslich verknüpft. Eine Vorwärtsbewegung ist nicht gleichbedeutend mit einer Rückwärtsbewegung, wobei diese Ungleichheit nur in der unausgewogenen Welt der Biosphäre deutlich zum Vorschein kommt.

Interessanterweise wird eine derartige „Inhomogenität des biosphärischen Raum-Zeit-Komplexes“ mit dem Orgonomischen Potential in Zusammenhang gebracht. Setzt sie doch

logisch zwingend voraus, daß sich darin unbedingt Bereiche finden, wo Raum und Zeit gleichsam komprimiert sind. In diesen Bereichen gehen alle Prozesse schneller vor sich. Oder sie sind komplizierter. Sie umfassen offensichtlich Funktionen wie Steuerung sowie Energie- und Informationsspeicherung.

Das Ungleichgewicht, die Anreicherung von Energie und die Beschleunigung der in der Biosphäre vor sich gehenden Prozesse mußten zwangsläufig zum Erscheinen eines neuen, noch mobileren und wirksameren Steuerungsfaktors führen. Zu diesem Faktor wurde der gesellschaftliche Mensch.

Dieser bildet im Anschluß an die natürliche Biosphäre die artifizielle „Noosphäre“. Dies ist Teilhard de Chardin (1881-1955) zufolge die Gesamtheit der vom Menschen Zwecken zugeführten („funktionalisierten“) Materie. (Auf dieses Konzept beruft sich auch Hans Hass.) Gemäß dem negentropischen Gesamtprozeß, der sich hier fortsetzt, bildet sich nach Wernadski „unter der Topologie der Noosphäre“ ein System „noosphärischer Herde“ aus, „die ihr Wirkungsfeld auf einen weiten Umkreis ausdehnen.“

Dies kann man als eine Äußerung des Orgonomischen Potentials im menschlichen Bereich ansehen. Für Hass fällt dies unter den „menschlichen Energonbau“, der analog zum natürllichen Energonbau zwar nicht Lebewesen aber ihr Äquivalent erzeugt: „Berufskörper“ und „Erwerbsorganisationen“.

Für Wernadski wird dergestalt die Menschenwelt zu einem „besonders dynamischen Wachstumsbereich“ im „Lebensstrom“ (ein Begriff von Hass). Aus dieser Sicht ist dann der Mensch nicht mehr „Feind der Natur“, „sondern ihr unerläßlicher Bestandteil aus energetischer, evolutionsseitiger und räumlich-zeitlicher Sicht“.

Mit dieser einheitlichen Sicht vom Mineral bis zur Kultur hat Wernadski eine „Einheit der wissenschaftlichen Kenntnisse“ verwirklicht, die an Reich gemahnt.

[Wernadski] legte auf der Evolutionsspirale gleichsam den Weg von den Gesetzen der unbelebten Materie, deren Unvollständigkeit er spürte, zu den Gesetzen der belebten und in der Folgezeit der denkenden Materie zurück. Der Tod ereilte ihn, als er seinen nächsten Schritt tat: zu einer Konzeption der „humanen Materie“.

Beim zeitgenössischen „Energetiker“ Josef Haid (Lebensrichtig, CH-Chur 1984) haben wir es mehr mit Weltanschauung als mit Wissenschaft zu tun. Er glaubt, mit Reich, daß „die Energie“ „in unserem Körper sich ihrer selbst bewußt geworden“ sei. Ganz ähnlich wie Wernadski sieht auch Haid den Menschen als „unerläßlichen Bestandteil“ des negentropischen Prozesses an, er sei eine „Regelstruktur“ (Wernadski sprach von „Steuerungselement“) des kosmischen Wesens, durch den es bzw. „die Energie“ ihre Entwicklung im Wirkungskreis des Menschen lenkt.

Leider widerspricht Haids Denken in einem zentralen Punkt den Reichschen Anschauungen, glaubt doch Haid (wie übrigens auch Hans Hass und, so soweit ich es überblocken kann, alle Energetiker), der Mensch müsse

seine Triebe (Aggression, Sexualität, Geltungs- und Besitzstreben, usf.) und die anderen, von den Regelstrukturen veranlaßten, unbewußten Lenkungen durch bewußte, lebensrichtige Verhaltensweisen soweit (…) ändern oder ausschalten, daß sie sich nicht mehr lebenswidrig auswirken können.

Es ist die alte Frontlinie „Freud gegen Reich“!

Wie Reich glaubt Haid, daß das Bewußtsein „irgendwie“ in der kosmischen Energie angelegt ist. Haid sagt dazu:

In der Energieeinheit der Welt ist das ganze „Wissen“ über sie enthalten. Den einzelnen Energieformen wird es bewußt, soweit sich in ihnen für das Bewußtwerden – das Erwecken des Wissens – die geeigneten Organe entwickelt haben.

Diese Entwicklung vollzieht sich aber, Haid zufolge, „nicht geradlinig“ (also nicht rein „vitalistisch“), denn da alle Energieformen „Teile der All-Einheit und untrennbar miteinander verbunden, verwoben, von einander durchstrahlt und abhängig“ sind, beeinflussen sie sich auch gegenseitig. So bringen sie sich gegenseitig „Lamarckistisch“ jene „Eindrücke“ bei, aus denen sich die Regelstrukturen entwickeln. Bei Haid reicht dies von den physikalischen und chemischen Ebenen, über die Erbrezepte der Pflanzen und Tiere und ihre Verhaltensprägungen bis zu den menschlichen „Denksystemen“.

Für Haid (wie auch für Hass) ist das Erbgut des Menschen nicht auf die Erbanlagen beschränkt.

Unter anderem sind auch die mittels Bild, Schrift und Ton konservierten Erfahrungen und Kenntnisse ein Teil der menschlichen Vererbung.

Zusammenfassend ist für Haid der Kosmos eine „Energieeinheit“, in der sich „Energieformen“ evolutionär von den Wasserstoffatomen bis zum Menschen und weiter entwickeln. Diese „Energieformen“ entsprechen formal den Hass’schen „Energonen“, obwohl sich letztere ausschließlich auf die Bio- und Noosphäre beziehen. Die Entwicklung bzw. die Konzentration der „Energieformen“ aus der primordialen „unkonzentrierten Energie“ schreibt Haid einem metaphysischen „Entwicklungs-Antrieb“ oder „Lebenstrieb“ zu. Er sei eine „unverlierbare Eigenschaft der Energie“.

Die Energieformen, einschließlich des Menschen, sind für Haid (wie auch für Hass) nur „Übergang und Stufe auf dem Weg der Entwicklung“. So erinnert dieser Lebenstrieb stark an Hass‘ „Lebensstrom“, obwohl der letztere als etwas rein Mechanisches konzipiert ist.

Genau wie Hass ist aber auch Haid jemand, der glaubt, man könne das Leben mit Hilfe von Computern berechnen. Ist er doch davon überzeugt, daß „mit Hilfe von Denkmaschinen der Mensch die lebensrichtigen Verhaltensweisen – Ziele, Aufgaben, Aktionen, Reaktionen – für alle Daseinsbereiche immer schneller und genauer erkennen“ wird. Denn „mit Hilfe des Prinzips der Lebensrichtigkeit wird die wissenschaftliche (…) Bestimmung des optimalen menschlichen Verhaltens möglich.“

Dies kann man am ehesten verstehen, wenn man von den drei „Bewertungsniveaus“ der Energontheorie von Hass ausgeht:

  1. dem für das Individuum;
  2. für die Art; und
  3. für den „Lebensstrom“.

Für Haid (und für Reich) ist positiv zu bewerten, was „dem Leben“ dient: Ist dem Individuum geholfen, fördert dies die Spezies, zu der es gehört, und gedeiht die Spezies, entwickelt sich das gesamte Leben und weitet sich weiter über die tote Materie aus.

Für Hass jedoch gibt es gewichtige Interessenkonflikte zwischen den drei Stufen: Was dem Individuum zuträglich ist, z.B. sich nicht für die Nachkommen aufzureiben, kann der Art sehr wohl schaden. Und was der Erhaltung der Art dient, kann durchaus der weiteren Entwicklung des Lebens, dem „Lebensstrom“, unzuträglich sein. Ohne das Aussterben der Saurier hätte es wohl nie Menschen und damit bewußtes Leben gegeben, das zum Mond fliegen kann!

„Lebensrichtig“ und „Lebenswidrig“ beziehen sich bei Josef Haid auf die unmittelbare Beziehung des Individuums zur Energie. Deshalb kann bei Haid beispielsweise der Gedanke aufkommen, der Kontakt mit „der ewigen Energieeinheit des Alls“ würde eine tiefe (todes-) angstlösende Freude schenken. Haid:

Fördern oder schädigen wir unseren Körper, so begünstigen beziehungsweise beeinträchtigen wir (…) auch unsere Mitmenschen und die übrige Umwelt; und wenn wir diese fördern oder schädigen, begünstigen beziehungsweise beeinträchtigen wir auch uns selbst: wir sind mit allem untrennbar in der All-Einheit – in diesem unendlich „vernetzten“ System – verbunden.

Solche Ideen einer umfassenden Kommunion sind bei Hans Hass undenkbar. Im Gegenteil, bei Hass droht der diabolische Lebensstrom das Individuum zu verschlingen. „Lebenslust“ und „Lebensstrom“ liegen bei Hass in einem ständigen Konflikt.