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Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 9)

8. April 2024

Manchmal muß ich auch beim Dipl.-Ing. Laska den Kopf schütteln, weil er merkwürdig starr wie ein Ingenieur denkt. Beispielsweise, wenn Schmitz erläutert, daß auch, wenn man dem inneren Daimon folgend am Ziel angelangt ist, man immer noch „teleologisch“ weiterwirkt. Ob der Mensch dann, so frägt Laska, neue Ziele anstrebt, so als ob Schmitz nicht eindeutig Goethes Maxime zitiert hatte: „Erwirb es, um es zu besitzen.“ Wenn mich etwa mein Daimon dazu treibt, einen Schrebergarten herzurichten und ich schließlich das Ziel erreiche: bis zu meinem Lebensende werde ich trotzdem am Schrebergarten „teleologisch“ rumwerkeln der Zielvorgabe „Schrebergarten“ folgend. Und so in allem. Was ist daran so schwer zu begreifen? Außer man ist in der mechanischen Logik eines Statikers gefangen! (S. 198).

Schmitz führt aus, daß Menschen je nach Veranlagung von ihrem Daimon oder vom Zu-Fall, letztendlich dem „Göttlichen“, geführt werden bzw. von beidem. Du hast einen unbedingten inneren Drang oder etwas Zwingendes überkommt dich oder beides in unterschiedlichem Mischverhältnis. Reich ist dafür das beste Beispiel. Einerseits seine Lebensmission seit dem tragischen Selbstmord seiner Mutter, andererseits seine Hypersensibilität für, um mit Schmitz zu sprechen, „Atmosphären“.

Aus dem, was ich in den bisherigen Teilen dieser, wenn man so will, „Buchbesprechung“ geschrieben habe, könnte man schließen, daß ich gerne auf Schmitz verzichten würde und nur die Laska-Briefe für wertvoll erachte. Nein! Auch wenn ich durch Schmitz manchmal bis zum Anschlag schlichtweg genervt bin: er ist das perfekte Gegengift gegen Laskas „Wahnsinn“. Und genau das macht die objektive Großartigkeit dieses Buches aus.

Das ganze ist erwähnenswert und geradezu tragikomisch, weil Laskas einerseits versucht Schmitz‘ Begriff „starker Daimon“ und Stirners „Eigner“ gleichzuschalten, dabei aber andererseits die Grundlage seiner eigenen (Para-) Philosophie ganz aus den Augen verliert, den glücklichen, „serenen“ Zufall. Auch in dieser Korrespondenz taucht Laskas Lieblingswort mit penetranter Regelmäßigkeit auf: „serendipity“ – der glücklich Zufall oder, mit anderen Worten, der „göttliche Zu-Fall“. (BTW: Wenn jemand Fremdwörter benutzt, soll fast immer etwas verborgen bzw. verdrängt werden! Das gilt im übrigen auch für Schmitz, beispielsweise seine „implantierende Situation“ = „einpflanzende Gegebenheit“.)

Laskas Gott ist die Welt: „Von Anfang an waren es nicht die Dinge, die meine Ataraxie störten, sondern die Meinungen über sie. Zu den Dingen hatte und habe ich ein unerschütterliches Urvertrauen. Es geht, davon bin ich überzeugt, in der Welt mit rechten Dingen zu“ (S. 213). Sowas, das wohlige Einlassen auf das, was objektiv gegeben ist, kann ein Ingenieur schreiben, nie und nimmer aber ein Physiker! Das sorgte auch stets für Irritationen zwischen uns: „…, aber Nasselstein glaubt jeden Unsinn“. Ja, ich kann zum Befremden meiner Mitmenschen sagen: „Irgendetwas stimmt nicht mit der Realität!“

Übrigens: Soweit ich das einschätzen kann, will auch der „Phänomenologe“ Schmitz mit derartigen Phänomenen nichts zu tun haben.

Nachbemerkung apropos Fremdwörter: „Ataraxie“ meint bei den alten Griechen die affektlose Seelenruhe. Schmitz versucht Laska zu erklären, daß es diese nicht geben kann, d.h. daß es im Leben immer ein Auf und Ab gibt, d.h. eine Distanzierung von den Dingen, die als mir fremd erkannt werden, und eine Resubjektivierung der Dinge, bei der die Grenzen zwischen Eigenem und Fremden wieder verschwimmen. (In orgonometrischen Begriffen Dissoziation vs. Assoziation.) Darüber hinaus hat man, ebenfalls gegen die „Ataraxie“, sozusagen „horizontal“, immer ein Ziel anzusteuern, wie oben beschrieben (die Orgonometrie dazu findet sich in Die kosmische Überlagerung), will man nicht in einem anorgonotischen Sumpf ertrinken. Man muß sich an den Kopf fassen, daß Schmitz das LSR-Projekt einfach nicht begreifen will, aber es ist kaum weniger verstörend, wie begriffsstutzig Laska gegenüber Schmitz ist!