Posts Tagged ‘Historischer Materialismus’

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 18)

26. April 2024

Hermann Schmitz folgende vermeintlich gegen Reich gerichtete Aussage ist absolut bemerkenswert:

(…) Thema der Prophylaxe die Befreiung vom Erziehungszwang (und damit von einem „Charakterpanzer“, wie Sie oft, gleichfalls nach Reich, sich ausdrücken) (…). Ich bestreite zwar nicht, daß so etwas gelegentlich auch heute noch eine gute pädagogische Aufgabe sein kann, aber ich glaube, daß diese Zielsetzung als pädagogisches Generalthema seit 200 Jahren antiquiert ist, nämlich seit dem Einsetzen der Verfehlung des abendländischen Geistes mit Fichte und der Frühromantik einschließlich Stirners. (…) Das Hauptproblem der Menschheit ist heute nicht mehr der Erziehungszwang oder der Charakterpanzer, sondern der Nihilismus (…) im Sinn der Entdeckung der strikten Subjektivität, daß die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ nicht mehr in objektiven oder neutralen Tatsachen zu finden ist. (In allen objektiven Tatsachen, die über Herrn Hermann Schmitz ausgesagt werden können, ist kein Grund dafür zu finden, daß ich er bin.) Daraus ergibt sich für jeden, daß er die Maßstäbe dafür, wofür er verantwortlich ist, nur noch seiner Selbstbesinnung entnehmen kann. Dem sind Menschen noch nicht gewachsen. Sie haben noch nicht gelernt, sich in die für sie subjektiven Sachverhalten, Programme und Probleme so einzuleben, daß sie diesen eine Steuerung des Beliebens über den Wechsel von Launen hinweg entnehmen können. Die Menschen nehmen sich alles heraus und wissen nicht, wohin. Das ist das nihilistische Leiden an der eigenen Freiheit. (…) Was die Menschen heute brauchen, ist eine neue Standfestigkeit, nicht oder nur nebenbei eine Befreiung von Zwang. Wie sehr sie eine solche Festigkeit als nötig empfinden, zeigen die vielfältigen Ersatzbefriedigungen im (namentlich religiösen) Fundamentalismus, z. B. im Islam oder in Bushs neoamerikanischer Religion. (S. 374)

Das ist eine sehr gute Beschreibung des Unterschiedes zwischen der autoritären, durch den Muskelpanzer bestimmten Gesellschaft vor 1960 und der antiautoritären nach 1960, die durch den Augenpanzer bestimmt wird. Was man sich darunter vorstellen soll, wird sehr schön durch folgende junge Dame verkörpert:

So etwas bringt nur ein Mensch fertig, der so gut wie frei von Muskelpanzerung ist. Ihre Videos zeigen auch, daß sie ein freies Becken hat. Sie ist aber natürlich kein „genitaler Charakter“, sondern das genaue Gegenteil: ein Mensch, der ganz in der Oberfläche lebt („Cosplay“) und innerlich vollkommen leer ist: buchstäblich ein Roboter, den man nach Belieben mit irgendwelchen Programmen füttern kann.

Es ist eine haltlose Generation. Wir leben aber auch in einer Übergangsphase, in der der Mensch lernt (oder sagen wir besser: lernen könnte), die Haltlosigkeit (Ungepanzertheit) zu erden, d.h. das subjektive „Es gibt keine Wahrheit!“ durch das Objektive, die Entdeckung der kosmischen Orgonenergie zu ersetzen.

Schmitz geht aber einen Schritt weiter und leugnet schlichtweg ganz die Sinnhaftigkeit des Konzepts „Charakterpanzer“.

Die Anthropologie, die darin zum Ausdruck kommt, stimmt mit dem ersten Absatz von Rousseaus „Emile“ überein und ist m.E. grundfalsch. Das Bild verlangt, daß erst einmal ein Körper da ist, dem der Panzer angelegt werden kann, in der Sprache Rousseaus a.a.O. der Mensch, „wie er aus den Händen des Schöpfers kommt“. (…) Das sind sehr naive Verdinglichungen. (…) Deswegen will ich nur andeuten, daß die Person als Bewußthaber mit Fähigkeit zur Selbstzuschreibung (etwas für sich selbst zu halten) in ambivalenter Zwitterhaftigkeit zwischen diesem personalen Selbstbewußtsein und dem präpersonalen des leiblich-affektiven Betroffenseins mit leiblicher Dynamik und leiblicher Kommunikation existiert und unabwerfbar ihre zuständliche persönliche Situation (volkstümlich genannt: ihre Persönlichkeit) als Hülle und Kontrahenten zugleich mit sich führt, ein Gepäck wie eine zähfließende Masse, in der unzählige zähflüssige Massen gleiten und die ihrerseits in solchen zähflüssigen Massen (implantierenden und includierenden gemeinsamen Situationen) gleitet. Die Hülle ist also schon da, wenn die Person sich zu ihrer Lebensgeschichte als Person aufmacht, und zwar mehrfach da, als persönliche Situation und als diese in sich einbettende gemeinsame Situation; sie ist gleichursprünglich mit der Person. Deswegen ist die Annahme verfehlt, der Mensch sei als Person erst einmal gleichsam nackt vorhanden und dann irgendwie bekleidbar, sei es mit einem (Charakter-)Panzer oder mit einem weicheren Kleid. Unter den einbettenden und eingebetteten Situationen, in denen die Person befangen ist, gibt es immer Reibungen, und dazu gehören Verhärtungen, Verklumpungen, Verkrustungen, die durch gleichsam kluge Diplomatie (z. B. Erziehung, Psychotherapie) aufgelöst werden sollten. Die Hoffnung, unter einer Kruste den lebendigen Organismus freizulegen (wie beim Schwein, wenn der trocken gewordene Schlamm in der Sonne abplatzt), ist bei der Person aber vergebens. (S. 382)

Um darauf einzugehen, muß ich etwas weiter ausholen: Bei Schmitz fällt auf, daß die Wirtschaft gar nicht vorkommt. Sein System imponiert als das Gegenteil des Historischen Materialismus. Johann Gottlieb Fichte ist in seinem System unendlich wichtiger als die Dampfmaschine, die sich etwa zeitgleich zu verbreiten beginnt! Von Klassengegensätzen will ich erst gar nicht anfangen. – Was hat das nun mit dem „Charakterpanzer“ zu tun? Betrachten wir dazu den Hamburger Hafen: der hat seit jeher ein besonderes Flair, Gepräge, ein fast schon „mediterranes“ Mikroklima etc. Entsprechend wird er auch beispielsweise in der Touristenwerbung der Freien und Hansestadt Hamburg verkauft. Die „Natur“ des Hafens und seine nach außen getragene „Persönlichkeit“ (bei der seine „Natur“ karikaturhaft zugespitzt wird) sind weitgehend identisch. Das, diese „implantierende Situation“, ist die ganz Welt Schmitz‘. Daß es auch so etwas wie den Hafenbetrieb, die Ökonomie gibt, der sich, wenn man so will, als „Charakter“ zwischen „Natur“ und „Persönlichkeit“ schiebt, und daß der alles bestimmt, kommt bei Schmitz konzeptionell nicht vor. Das läßt sich selbstredend eins zu eins auf den Menschen übertragen: selbstredend, weil wir ja daher diese Begrifflichkeit genommen haben.

Hier gehört der materialistische „Charakterpanzer“ hin (und ganz nebenbei die Verortung des „Marxistischen“ Anteils der Orgonomie!), für den es in Schmitz‘ „idealistischem“ System einfach keinen Platz gibt. Wenn man mal von Schmitz‘ Begriff „Fassung“ (S. 389) absieht (im Sinne von „die Fassung verlieren“). Ziemlicher Unsinn, denn wenn ich meine Fassung verliere, kommt mein Charakter erst recht zum Vorschein. Schmitz‘ „Fassung“ entspricht demnach dem, was Reich als „die Fassade“ bezeichnet hat. Das wird durch Laskas Zusammenfassung von entsprechenden Passagen bei Schmitz offensichtlich (S 390f), aber Schmitz begreift rein gar nichts!

Brief an Prof. Henri Arvon (11.11.92)

5. April 2024

Brief an Prof. Henri Arvon (11.11.92)

Email [Über Theologie] (2004)

4. Februar 2024

Email [Über Theologie] (2004)

Der Rote Faden (Band 2): 57. Marx, Freud, Reich (Fortsetzung)

4. Januar 2024

DER ROTE FADEN (Band 2): 57. Marx, Freud, Reich (Fortsetzung)

Der Rote Faden (Band 2): 56. Reich und die Linke

28. Dezember 2023

DER ROTE FADEN (Band 2): 56. Reich und die Linken

Von Karl bis Olaf und die Tunten

7. September 2023

Um Marx zu begreifen, muß man zunächst Feuerbach und Stirner verstehen. Sowohl Marx (vor 1845) als auch Freud (zeitlebens) waren Feuerbachianer, d.h. Atheisten, die an „die Kultur“ glaubten und Gott durch die Götzen Humanität, Menschlichkeit, „das Menschliche und Ethische“ ersetzten. Sie waren also Atheisten, aber halt „fromme Atheisten“. Im Grunde waren sie klassische Liberale, die keinen Kontakt zum bioenergetischen Kern hatten und stattdessen alles von der gesellschaftlichen Fassade her ableiteten. Stirner hat sie (mit ähnlichen Argumenten wie später Reich gegen Freud) argumentativ zermalmt. Seine Botschaft lautete: Werde das Über-Ich los (d.h. sowohl „Gott“ als auch „die Menschheit“) und sei dein biologisches Selbst.

Marx vermied es, von Stirner intellektuell vernichtet zu werden. Statt „menschliche und humane Werte“ zu verteidigen, was nur dazu geführt hätte, Stirner weiter zu bestätigen, entwickelte er in seinem Monumentalmanuskript Die deutsche Ideologie das, was später zum Historischen Materialismus wurde. Hier leugnete Marx einfach die Menschheit (alles ist Klassenkampf), das Menschliche (man ist nur ein Brennpunkt der sozioökonomischen Kräfte, d.h. des Klassenkrieges), das Humane (alle Werte sind lediglich Funktionen des Klassenkriegs) und das Individuum (das bloß der Bourgeois ist). Das ist der Historische Materialismus, der seinerseits nichts anderes ist als der Rote Faschismus, d.h. der Pseudoliberalismus: die Fassade steht im Dienste der sekundären Schicht, anstatt sie zu unterdrücken, wie es die „Feuerbachianer“ der klassischen Liberalen taten.

Noch heute hassen die Marxisten sowohl Stirner als auch Reich genau aus diesem Grund. Weshalb? Sowohl Stirner als auch Reich beriefen sich auf die biologische Selbstregulierung. Das bedeutet natürlich nicht, daß Feuerbach, Marx und Freud in all ihren Theorien „falsch“ lagen, es bedeutet nur, daß man ihren wahren Platz in der Geistesgeschichte nur über das biosoziale „Drei-Schichten-Konzept“ von Reich, Baker, Mathews und Konia verstehen kann, das Reich erstmals im Vorwort von Die Massenpsychologie des Faschismus skizzierte.

Letztlich sind Marx und seine heutigen Epigonen durch die Emotionelle Pest in ihnen motiviert, die Selbstregulierung zu zerstören. Aber diese Behauptung ist zu unspezifisch und damit selbst pestartig. Stattdessen muß man, wie ich es oben getan habe, sowohl die historischen, philosophischen als auch vor allem die bio-psychologischen Mechanismen skizzieren.

Vor diesem Hintergrund ist ein Blick auf die Tätigkeit unserer neo-Marxistischen Regierung aufschlußreich. Nehmen wir Olafs Selbstbestimmungsgesetz. „Selbstbestimmung“? Klingt doch durchaus nach (einem banalisierten) Stirner! Und tatsächlich fallen viele naive „Stirnerianer“ auf sowas rein. Aber natürlich hat dieses Gesetz nichts, aber wirklich gar nichts, mit der „biologischen Selbstbestimmung“ im Sinne Stirners zu tun. Vielmehr geht es darum, das Menschsein an sich aufzuheben und selbst dein Geschlecht zu einem bloßen gesellschaftlichen Konstrukt zu machen. Es geht darum, die sekundären, perversen Triebe gegen das Lebendige selbst in Stellung zu bringen, indem man sich liberal und menschenfreundlich gibt (Stichwort: Selbstbestimmung). Roter Faschismus, wie oben knapp beschrieben.

Es ist aber noch schlimmer, denn wer sich gegen diese lebensfeindliche Sauerei wehrt, wendet sich automatisch gegen die besagte „Stirnersche biologische Selbstbestimmg“. Ich zitiere aus dem oben verlinkten Artikel auf pi-news Gereon Bollmann, AfD-Bundestagsabgeordneter und früherer Richter am Oberlandesgericht Schleswig:

„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“, heißt es in Artikel 2 des Grundgesetzes. Das nun von der Ampel-Koalition vorangetriebene „Selbstbestimmungsgesetz“ steht aufgrund seiner gravierenden Eingriffe in massivem Widerspruch zu diesem verfassungsmäßig verbrieften Grundrecht. Es stellt einen weiteren rot-grünen Meilenstein zur Zerstörung unserer Familien dar. Künftig soll es den Familiengerichten obliegen, darüber zu entscheiden, ob der Wunsch eines Kindes nach einem Geschlechtswechsel maßgeblich ist, obwohl die Eltern dagegen sind. Des Weiteren birgt das „Selbstbestimmungsgesetz“ die Möglichkeit, staatliche Stellen als Erziehungsberechtigte einzusetzen und die Kinder in bekannt sozialistischer Manier der Obhut ihrer Eltern zu entziehen. (…) Die Erziehungsrechte der Eltern dürfen nicht von linksgrün verbohrten Ideologen infrage gestellt werden!

Die, die sich gegen den Marxismus stellen, finden sich dergestalt auf der Seite des „Erziehungsrechts“, d.h. des Rechts Kinder zu enkulturieren, ihnen ein Über-Ich zu verpassen, sie abzupanzern. Ich sehe förmlich das bösartige Grinsen des „Kulturbolschewisten“ plastisch vor meinen Augen!

Was lehrt uns das? Es ist vollkommen sinnlos sich „argumentativ“ mit diesen Leuten auseinanderzusetzen, da ihre gesamte Ideologie von Anfang an darauf ausgerichtet war, absolut unangreifbar zu sein. Das einzige, was man tun kann, ist den charakterologischen Hintergrund des Kommunismus immer und immer wieder offenzulegen, wie es Reich und im Anschluß an ihn Baker, Mathews und Konia getan haben.

Schnipsel (nicht verwendete Passagen aus dem Artikel „Vade retro!“, 2016)

5. August 2023

Schnipsel (nicht verwendete Passagen aus dem Artikel „Vade retro!“, 2016)

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 74)

30. Juli 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Der Kern dieser Reihe von Blogeinträgen läßt sich wie folgt zusammenfassen:

# ohne LaMettrie kein Rousseau, damit keine Französische Revolution und kein 19. Jahrhundert

# ohne Stirner weder Marx noch Nietzsche, d.h. keine Schrecknisse des 20. Jahrhunderts

# ohne Reich keine sexuelle Revolution, die etwa 1960 einsetzte, damit kein transgender, kein Transhumanismus und der Untergang der menschlichen Rasse

WAS?! WIE BITTE?! Bedeutet das nicht, daß LaMettrie, Stirner und Reich, kurz LSR, ein einziges Verhängnis sind? Bei dieser Frage muß ich an James DeMeos nur scheinbar widersinniges Diktum denken, daß es nichts Schlimmeres gäbe, als im Kern Saharasias zu cloudbusten und dort zumindest tendenziell das DOR durch OR, also die abgestorbene, wenn man so will, giftige „Todesenergie“ durch die Lebensenergie zu ersetzen. Durch diese zusätzliche frische Energie wird nämlich die Emotionelle Pest dort erst recht hochgepusht. Genauso ist es mit LSR: vermittelt durch LaMettries Schriften wurde Rousseau 1749 zu jener „Erleuchtung“ geführt, die unzähligen Menschen Tod und Leid bringen sollte, „daß der Mensch von Natur gut ist, und daß es lediglich von ihren Einrichtungen herrührt, wenn die Menschen böse werden“. Von dort führt eine gerade Linie zum Terror der Französischen Revolution und über Marx zum GULAG und den 100 000 000 Opfern des Kommunismus.

Marx war ein gläubiger Feuerbachianer bis ihn 1844/45 die Auseinandersetzung mit Stirner dazu brachte, den Historischen Materialismus auszuformulieren. „Hiernach sind“, so Friedrich Engels, „die letzten Ursachen aller gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Umwälzungen zu suchen nicht in den Köpfen der Menschen, in ihrer zunehmenden Einsicht in die ewige Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern in Veränderungen der Produktions- und Austauschweise; sie sind zu suchen nicht in der Philosophie, sondern in der Ökonomie der betreffenden Epoche.“ Das ist das Ende des selbstregulierten, autonomen, selbständigen Menschen – alles nur, um mit Stirner fertigzuwerden.

Nietzsche wurde mit Stirner anders fertig: alles wird gnadenlos zerredet, Behauptungen und Gegenbehauptungen aufgestellt, bis alles Denken blockiert ist. Am Ende steht nach allen vermeintlichen weltstürzenden Theorien, daß die alte reaktionäre Ordnung in verschärfter Form wiederhergestellt wird. Nietzsche…

Und schließlich Reich: die letzte Konsequenz der vollkommen verzerrten und pervertierten sexuellen Revolution, die die klassische Geschlechts- und damit auch Geschlechterordnung grundsätzlich in Frage stellte, ist transgender. Und transgender ist die unmittelbare Vorstufe zum vollendeten Transhumanismus. In der Vierten Industriellen Revolution werden, so Klaus Schwab, „die Grenzen zwischen der physikalischen, der digitalen und der biologischen Sphäre verschwimmen“, d.h. wir verändern nicht nur die Umwelt, sondern vor allem auch uns selbst. Die beliebige Auswahl des Geschlechts ist nur der Anfang des Horrors…

Am Ende der Menschheit steht eine Transformation, die im Kern eine Selbstveränderung ist – und damit eine grausame Karikatur derjenigen „Empörung“, die Stirner 1844 in Der Einzige und sein Eigentum angekündigt hatte:

Revolution und Empörung dürfen nicht für gleichbedeutend angesehen werden. Jene besteht in einer Umwälzung der Zustände, des bestehenden Zustandes oder Status, des Staats oder der Gesellschaft, ist mithin eine politische oder soziale Tat; diese hat zwar eine Umwandlung der Zustände zur unvermeidlichen Folge, geht aber nicht von ihr, sondern von der Unzufriedenheit der Menschen mit sich aus, ist nicht eine Schilderhebung, sondern eine Erhebung der Einzelnen, ein Emporkommen, ohne Rücksicht auf die Einrichtungen, welche daraus entspriessen. Die Revolution zielte auf neue Einrichtungen, die Empörung führt dahin, Uns nicht mehr einrichten zu lassen, sondern Uns selbst einzurichten, und setzt auf „Institutionen“ keine glänzende Hoffnung. Sie ist kein Kampf gegen das Bestehende, da, wenn sie gedeiht, das Bestehende von selbst zusammenstürzt, sie ist nur ein Herausarbeiten Meiner aus dem Bestehenden. (Hervorhebungen hinzugefügt)

Der grundsätzliche Fehler, den Rousseau, Marx und die Träumer vom Übermenschen begehen, ist offensichtlich: ohne das Über-Ich, die Panzerung, anzugehen, kann der LSR-Impuls (der ohne SYSTEMATISCHES Angehen des Über-Ich gar keiner ist, sondern das genaue Gegenteil) nur ins Verderben führen.

Authentisch, autonom, frei, selbstbewußt, glücklich und produktiv (Teil 4)

4. Juni 2023

Du kannst nur authentisch, autonom, frei, selbstbewußt, glücklich und produktiv sein, weil die Orgonenergie eine ganz bestimmte Eigenschaft hat, die aller mystisch-mechanistischen Weltanschauung widerspricht: Spontanität.

Die Auseinandersetzung mit Max Stirner zwang Marx seinen Feuerbach‘ismus, d.h. die pseudoatheistische Vergöttlichung „der Menschheit“, hinter sich zu lassen und stattdessen den Historischen Materialismus zu entwerfen. Was leistet der? Er vergesellschaftet das Individuum und errichtet so durch die Hintertür doch wieder „die Menschheit“ Feuerbachs.

Dazu diese interessante Aufstellung: https://willenberg-clp.de/wp-content/uploads/2020/10/synopse-fb-m-f.pdf

Wie passen LaMettrie, Stirner und Reich hier rein? Sie vertreten keine Projektionstheorie, sondern, frei nach Sandor Ferenczi (als der um 1910 herum ganz kurz Reich vorwegnahm und dafür von Freud zusammengestaucht wurde), eine Introjektionstheorie.

Wer vertritt noch eine Introjektionstheorie? Das Christentum: der Mensch betet keinen Götzen (Gott) an, sondern umgekehrt wird Gott zum Menschen. Stirner spielt darauf in seinen anfänglichen Reden an Kirchengemeinden an. Und Stirner kehrt es schließlich um: ich habe meine Sache auf mich gestellt – genauso wie Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen hat. Was bedeutet, die Welt aus dem Nichts zu schaffen? Spontanität, agieren aus der eigenen Fülle jenseits von „Ursache und Wirkung“.

Das Christentum vertritt eine zweite, komplementäre Introjektionstheorie: das gesamte Neue Testament handelt von nichts anderem, als daß „Dämonen“ von uns Besitz ergreifen und uns der Selbststeuerung berauben. Aus äußeren Hierarchien werden „innere Hierarchien“ (das Über-Ich), die uns dazu bringen gegen unsere eigenen Interessen zu handeln.

Stirner war dergestalt Materialist, weil er die allgemeinen Begriffe („die Menschheit“) aufhob und er war gleichzeitig Antimaterialist, weil er damit genau das aufhob, was den Wesenskern des Materialismus ausmacht: Ursache und Wirkung. Spontanität ist mit jedwedem Materialismus unvereinbar. Ich erinnere an den strengen Determinismus sowohl bei Marx als auch bei Freud (und gewisserweise auch bei Nietzsche). Hinter diesem Determinismus verbirgt sich natürlich letztendlich nichts anderes als der Deismus und damit ein „moralisches Universum“ – also die pseudomaterialistische Pseudoaufklärung, die alles Tat, um den Störenfried LaMettrie zu beseitigen.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 56)

16. März 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Kurt Hiller, mit dem ich mich kurz in Band 1 von Der Rote Faden (S. 69f) beschäftige, schrieb 1943 über Marx:

Bei allen großen Denkern beobachten wir Entwicklung, Wachstum, gewisse Wandlungen; aber bei Karl Marx sehen wir einen Bruch. Nach 1845 dachte und schrieb Marx das genaue Gegenteil von dem, was er bis 1845 dachte und schrieb. Nicht in politischer Hinsicht das Gegenteil, aber in philosophischer Hinsicht. Während er bis 1845 auf der Linie jenes ethischen Aktivismus philosophierte, der seit Echnaton und Moses, seit Zoroaster und Kungfutse, seit Sokrates und Christus allen Großen der Menschheit gemeinsam ist, ging er nach 1845 dazu über, zu antiphilosophieren: das Geistige als Funktion herabzusetzen, Ethik als Kategorie lächerlich zu machen, über die Idee IDEE zu spotten. Dies war sein berühmter „Materialismus“; nicht, daß er die materielle Bedingtheit des seelisch-geistigen Daseins behauptete und insonderheit die ökonomisch-materielle, deren Schauerlichkeit für einen bedeutenden Sektor der Bevölkerungen unter dem Kapitalismus er erkannte. Er teilte diese Erkenntnis mit den Sozialisten vor ihm, den von ihm „utopisch“ genannten, und die Bedeutung des Materiellen überhaupt war bereits drei, vier Generationen vor ihm von der Aufklärung, besonders der französischen, erfaßt worden und längst Gemeinbesitz aller Gebildeten, gerade auch aller gebildeten Idealisten. Marx‘ „Materialismus“ mit seiner immer noch nicht erloschenen Herausforderung ist: sein Nein zur philosophischen Methode. Welche er bis zu seinem siebenundzwanzigsten Jahre selber großartig angewandt hat. Wie der Bruch zu erklären sei, darüber mögen Historiker mit Psychologen, Zeloten mit Zynikern streiten. (Kurt Hiller: Marx-Kritik in der Nußschale. In: Köpfe und Tröpfe, Hamburg 1950, S. 153-170)

Man kann mit Fug und Recht sagen, daß 1845 der Rote Faschismus begann. Siehe wieder Der Rote Faden. Der gesamte Marxismus war nichts anderes als eine gescheiterte, sich ins Gegenteil kehrende biologische Revolution!

Was war 1845 geschehen? Marx war (übrigens wie später gewisserweise auch Freud!) Feuerbachianer, d.h. „Gott“ und damit alle Ideale wurden als bloße Projektionen „des Wesens des Menschen“ entlarvt. Man war „Humanist“. Dann kam Stirner und entlarvte dieses „Menschenwesen“ als bloßen Spuk; ein Gespenst, das das einzig Reale bedrückt, den einzelnen konkreten Menschen. Damit brach Marx‘ gesamtes Weltbild zusammen. Kein „Ideal“ mehr und sei es „der Mensch“. Um kein Stirnerianer werden zu müssen, entwarf Marx den Historischen Materialismus, d.h. den realen Verhältnissen wird kein Ideal, kein normativer Maßstab, äußerlich entgegengehalten:

Worum es Marx ganz wesentlich geht, ist, die materiellen Verhältnisse als solche auszuweisen, die aus sich selbst heraus notwendig „die realen Bedingungen ihrer eignen Aufhebung“ hervorbringen und so die Menschen in den Zustand versetzen, erstmals zum Subjekt zu werden, „das in dem Produktionsprozeß nicht in bloß natürlicher, naturwüchsiger Form, sondern als alle Naturkräfte regelnde Tätigkeit erscheint“. Damit wären die „universal entwickelten Individuen, deren gesellschaftliche Verhältnisse als ihre eignen, gemeinschaftlichen Beziehungen auch ihrer eignen gemeinschaftlichen Kontrolle unterworfen sind, (…) kein Produkt der Natur, sondern der Geschichte“. (Matthias Spekker: „ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär“. Wahrheit in Marx‘ wissenschaftlicher Gesellschaftskritik)

Hinter all dem verqueren Wortgeklingel, das die Wahrheit verbergen soll, wird dem dialektisch geschulten Blick unmittelbar deutlich, worum es geht – um etwas, was später Reich von den Marxisten um die Ohren gehauen werden sollte: die Gesellschaft, die Geschichte gegen die Biologie, die Natur; die Gesellschaft gegen das Individuum; Regulierung und Planung gegen Selbstbestimmung und Selbststeuerung. Hinter all dem pseudo-aufklärerischen Bombast kehrt die Reaktion in potenzierter Form zurück: Roter Faschismus. Schlimmer: die Reaktion hatte wenigstens noch einen vagen Respekt vor dem Individuum und der Natur, während der Marxismus nur Unterdrückung und Zerstörung kennt.

Marx war sozusagen besessen und wurde, trotz seines intensiven Stirner-Studiums, seine Gespenster nicht wieder los. Um Reich zu paraphrasieren: diese Pseudo-Revolutionäre müssen ihre Seele dem Teufel verkaufen, während der Konservative wenigstens die Chance hat anständig zu bleiben.