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Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 47)

8. Februar 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Was ist Panzerung, was ist Charakter? Panzerung ist etwas, das als Funktionseinheit arbeitet, und Charakter ist etwas, das als Funktionseinheit arbeitet. Es sind sozusagen „starre“ Einheiten, einheitlich funktionierende Kontinua. Panzerung/Charakter ist im Wesentlichen also keine (interne) Bewegung, sondern „koexistierende Wirkung“, sind sie doch durch ihre „Eigenheit“, ihre „unveränderliche Identität“ definiert. Es gibt hier keine Bewegung von A nach B, sondern nur Sein, so wie das Bewußtsein bzw. „der Geist“ kein Oben und Unten, kein Links und Rechts, kein Vorne und Hinten und deshalb keine Bewegung hat. Charakter ist, „wie du bist“! Auch auf der Zeitachse: Panzerung ist nichts, was sich verändert, sondern eine von der Zeit unabhängige Konstante. Daher ist es fast unmöglich, die Panzerung zu entfernen bzw. den Charakter zu verändern. Der einzige Weg ist die Charakteranalyse, d.h. die Rückspiegelung des Charakters und der Panzerung. Es ist wie in einen Spiegel zu schauen und diese Gestalt „jenseits von Raum und Zeit“ zu erkennen – und diese Gestalt dann als „koexistierende Wirkung“, d.h. in einer Art Quantensprung in ihrer Gesamtheit zu transformieren.

Die Charakteranalyse ist im Wesentlichen eine Spiegelung des Patienten auf ihn selbst. Ein Spiegel ist eine koexistierende Wirkung. Man schaue sich einen Film an, die Abfolge unzähliger Photos. Ein Photo ist ja nichts anderes als ein „Spiegel“, der auf chemischen Reaktionen durch Licht beruht. Ein Film ist wie ein Traum, d.h. eine koexistierende Wirkung: unabhängig von Raum (man kann von Tibet zur nächsten Szene in Australien oder was auch immer springen) und Zeit (man kann den „Film“ für alle Ewigkeit speichern, neu schneiden, in Slow Motion, rückwärts abspielen etc.). Film, die Freudsche Psychoanalyse und die Reichsche Charakteranalyse sind eng miteinander verbunden.

Freud beschäftigte sich im Wesentlichen mit koexistierender Wirkung. Man denke nur an die Traumanalyse und das Unbewußte, das weder Raum noch Zeit kennt. Das ist die Psychoanalyse. Reichs Charakteranalyse befaßt sich ebenfalls mit koexistierende Wirkung: der Charakter ist wie eine Symphonie – sie wird in Raum und Zeit gespielt, aber sie IST jenseits von Raum und Zeit, d.h. man muß eine Symphonie als eine Gestalt begreifen oder man wird nur einen Klangbrei hören. Genauso muß man den Charakter in seiner funktionellen Einheit erfassen oder man wird nur zusammenhanglose neurotische Symptome sehen.

Freuds Unbewußtes ist identisch mit der Panzerung. Die Bewußtmachung der Verhaltensweisen löst die Panzerung auf. Außerdem erklärt koexistierende Wirkung sowohl den intergenerationellen Aspekt der Panzerung (Zeit: „Charakter durchzieht die Familie“) als auch den „massenpsychologischen“ Aspekt der Panzerung (Raum: „Charakter durchzieht den Stamm“). Umgangssprachlich sprechen wir von „Vererbung des Charakters“ („ganz wie der Vater“) und von „Nationalcharakter“.

Bereits 1933 stolperte Reich über die koexistierende Wirkung in der sozialen Orgonomie: „Es wird noch lange ein ungelöstes Rätsel bleiben, wie es möglich ist, daß die Herstellung der psychischen Strukturen der tragenden Schichte einer Gesellschaft genauso in das ökonomische Gefüge und zu den Zwecken der herrschenden Mächte paßt wie Teile einer Präzisionsmaschine“ (Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 68). Auch die Grundlage des Marxismus, die Werttheorie (siehe das Marx-Kapitel in Menschen im Staat), ist nur mit koexistenter Wirkung erklärbar. Zur Rolle der koexistierenden Wirkung beim „Freudo-Marxistischen Sexpol-Reich“ siehe meine Ausführungen über Arbeitswertlehre und koexistierende Wirkung, die das hier gesagte vielleicht verständlicher machen.

Hier kommt schließlich Stirner ins Spiel: erst wenn ich mich „entpanzere“, ein genitaler Charakter werde, werde ich nicht mehr gelebt, sondern lebe selber und bin Herr meines eigenen Schicksals und meiner ökonomischen Existenz, eigne mir mein Eigentum an.

Wirklich verständlich wird das ganze aber erst, wenn man sich die zentrale orgonometrische Gleichung der Orgonomie selbst erschließt: