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Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 54)

8. März 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

In seinen Ausführungen über „die Hybris der Vernunft“ und „das Elend der Aufklärung“ finden sich bei dem christlich-libertären Ökonomen Roland Baader, ein Schüler von Friedrich A. Hayek, folgende Aussagen:

Der Fortschritt der Naturwissenschaften führte dazu, daß mehr und mehr der Gesetzmäßigkeiten des materiellen Weltverlaufs entdeckt und erklärt werden konnten. Entsprechende Gesetzmäßigkeiten glaubte man deshalb auch im Geistigen, Sittlichen und Sozialen erkennen zu können, wenn nur die Denkmethoden entsprechend den logisch-exakten der Naturwissenschaften gestaltet werden könnten. In dieser Methodensuche wurde Descartes mit seiner Verfahrensweise des „methodischen Zweifels“ zum Wegbereiter des sogenannten philosophischen Kritizismus. Das wäre noch kein Beinbruch gewesen; der Weg dieser Erkenntnismethode jedoch führte über Hobbes und Locke zur Überzeugung, daß sich alle Erkenntnis aus der Erfahrung ableiten lasse. In einem solchen Denksystem ist Metaphysik nicht mehr möglich. Wo aber Metaphysik ausgeschlossen ist, da ist nur noch Physik. Übertragen auf Geistiges bedeutet das: krasser Materialismus. Physik als singuläre Erklärung und Substanz des Menschen, des Menschlichen und der Menschheit, der Person wie der Gesellschaft, endet konsequent in den Schlächtereien der Revolution, den Gaskammern von Auschwitz und den Friedhöfen der Gulags.

Institutionell und historisch wurde daraus anschließend die Säkularisation (modern: „Emanzipation“) nicht nur des Staates von der Kirche, sondern auch des Menschen von Gott, und schließlich die des Menschen von seinesgleichen und von sich selbst. In perfekter Konsequenz entspricht dem nur noch ein einziges „Glaubensbekenntnis“: der Nihilismus.

Anders erklärt: Aus dem „richtigen“ Erkennen – so der aufgeklärte Geist – müsse das „richtige“ Tun folgen. „Richtiges“ Handeln heiße „sittliches“ Handeln, denn Elend, Mangel und Not könnten ihre tiefste Ursache nur in fehlender oder mangelhafter Einsicht haben; weshalb der durch Vernunftgebrauch vollständig erkennende oder nur das Vernünftige anerkennende Mensch auch nur noch tugendhaft (weil „richtig“) handeln könne.

Der entscheidende logische Schritt des Aufgeklärten: Die „Tugend“ muß (vermittels Vernunft) aus ihm selbst kommen. Somit lehnt der mit den Waffen der eigenen Vernunft Befreite die Bindung an moralische Autorität oder an Tradition ab.

Am Ende dieses Denkens stehen Männer wie Holbach und de la Mettrie – später auch Marx –, für die Metaphysik nur mystischer Firlefanz und dumpfes Unwissen bedeutet, und deren Theorien folglich in krassesten, primitivsten Materialismus münden. Soweit Tugend, Sittlichkeit, Moral, Religion überhaupt noch angeführt werden, sind sie zweckrationale Instrumente einer utilitaristisch-eudämonistischen Sinnes-Glückseligkeit. Logische Konsequenz dieser geistigen Bodenbereitung ist die politische (also faktische) Säkularisation. Ihr irdischer Gott ist der neue Staatsbegriff. Wenn das Individuum nicht mehr eingebunden ist in die (vermeintlich „unvernünftigen“) Zwänge der Tradition, der Religion und der hierarchischen Autoritäten, wer soll dann seinen autarken Willen zügeln? Wer soll die Souveränität des einen Bürgers daran hindern, die Souveränität des anderen Bürgers zu verletzen? Konstruktivistisch (und „systemlogisch“) gedacht, kann das nur einer leisten: die Summe der vernünftigen Einzelindividuen und ihrer Rechte, also die „Supervernunft“ und das „Superrecht“ – und somit die höchste und einzige Autorität mit unbeschränkter Souveränität: der neue Staat. Er ist das Ergebnis eines Vertragsschlusses seiner (vernünftigen) Mitglieder. (Rousseau’s Contract [PN: sic!] Social). (Baader: Kreide für den Wolf. Die tödliche Illusion vom besiegten Sozialismus, Böblingen: Anita Tykve Verlag, 1991, S. 87)

Das Problem mit derartigen Ausführungen ist, daß Holbach und La Mettrie natürlich denkbar scharfe Gegensätze waren, der erstere etwa eine „Ethokratie“ schrieb und LaMettrie einen „Wahnsinnigen“ nannte. Leute wie Holbach glaubten an die Gesellschaft und deren Ethik, während LaMettrie diese Gesellschaft transzendierte. Natürlich nicht im Sinne Baaders, denn er wußte, daß all das Böse, das Baader zurecht bekämpft, auf den Einfluß der Gesellschaft zurückgeht, dem die „frei Geborenen“ ausgesetzt sind, und daß die metaphysische Ethik (die stets an ihren „ethischen Dilemmata“ verreckt) nur eine pervers verzerrter Ausfluß dieses Naturempfindens sind.

Dagegen nun quasi „gnostisch“ zu argumentieren, daß es (ganz im Sinne der in Teil 53 erwähnten „Familie“) kein „Wahres im Unwahren“, kein „Gutes im Schlechten“ geben könne, also in Radikalopposition zu gehen, ist, wenn man so will, eine „linke“ Interpretation des LSR-Projekts. Eine die logisch-abstrakt durchaus zu rechtfertigen ist, die aber meiner „rechten“ Warte, die nicht an eine im Kern verdorbene Welt, einen „teuflischen Demiurgen“ glaubt, diametral entgegengesetzt ist: die „Familie“ ist mein Todfeind.

Ethische Dilemmata

24. November 2016

Ethische Dilemmata sind eines der Mittel, mit denen wir in der Schule gequält wurden. Darf man die Wenigen schädigen, gar töten, um die Vielen zu retten? Man kann sich beliebig perverse Szenarien ausdenken. Darf ich den Kindergarten in die Luft jagen, um so das ganze Land zu retten? Und was ist, wenn meine Kinder dort sind!

Derartige Dilemmata sind unlösbar, weil man auf der rein intellektuellen (zerebralen) und oberflächlichen (d.h. der sozialen Fassade entsprechenden) moralistischen Ebene verharrt, statt ins Bioenergetische zu gehen. „Bioenergetisch“ bedeutet hier schlicht die Ebene des Handelns. Beispielsweise kann ein Arzt bei einem Zugunglück nicht lange überlegen, wen er mittels einer Notversorgung leben läßt und wen er aufgrund der aktuell knappen Ressourcen sterben lassen muß. Er muß spontan, „aus dem Bauch heraus“ handeln, genauso wie jeder Militär oder jeder Feuerwehrmann im Einsatz.

Selbst wo vergleichsweise alle Zeit der Welt ist, etwa bei der Trennung von Siamesischen Zwillingen, wobei einer der beiden die Operation mit Sicherheit nicht überleben wird, wird letztendlich nur die medizinische Zweckmäßigkeit entscheiden. Kaum anders geht die Umwelt mit uns um, mystisch ausgedrückt „die Evolution“. Alles andere ist neurotische Zwangsgrübelei.

Kindische, d.h. von der arbeitsdemokratischen und natürlichen Umwelt abgeschnittene, „Ethikkommissionen“ sind nur in einer immer neurotischer werdenden Welt möglich. Ob sie aber selbst in einer solchen notwendig sind, ist mehr als fraglich.

Nazis und ethische Dilemmata, wohin man sieht

5. Februar 2012

Zu diesem Blogeintrag wurde ich durch einen Kommentar über die bevorstehende Ausmerzung der Trisomi 21 inspiriert. Progressive, die nicht gegen das Recht „lebensunwürdiges Leben“ abzutreiben, protestieren würden, entlarvten sich als verkappte Nazis. Man denke auch an die Angriffe gegen Thilo Sarrazin und Gunnar Heinsohn von Seiten eben dieser angesprochenen „Progressiven“. Sarrazins und Heinsohns Sorgen um die demographische Entwicklung und die Qualität des Genpools in Mitteleuropa würden beide als verkappte Nazis entlarven. Demnach sind wir also ringsum von menschenfeindlichen Nazis eingekreist.

Derartige Diskussionen sind so unerquicklich, weil der gepanzerte Mensch konsistent zwei Faktoren stets übersieht:

  1. den menschlichen Faktor; und
  2. die Zukunft.

Was immer man auch für großartige Theorien über die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Demographie, etc. aufstellt, es sind die Menschen, die noch jede Theorie ad absurdum geführt haben. Man denke nur an den Marxismus oder auch beliebige andere Wirtschaftstheorien: die Menschen verhalten sich nicht gemäß ihren Klasseninteressen, objektiven ökonomischen Interessen; Rechtstitel sind nur so viel wert, wie sie von Menschen als „heilig“ erachtet werden, etc.pp. Man wird einerseits niemals „die“ Menschen dazu zwingen können, weniger als perfekte Nachkommen zeugen zu wollen – und andererseits werden „die“ Menschen ihr einmal geborenes eigenes Fleisch und Blut bedingungslos, d.h. abseits von jedem Kalkül lieben. Da kann man mit noch soviel wirtschaftlichen, rechtlichen oder gar „eugenischen“ Theorien aufwarten!

Das bedeutet jedoch nicht, daß es außerhalb der Charakterstruktur der Massen keine objektiven Maßstäbe gäbe. Der eine Maßstab, den jeder Neurotiker systematisch umgeht, sind die Folgen seines Handelns. (Das ist so, weil Angst vor Konsequenz, d.h. letztendlich die orgastische Impotenz, den Kern seines Zustandes ausmacht.) Was bedeutet es für unser Zusammenleben, ja für unsere individuelle Sicherheit, wenn Menschen nicht mehr ein Wert an sich sind, sondern dem Kosten-Nutzen-Kalkül unterstellt werden, wie die Behinderten zur Nazizeit? Und was bedeutet es für Deutschland, wenn der angeborene IQ des Bevölkerungsdurchschnitts weiter sinkt und der Anteil von Gendefekten durch die islamtypische Inzucht weiter wächst?

Das kann nur bedeuten, daß man zweierlei Dinge tut, die sich nur aus neurotischer (ideologischer) Sicht widersprechen:

  1. alles tun, um die Würde und das Glück des vorhandenen behinderten Lebens zu sichern; und
  2. mit gleicher Kraft verhindern, daß es in Zukunft behindertes Leben geben wird.

Das sind die rationalen Vorgaben, über die nur ein Neurotiker, der auf seiner „eigenen Meinung“ besteht, weiter diskutieren könnte. Da jedoch die Menschen gepanzert sind, erscheinen solche durch und durch abstoßenden, obszönen Artikel wie der eingangs verlinkte – und angeblich erwachsene Menschen diskutieren einen derartigen Dreck.

„Ja, aber es geht doch um Abtreibung, also Mord!“ – Aus Angst vor seiner eigenen widersprüchlichen Struktur und seinem tief verankerten Sadismus muß der gepanzerte Mensch alles zu einer „ethischen Grundsatzfrage“ machen. Eine erbarmungslose „Ethik“, die zu jeder Menge unauflöslicher „Dilemmata“ führt, die ein getreues Abbild der Hilflosigkeit des gepanzerten Menschen sind.