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Deutschland und die Emotionelle Pest (Teil 4)

15. September 2025

Im Leben des Einzelnen und in der Geschichte der Völker ereignet sich nichts „einfach so“. Genauso wie im neurotischen Individuum alle Strebungen jeweils Impuls und Gegenimpuls (Abwehr) entsprechen, kann man auch gesellschaftliche Ereignisse, insbesondere aber Kriege, einordnen. Stets entspricht die eine Kriegspartei dem Durchbruch von Trieben und die andere dem Versuch, diese Triebe in Schach zu halten. „Materielle“ Interessenkonflikte spielen hierbei nur eine untergeordnete, vernachlässigbare Rolle. Jene Auseinandersetzungen, bei denen es geschichtlich tatsächlich nur um Ressourcen ging, entsprechen selbstredend nicht dem erwähnten neurotischen Kräftespiel und gehören deshalb nicht in diese Ausführungen. (Keine Angst, in späteren Teilen werde ich noch zu genüge auf die materiellen Interessen in den beiden Weltkriegen eingehen!)

Hier eine Tabelle von Kriegen, die primär neurotischer Natur waren:

Das ganze geht natürlich auch umgekehrt:

Es ist immer so, daß die Kräfte des Lebens (OR) gegen die Kräfte des Todes (DOR) stehen. Einer der Kontrahenten kann dabei gleichzeitig zwei entgegengesetzte Funktionen einnehmen. England kann gegen die rationale amerikanische Revolution angehen und gleichzeitig gegen die irrationale französische Revolution. Es ist genauso wie in der Neurose, wo etwa Zwanghaftigkeit jede natürliche Lebensäußerung unmöglich macht, aber gleichzeitig auch anal-sadistische Triebe in Schach hält.

Ähnlich sieht es mit dem Gegensatz zwischen „die Alliierten (DOR)“ und „Faschismus (OR)“ aus. Beispielsweise stand in den 1930er Jahren ganz und gar nicht fest, daß Italien, das sich schließlich als Schutzmacht eines unabhängigen Österreich sah, mit Deutschland ein Bündnis eingehen würde. England hätte damals kein Problem damit gehabt, sich mit Italien zu verbünden. Es hatte ja auch keines bei Polen, das zu dieser Zeit alles andere als eine Demokratie war! Im Verlauf des Krieges wechselte die Sowjetunion die Fronten: von einem faktischen Bündnispartner Deutschlands zu einem offenen Bündnispartner Englands. England hatte damit kein Problem, obwohl die Sowjetunion in mancher Hinsicht schlimmer als Hitlerdeutschland war!

Nun, das sind abstrakte Überlegungen im Nachhinein vom bequemen Schreibtisch aus. Italien hatte sich nun mal auf Gedeih und Verderb mit Deutschland verbunden und schließlich sogar dessen „Rassengesetze“ übernommen. Rußland bot sich dem vollkommen isolierten England als Waffenbruder an, nachdem Hitler Rußland angegriffen hatte, explizit um England auch diese letzte Hoffnung eines möglichen Bündnispartners auf dem Kontinent zu nehmen. Churchill konnte da gar nicht anders, als sich mit der Sowjetunion zu verbünden, zumal deren Lage anfangs alles andere als rosig aussah und die Sowjetunion entsprechend nicht gerade bedrohlich wirkte!

Genauso wie in der Orgontherapie es nicht darum geht, Panzerung per se zu beseitigen, nur weil sie vorhanden ist, sondern systematisch vorzugehen, d.h. jeweils darauf zu achten, welche Funktion die Panzerung im gegebenen Augenblick hat, gilt auch in der Geschichte, daß eine gewisse Ehrfurcht vor der Macht des Faktischen geboten ist. Die freie Welt, die damals in Gefahr stand, auf die USA reduziert zu werden, konnte unmöglich gleichzeitig Hitler und Stalin angreifen. Die Umstände zwangen dazu, zuerst Hitler zu beseitigen und erst dann die Sowjetunion. General Patton wollte zusammen mit der Wehrmacht unter neuer Führung gleich weiter nach Moskau weitermarschieren. Dies war politisch unmöglich durchsetzbar. Doch wenige Jahre später wurde mit Wehrmachtsoffizieren die Bundeswehr gegründet und in einem Kalten Krieg schließlich auch die Sowjetunion besiegt. Wären durch die Atomspione und durch Playboy-Politiker a la Kennedy den Alliierten nicht ständig Knüppel zwischen die Beine geworfen worden, wäre die Sowjetunion spätestens in den 1960er Jahren kollabiert, aber 1989, spätestens 1991, hat es dann doch geklappt.

Trotzdem bleibe doch die Tatsache, daß ich in meiner Gleichung ausgerechnet die Sowjetunion Stalins mit der pulsierenden Orgonenergie (OR) gleichgesetzt habe! Meine Antwort: Es handelt sich bei orgonometrischen Gleichungen nie um mechanische („logische“) Gleichsetzungen und Entgegensetzungen, sondern um funktionelle (lebendige) Beziehungen, d.h. um bewegliche Prozesse, die nicht vom Zusammenhang und der zeitlichen (bzw. funktionellen, was nicht unbedingt das gleiche sein muß) Entwicklung getrennt werden können. Ein und das gleiche Messer sind in den Händen eines Chirurgen und in den Händen Jack the Rippers funktionell vollkommen unterschiedliche Dinge. Das gleiche gilt auch, wenn Jack the Ripper tagsüber als Chirurg gearbeitet hätte! Am Tag wäre Jack ein Werkzeug des Lebendigen gewesen, nachts ein Werkzeug der Hölle.

Prinzipiell ist eine Beckenpanzerung etwas Schlimmes, sogar sozusagen das „ultimative Böse“. Für den Neurotiker, erst recht für Schizophrene, ist die Beckenpanzerung jedoch ein absoluter Segen, da sie den Organismus vor der Überflutung mit Energie und dem kompletten Zusammenbruch bewahrt. Wahrheiten sind wohlfeil, Gegenwahrheiten sind kostbar! Das Problem ist, daß Faschisten ähnlich wie „Reichianische“ „Bioenergetiker“ mit Wahrheiten nur so um sich werfen, als handele es sich um Konfetti. Das geht soweit, daß heute in der sehr populären „revisionistischen“ Literatur Churchill als Blutsgeselle Stalins verteufelt wird, während Hitler demgegenüber geradezu ein Glorienschein verliehen wird. (Keine Angst, auch in dieser Beziehung werde ich in den folgenden Teilen nicht einfach den konventionellen Standpunkt widerkauen!)

The Journal of Orgonomy (Vol. 47, No. 2, Fall 2013/Winter 2014)

11. November 2014

In dem Artikel „The Exception that Proves the Rule: The Natural Organization of America“ legt Charles Konia dar, daß Verantwortung eine soziale Funktion ist, Freiheit eine tiefere biologische Funktion. In der amerikanischen „Revolution“ wollten die einen, wie Washington, einfach nur die Unabhängigkeit, d.h. die Verantwortung für ihr Leben selbst übernehmen, die anderen, insbesondere Jefferson, wollten Freiheit, indem sie in einer „richtigen“ Revolution „die da oben“ blutig stürzen. Das zeigte sich beispielsweise an der unterschiedlichen Haltung der beiden Parteien zur Französischen Revolution, die das Mutterland England bedrohte.

Heute wird Jefferson von ganz Links bis ganz Rechts unisono als tiefer, radikaler Geist gepriesen, während man „Pragmatikern“ wie Washington mit kaum verhohlener Verachtung gedenkt. Das Problem ist, daß man „Freiheit“ mit politischen oder gar militärischen Mitteln nie und nimmer erlangen wird. Die Menschen sind nämlich biologisch freiheitsunfähig, ähnlich wie eine Regenbogenforelle „meerwasser-unfähig“ ist. Entsprechend war der pseudo-liberale Charakter Jefferson ein gemeingefährlicher Freiheitskrämer, dessen Reden von „Freiheit“ fast zwangsläufig im amerikanischen Bürgerkrieg münden mußten, von dem sich das Land bis heute nicht restlos erholt hat.

Reich schrieb über diese Freiheitskrämer im Christusmord, daß, hätten sie die Macht „Freiheit und Selbstregulierung“ über Nacht einfach so zu dekretieren, eine Menschheitskatastrophe die Folge wäre, die unser Leben wie eine neue Sintflut hinwegspülte.

Leute wie Washington wollten hingegen „nur“ Unabhängigkeit – ein Ziel, daß man tatsächlich mit „sozialen“ Mitteln erreichen kann. Überall dort, wo die Menschen sogenannte „bürgerliche Revolutionen“ hatten, etwa nach dem Krieg in Westdeutschland, als sich die Marktwirtschaftler gegen die Sozialisten durchsetzten, kam es zur Prosperität. Überall dort, wo man radikaler und grundsätzlicher vorging, etwa auf dem chinesischen Festland, kam es zur ultimativen Katastrophe. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Begeisterung für Mao, den größten Massenmörder der Menschheitsgeschichte, die selbst den einen oder anderen „Reichianer“ in ihren Bann gezogen hat („Kulturrevolution“). Leute wie Jefferson und Mao sind im gesellschaftlichen Bereich die Entsprechung zu den Reichianischen Körpertherapeuten: verantwortungslose Freiheitskrämer, die mit Dingen hantieren, von denen sie nicht die blassesten Schimmer haben.

Das bringt mich zur Gegenwart und dem ewigen Streit, ob Leute wie Konia eine „akzeptable“ Sicht auf die USA haben. Dabei wird beispielsweise auf den „Petrodollar“ verwiesen, den die Amerikaner mit militärischer Gewalt verteidigten, um so ihre Währung auf Kosten der übrigen Welt künstlich am Leben zu halten, obwohl die Gelddruckmaschinen der Federal Reserve seit Jahrzehnten heißlaufen. Die USA als „Weltterrorist“ und die EU als Erfüllungsgehilfe. Dabei wird stets übersehen, daß einem „Freiheitshelden Jefferson“ stets ein „Diktator Lincoln“ folgen muß, soll nicht alles in Unfreiheit und Barbarei enden!

Wie Robert Harman in „Practical Functional Economics (Part IV): The State of the Global Economy“ darlegt, hat der Kapitalismus aufgrund orgonomischer Gesetzmäßigkeiten („orgonotische Pulsation“) ein Zentrum und eine Peripherie. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war London und das britische Pfund das Zentrum, seit spätestens dem Zweiten Weltkrieg ist es New York und der Dollar. Beide Währungen wurden theoretisch durch Gold gedeckt, wobei man Gold (bzw. natürlich eine Golddeckung) benötigte, um an Pfund bzw. Dollar zu kommen. Für das Zentrum selbst (erst London dann New York) war deshalb die eigene Golddeckung kurioserweise vollkommen unbedeutend.

Diesen Absatz nehme ich auf meine Kappe: Das System brach deshalb jeweils zusammen, als Frankreich (1.) 1926 den Goldstandard einführte, dabei den Franc stark unterbewerte und damit das überbewertete und kaum goldgedeckte Pfund destabilisierte; und (2.) 1965 gegenüber den USA darauf bestand, für seine goldgedeckten Dollar auch tatsächlich das entsprechende amerikanische Gold zu erhalten, d.h. es physisch nach Frankreich zu verfrachten. Der Präzedenzfall war da, der Damm war gebrochen, so daß 1971 Nixon die Golddeckung aufgeben mußte. Im ersteren Fall mündete Frankreichs Rebellion gegen das Zentrum des Weltkapitalismus in der Großen Depression der 1930er Jahre, im zweiten Fall im Zusammenbruch von 2007. Daß im zweiten Fall der Zusammenbruch so lange hinausgezögert werden konnte, liegt u.a. am „Petrodollar“, der an die Stelle der Golddeckung getreten war. Die ganze Welt mußte ihr Rohöl mit Dollar bezahlen, der letztendlich in amerikanischen Kassen endete. Man stelle sich vor, der Zusammenbruch wäre zu Hochzeiten des Kalten Krieges erfolgt! Heißt das, daß man die Geldpolitik der USA gut finden muß oder jeden ihrer Versuche, die internationale Ordnung aufrechtzuerhalten? Nein, aber es geht nicht an, Amerika als Beelzebub schlechthin darzustellen und freiheitskrämerisch die Moralkeule zu schwingen.

Der letzte Absatz ist auf meinem eigenen Mist gewachsen, karikaturhaft verkürzt und wird Harmans Ausführungen in keinster Weise gerecht, d.h. die Große Depression und „2007“ hatten weit komplexere Ursachen, aber im Kern stimmt es. Es ist auch bezeichnend, daß ausgerechnet Frankreich („Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“) an der Wiege der beiden Katastrophen steht. Es geht darum, wie sich die globale Wirtschaft spontan organisiert und wie die Akteure damit umgehen.

Dabei gibt es beständig eine Auseinandersetzung zwischen der lebendigen Arbeit und den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten auf der einen Seite und der Emotionellen Pest (der „Antiarbeit“) auf der anderen Seite. Ein schlagendes Beispiel ist der Euro, der weitgehend ein „französisches“ Projekt ist. Wie Harman im Anschluß an Reich darlegt, ist die lebendige Arbeit eine internationale Funktion, die durch Staatsgrenzen nur behindert wird. Aus dieser Sicht war die Einführung des Euro ein lebenspositives Projekt. Geradezu diabolisch ist es, daß gleichzeitig die Südländer durch den starken Euro, der in keinster Weise ihre schwache Produktivität zum Ausdruck brachte, dazu verführt wurden, sich bis zum Abwinken zu verschulden. Und statt diese Schulden, die eh niemals beglichen werden können, einfach abzuschreiben und eine Krise in Kauf zu nehmen, die man vielleicht noch hätte bewältigen können, wurde vor allem auf den Druck Frankreichs hin „gerettet“, d.h. ein um so katastrophalerer Zusammenbruch in die Zukunft verschoben. Heute sind wir dergestalt in der Situation, daß wir so tief verstrickt sind, daß wir den Euro gar nicht mehr aufgeben können, wobei gleichzeitig dessen Erhalt ebenfalls in die garantierte Apokalypse münden wird. Das ist die Emotionelle Pest: sie führt (verantwortungslos und im Namen der „Freiheit“) das Lebendige in Situationen, aus denen es kein Entkommen mehr gibt. Harman:

Ich habe hier zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Beschreibung dieser Situation in Europa gelegt, weil es ein so klares Beispiel dafür ist, wie die Emotionelle Pest funktioniert. Die Pest schafft Verwirrung und Immobilisierung bis zu dem Punkt, wo menschliches Denken und Handeln (…) ein extremes Niveau von Sinnlosigkeit erreicht, das zu tragisch selbstzerstörerischem Verhalten führt, das nur das Ausmaß an Verwirrung und Immobilisierung verstärkt. Was geschieht, ist das Sequestrieren und Beseitigen der Lebensfunktion selbst. Wenn die fadenscheinigen Rationalisierungen entfernt werden, ist die einzige Logik an der Pest die Logik der Notwendigkeit, das Leben abzusondern und zu eliminieren. (S. 71f)

Man nehme etwa folgende Ausführungen gegen die USA, den Petrodollar, etc. Sie führen in ihrer inneren Logik dazu, daß der Kern der Weltökonomie, die USA und der Dollar, funktionsunfähig gemacht wird, auf der Weltbühne die Anarchie ausbricht und Verbrechersyndikate, d.h. ehemalige kommunistische „Staaten“ wie Rußland und China die Welt dominieren. Das alles natürlich im Namen der „Freiheit“, gar des „Lebendigen“. Das Schlimme ist, daß niemand die Emotionelle Pest erkennt, sondern ganz im Gegenteil alle vermeinen hier würden sich Liebe, Leben und Freiheit regen und die Erlösung nahe sein:

[youtube:http://www.youtube.com/watch?v=PiTZuozOaBA%5D