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Der Kapitalismus ist nicht die Lösung

21. Januar 2016

Reich wurde in eine Familie von Großgrundbesitzern hineingeboren, die in Galizien wie kleine Landadlige herrschten. Verhältnisse wie heute vielleicht in Guatemala! Im Ersten Weltkrieg implodierte diese Welt. Wie viele seiner Generation war der restlos desillusionierte Frontkämpfer Reich vom „russischen Experiment“ fasziniert. In seiner Tätigkeit als Psychiater und Psychotherapeut, der Ambulanzen für Mittellose anbot, hatte er aus erster Hand Einblicke in das schier ausweglose Elend der Nachkriegszeit. Leute wie die Hausärztin Marie „Mizzi“ Frischauf-Pappenheim (1882-1966) überzeugten ihn schließlich von der Marxistischen Wirtschaftstheorie. Eine gerechte Welt war möglich.

Zwar glaubte er im Laufe der Zeit weniger und weniger an linke Politik, die im Kern „Sozialpolitik“ ist (d.h. von der Hilflosigkeit der Massen lebt und diese perpetuiert) und formulierte sein Konzept der „Arbeitsdemokratie“, doch am ökonomischen Kerngehalt des Marxismus hielt er stets fest, zumal er am Ende seines Lebens zunehmend mit der ekelerregenden Geschäftemacherei der Pharmaindustrie konfrontiert war. Der Orgonenergie-Akkumulator war eine potentielle Gefährdung ihrer Profite! (Reichs Anwälten wurde das ganz offen gesagt.)

In meiner Auseinandersetzung mit Marx habe ich in diesem Blog zu zeigen versucht, daß dessen „Politökonomie“ unvereinbar mit Reichs Konzept Arbeitsdemokratie ist, es jedoch eine große Schnittmenge zwischen der Arbeitsdemokratie und Friedrich August von Hayek gibt, der „Österreichischen Schule“ in der Ökonomie.

In der Österreichischen Schule geht es im Grunde nur um eines: die Wirtschaft ist dermaßen „organisch verwoben“, daß man sie nicht von außen regulieren kann.

Friedrich August von Hayek’s time has come! In diesem Artikel wird jedoch kritisch angemerkt, daß die Österreichische Schule nicht erklären kann, warum die Märkte immer wieder daran scheitern, eine vernünftige und vor allem finanzierbare Gesundheits- und Altersversorgung für die Unterschicht bereitzustellen.

Beispielsweise ist das Gesundheits- und Rentensystem von der Qualität her in den USA zwar geradezu traumhaft, wenn man ein gutes Einkommen hat oder auch zufällig in der richtigen Branche, in der richtigen Firma arbeitet, aber für die Armen und auch für ein Gutteil der Mittelschicht ist es die reinste Katastrophe. Selbst wenn niemand hungern muß und im Notfall für medizinische Versorgung gesorgt wird (MEDICAID und MEDICARE), bleiben beispielsweise künstliche Hüftgelenke, die in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sind, für viele alte Amerikaner ein unerreichbarer Traum. Deutsche können da nur vollkommen fassungslos mit dem Kopf schütteln.

Reichs erste Formulierungen seiner „Arbeitsdemokratie“ vom Ende der 30er Jahre erinnern sehr an „rätekommunistische“ und „anarcho-syndikalistische“ Konzepte – „unter Ausschluß des Privateigentums an gesellschaftlichen Produktionsmitteln“. Organisatorische Anregungen, die er bald fallenließ und durch eine Maxime ersetzte: Funktion hat stets Priorität vor Struktur – der rationale Arbeitsprozeß selbst soll die Gesellschaft bestimmen.

Damit näherte sich Reich der Vorstellungswelt der Österreichischen Schule sehr stark an. Es war nur folgerichtig, daß Hayek’s The Road to Serfdom zu einer der Grundtexte der Orgonomie wurde. Aber, wie gesagt, es gibt Lücken in der Österreichischen Schule, die ausgerechnet für die Orgonomie von zentraler Bedeutung sind, insbesondere das Gesundheitswesen.

Der Kapitalismus hat für eine praktisch hundertprozentige Versorgung der Bevölkerung mit Kühlschränken, Waschmaschinen, Telefonen, etc., neuerdings sogar mit Computern, gesorgt. Bei allem was recht ist: ich möchte in keinem anderen System leben und wäre bereit zur Waffe zu greifen, wenn hier der Sozialismus (oder meinetwegen „Rätekommunismus“) eingeführt würde! Gleichzeitig möchte ich aber auch nicht, daß zentrale Bereiche von „Liebe, Arbeit und Wissen“ vom Profitdenken bestimmt werden. Ich möchte nicht, daß die Alten und Schwachen unter die Räder geraten.

Genau hier ist Raum für Reichs „prä-amerikanische“ Überlegungen über „Arbeits- und Konsumvertreter“, die, um Reich zu paraphrasieren, aus ihren sachlich-fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten heraus die Interessen und materiellen Bedürfnisse der arbeitenden Massen vertreten (siehe Die natürliche Organisation der Arbeit, 1939).

Dies geschieht heute in jeder gutgeführten gemeinnützigen Organisation, solange sie nicht von irgendeiner meschuggen Ideologie bestimmt wird. Es ist kaum einzusehen, warum sich Medizin und Altenpflege flächendeckend nicht ähnlich organisieren lassen. (Wobei natürlich jedem freistehen sollte, daneben privatwirtschaftliche Lösungen anzubieten.)

Und es geht hier nicht nur um den Kapitalismus mit seinen Profitinteressen, sondern auch um jene Sozialdrohnen, die wie die Maden im Speck von der gegenwärtigen Sozialbürokratie leben. Man erzähle mir nicht, diese Leute hätten keine „Profitinteressen“! Beide, die „Kapitalisten“ und die „Sozialisten“, haben ein wirtschaftliches Interesse daran, daß den Menschen langfristig nicht geholfen wird.

Ein genuin arbeitsdemokratisches System würde die Medizin und sogar die Altenpflege mit der Zeit schrumpfen lassen. (Wenn man ihnen nur vernünftig hilft, können Alte sehr lange ein selbstbestimmtes und produktives Leben führen!) Ausgerechnet jene Bereiche also, die heute als „Zukunftsbranchen“ gelten.

Es geht um Solidarität – um Liebe. Wir brauchen einander. Das Problem ist, daß zwei Ebenen verquickt werden, die man auseinanderhalten muß: den Kapitalismus, der von Effizienzdenken und monetärem Kalkül geprägt ist, und die grundlegendere Arbeitsdemokratie, in der es darum geht, gemeinsam und wechselseitig Bedürfnisse zu erfüllen. Vom Feld der Arbeit auf das der Sexualität übertragen, entspricht das erstere der Ebene, von der die Evolutionsbiologie handelt, die kalte Welt der genetischen Auswahl, das letztere der bioenergetisch-emotionalen Ebene, von der in Reichs Sexualökonomie die Rede ist.

Dazu wollen wir auf die vielleicht ersten Anklänge an das Konzept „Arbeitsdemokratie“ in Reichs Werk blicken. Im Oktober 1934 fügte Reich folgende Fußnote seinem Aufsatz „Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse“ (1929) an:

Da der heutige ökonomische Marxismus im Namen von Karl Marx gegen die Sexualökonomie polemisiert, bringe ich ein Zitat, das zeigt, wie sehr Marx die Bedürfnisse als Basis der Produktion und der Gesellschaft einschätzte (…). „Die Individuen sind immer und unter allen Umständen von sich ausgegangen, aber daß sie nicht einzig in dem Sinne waren, daß sie keine Beziehungen zueinander nötig gehabt hätten, da ihre Bedürfnisse, also ihre Natur und die Weise, sie zu befriedigen, sie aufeinander bezog (Geschlechtsverhältnisse, Austausch, Teilung der Arbeit), so mußten sie in Verhältnisse treten. Da sie ferner nicht als reine Ichs, sondern als Individuen auf einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer Produktivkräfte und Bedürfnisse in Verkehr traten, in einen Verkehr, der seinerseits wieder die Produktion und die Bedürfnisse bestimmte. So war es eben das persönliche individuelle Verhalten der Individuen, ihr Verhalten als Individuen zueinander, das die bestehenden Verhältnisse schuf und täglich neu schafft. Sie traten als das miteinander in Verkehr, was sie waren, sie gingen ‚von sich aus‘, wie sie waren, gleichgültig welche Lebensanschauung sie hatten. Die ‚Lebensanschauung‘ selbst, die windschiefe der Philosophie, konnte natürlich immer nur durch ihr wirkliches Leben bestimmt sein.“ (Marx-Engels, Deutsche Ideologie, Wien-Berlin, 1932, S. 16)

An der Basis haben wir die Arbeitsdemokratie, auf der der Kapitalismus beruht, der wiederum die gesellschaftliche Ideologie prägt. Vergegenwärtigen kann man sich das an einer Arztpraxis. Auf der untersten Ebene arbeitet der Arzt als eben das, als Arzt im persönlichen Kontakt mit seinem jeweiligen Patienten. Auf der zweiten Ebene ist der Arzt Geschäftsmann, der ein kleines Unternehmen nach betriebswirtschaftliche Prinzipien „kalten Herzens“ führt („Zeit ist Geld!“). Und auf der obersten Ebene ist er gefangen in irrationalen Regularien, etwa das vollkommen absurde „Qualitätsmanagement“, die die jeweilige gesellschaftliche Ideologie widerspiegeln.

Ostlebengorda

Papiergeld und Warengeld

9. September 2015

Die Österreichische Schule der Ökonomie glaubt, daß Papiergeldsysteme alles andere als selbstverständlich oder gar „naturgegeben“ sind. Sie haben gegenüber Warengeldsystemen (Gold, Silber, Kupfer und andere Edelmetalle) keine Vorteile und sind inhärent instabil.

Erst 1973 wurde der Goldstandard endgültig abgeschafft und das erste Mal in der Geschichte haben wir heute weltweit ein Papiergeldsystem. Bisher sind alle Papiergeldsysteme zusammengebrochen, entweder indem man rechtzeitig zum auf Waren (meist Gold und Silber) basierten System zurückkehrte oder indem es zur Hyperinflation und infolge zum gesellschaftlichen Kollaps kam. Alles sieht danach aus, als würde auch das gegenwärtige System so enden. Nur, daß diesmal der Zusammenbruch den gesamten Planeten umfassen wird.

Der Unterschied zwischen den Papier- und Warengeldsystemen liegt darin, daß die Menge des Papiergeldes flexibel ist, während Warengeld mehr oder weniger fix ist. Beispielsweise konnten Bush und Obama die Krise von 2008 überwinden, indem sie Unmengen von frischem Geld in die Wirtschaft pumpten. In einem System mit Warengeld wäre dies unmöglich, da Geld zunächst einmal erwirtschaftet werden müßte.

Hieran sieht man bereits das Grundproblem: das, was das ganze System am Leben erhält, da es den Austausch von Gütern ermöglicht, das Geld, wird verwässert und alle ökonomischen Regeln willkürlich außer Kraft gesetzt. Imgrunde ist es das gleiche System wie einst im Ostblock.

Das Gegenargument lautet meist: wir leben in einer wachsenden Wirtschaft und brauchen deshalb auch eine wachsende Geldmenge. Die Antwort darauf lautet, daß Geld dem Tausch dient und deshalb (in vernünftigen Grenzen) jede Menge an Geld paßt. Wenn sich entsprechend auch alle anderen Preise anpassen, ist es vollkommen egal, ob ein Auto EUR 60 000 kostet oder EUR 600, ein Fahrrad EUR 600 oder EUR 6, eine Flasche Olivenöl EUR 6,00 oder EUR 0,06. „Geldmengensteuerung“ ist planwirtschaftlicher Unsinn.

Statt wie im Papiergeldsystem, wo alles immer teurer wird (Inflation), kommt es in einem Warengeldsystem zu einer natürlichen Deflation: alles wird ständig billiger. Gegenwärtig sehen Ökonomen in der Deflation das schlimmste überhaupt, was geschehen kann, doch das zeigt nur, daß das Papiergeldsystem die Wirtschaft sozusagen „auf Droge“ gesetzt hat (siehe dazu Der Kult der Expansion).

Die Zentralbanken können so viel Geld produzieren, wie sie wollen – vollkommen willkürlich. Und tatsächlich bestimmt heute die Geldzufuhr den Zustand der Ökonomie, nicht umgekehrt, wie uns gerne weisgemacht wird. Hinzu kommt das „Mindestreserve-Bankwesen“: du hinterlegst EUR 100 bei der Bank, die es jemandem anderen verleiht, die Geldsumme hat sich also verdoppelt. Du sagst, du besitzt die EUR 100, und derjenige, der diese EUR 100 von der Bank als Kredit erhalten hat, behauptet ebenfalls diese EUR 100 zu besitzen.

Statt, daß Investitionen durch Ersparnisse finanziert und entsprechend verantwortlich (d.h. arbeitsdemokratisch) gehandelt wird, entsteht ein System vollkommener Verantwortungslosigkeit, das zwar zunächst zu einer Scheinblüte führt, aber über kurz oder lang zusammenbrechen muß. Man denke nur an die Immobilienblasen, die schon geplatzt sind und noch zu platzen drohen!

Und was das Zinssystem betrifft: Zinsen signalisieren, wie dringend das vorhandene Geld jetzt ausgegeben werden muß. Hohe Zinsen zeigen an, daß das Geld hier und jetzt benötigt wird („Ich leihe dir kein Geld!“), niedrige Zinsen zeigen an, daß der Konsum auch später erfolgen kann („Ich leihe dir sehr gerne Geld!“). Ökonomische Selbststeuerung der Gesellschaft!

Gegenwärtig wird durch künstlich billig gehaltenes Geld die Überexpansion angeheizt (es wird trotz Krise kräftig investiert) und vollkommen falsche ökonomische Signale gesendet (nämlich die, den Konsum zu drosseln – Kontraktion). Ein einziges Tohuwabohu. Früher oder später wird das Weltwirtschaftssystem über seine eigenen Füße stolpern.

Die Gegenwahrheit zu dieser Position der „Österreichischen Schule“ ist augenfällig: Die Wirtschaft ist nicht nur ein „objektives“ hydraulisches System, durch das Geld und Waren fließen, sondern es geht in ihr in erster Linie um „subjektive“ emotionale Erregungszustände. Es geht auch nicht nur um den Ausgleich irgendwelcher Ungleichgewichte, sondern um das unvorhersehbare Erschaffen „aus dem Nichts“. Ein schönes Beispiel ist der Milliardär Donald Trump, der mit einem Startkapital von 6 Millionen Dollar anfing. Daß er das innerhalb von vier Jahrzehnten vertausendfacht hat, bedeutet nicht, daß er („global gesehen“) anderen etwas weggenommen hat. Es ist schlicht mehr da, als es ohne ihn gegeben hätte. Von daher ist die Geldschöpfung „aus dem Nichts“ nicht so irrational, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag.

Anlagebetrüger treten „wie Donald Trump auf“ und geben vor, daß sie das Geld ihrer „Kunden“ auf wundersame Weise, quasi aus dem Nichts vermehren können. Der Unterschied zwischen Trump und einem Betrüger besteht darin, daß, obwohl sich auch bei letzterem alles um den Namen und das Image dreht, Trump sich einen Namen in der realen Welt gemacht hat und er von realen Dingen getragen wird, d.h. er hat sozusagen Substanz, während der Betrüger nichts weiter als Schall und Rauch ist. Das entspricht dem heutigen Weltfinanzsystem, das sich vollkommen von der Substanz, dem Gold, getrennt hat und glaubt, mit Gelddrucken („Hilfspakete“) Länder wie die USA oder Griechenland retten zu können, weil das auf mystische Weise angeblich irgendwelche „Impulse setzt“. Das gegenwärtige Weltwirtschaftssystem ist eine merkwürdige Mischung aus Mystizismus und Mechanismus („quantitative easing“), die nur durch eine funktionelle Ökonomie überwunden werden könnte, die sowohl die emotionalen als auch die „realen“ Aspekte der Wirtschaft berücksichtigt, ohne daß es zu mechano-mystischen Kurzschlüssen kommt.

papierwaren

Es bedarf orgonotischen Kontakts, um die qualitativen und quantitativen Aspekte des ökonomischen Systems richtig zu bewerten; zu erkennen, daß sich in der Wirtschaft alles um Emotionen dreht, d.h. die Einschätzung der Zukunft (Kreditvergabe), dies aber stets durch „Realitäten“ (insbesondere die weitgehend fixe Goldmenge in der Welt) fundiert und im Rahmen gehalten werden muß, damit das System nicht außer Kontrolle gerät. Das Gold gemahnt ständig an die Wirklichkeit, d.h. die „Endlichkeit“.

Die Österreichische Schule will nicht wahrhaben, daß es auch zu Zeiten des Goldstandards nie ein reines Warengeld gegeben hat, sondern daß die Golddeckung wegen der Kreditvergabe der Banken tatsächlich stets nur marginal war; bzw. daß diese fehlende Golddeckung nicht einfach nur „Betrug“ war, – den man ohnehin niemals wird unterbinden können. Das bedeutet aber umgekehrt nicht, daß man auf die Golddeckung ganz verzichten kann, wie heute die gängige ökonomische Lehre glaubt. Das Gold ist wie jede „Substanz“: sie hindert am „Abdriften“. Auch wenn die Analogie etwas abwegig klingt: ohne Reibung und Gravitation würden wir hilflos im Nichts driften – ohne Goldstandard driftet die Weltökonomie in die Katastrophe. Siehe Robert Harmans Ausführungen.

Wie dieses „Abdriften“ konkret aussieht, ist etwa ersichtlich, wenn man die Produktivitätssteigerung mit der Lohnsteigerung vergleicht. In den USA liefen die beiden Graphen bis 1973 parallel. Danach stieg die Produktivität weiter im gleichen Tempo an, während die Löhne seitdem weitgehend auf dem gleichen Niveau verharren.

9265

Funktionelle Ökonomie

20. August 2015

In der (für diesen Blog) relevanten Diskussion um ökonomische Dinge, insbesondere angesichts der Griechenlandkrise, geht es um prinzipiell zwei Positionen: eine „rechte“, die frei nach der Eigentumsökonomik Heinsohns davon ausgeht, daß Schulden etwas Gutes sind, weil erst sie durch ihren Zwang den Kreditnehmer zu einer „wirtschaftlichen Ökonomie“ führen; und eine „linke“, die frei nach Gesell ganz im Gegenteil glaubt, daß der Kreditgeber durch sein egoistisches „Horten“ von Geld für ein ökonomisches Ungleichgewicht gesorgt hat, daß durch den Zins, den er bei Kreditvergabe erwirtschaftet, dann auch noch perpetuiert wird. Früher wurde der angedeutete Gegensatz von der individualistischen Österreichischen Schule (Hayek, etc.), auf die sich „rechte“ Orgonomen beriefen und dem kollektivistischen Marxismus bestimmt, auf den linke Reichianer bezugnahmen.

Für die rechte Seite dreht sich alles um rechtlich verbindliche Eigentumstitel. Das Eigentum schaffe durch Anreize Impulse, die letztendlich allen zugutekommen. Die linke Seite hingegen glaubt, daß Werte nur im gesellschaftlichen Zusammenspiel erarbeitet werden und entsprechend Eigentumstitel Teilbereiche abspalten und so die Entwicklung hemmen. Sie seien ohnehin ungerecht und deshalb nicht rechtens. Für die Rechte sind Eigentumstitel sakrosankt, weil nur sie dafür sorgen, daß produktiv gearbeitet wird. Eigentum generiere Reichtum und sei deshalb das genaue Gegenteil von „Diebstahl“. Hingegen gibt es für die Linke zu jedem gegebenen Zeitpunkt einen gesellschaftlichen Reichtum, der nach der Arbeitsleistung des Einzelnen, im Idealzustand aber nach den Bedürfnissen der Massen verteilt werden sollte – jeweils im Namen der Gerechtigkeit. Das ist der grundlegende Unterschied, der die beiden Seiten voneinander trennt: denen, die bei der Griechenlandkrise auf den geschlossenen Kreditverträgen beharren, und jenen, die Griechenland als Opfer sehen, dem man sofort alle Schulden erlassen und neues Geld geben müsse.

Was beide Seiten nicht sehen, sind die bioenergetischen Grundlagen der Wirtschaft, der energetische Metabolismus der Wirtschaft: Wertaufbewahrung (orgonomisches Potential, Aufladung, Eigentum, „Kapital“) und Tausch (mechanisches Potential, Entladung, Ausgleich, „Arbeit“).

Auf die Nachfrage, bzw. das Konsumverhalten, das der Regelmechanismus der Marktwirtschaft ist, richtete der Marxismus all seinen moralisierenden Haß. Durch den „Fetischismus“ der individuellen „subjektivistischen“ Wert-Schätzung der Güter wird dieser private Bereich des Konsums für den Marxismus so anrüchig wie die Sexualität. Dazu hat André Glucksmann in seinem Buch Die Meisterdenker geschrieben:

Alle modernen revolutionären Theorien ist eine Aufteilung der Welt gemeinsam, die durch den Gegensatz zwischen (guter) Öffentlichkeit und (schlechtem) Privatem gekennzeichnet ist. Die chinesischen Massen [waren in der Kulturrevolution] aufgerufen, „gegen den Egoismus“ zu kämpfen, gegen das individuelle, materielle Interesse, gegen den (sicher kleinbürgerlichen) Subjektivismus, im Namen des öffentlichen Geistes (…). Man findet diesen Gegensatz wieder in der Gegenüberstellung von (staatlichem, also wertmäßig anerkannten) öffentlichem und privatem Recht (Geld- und Sexangelegenheiten, also verabscheuungswürdig) (…).

Geld- und Sexangelegenheiten:

Normalerweise wird mehr Geld angesammelt, als der Mensch für sein tägliches Leben braucht; wenn dies Sparen immer so weiterginge, würde die Wirtschaft schließlich am Angebotsüberhang zugrundegehen. Um ein stabiles, ökonomisches Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, muß das gesparte Geld in mehr oder weniger regelmäßigen Zeitabständen ausgegeben werden. Diese ökonomische Energieabfuhr ist die Funktion des Konsums.

Hier habe ich Elsworth F. Bakers folgende Darstellung der Orgasmustheorie paraphrasiert, was unmittelbar die funktionelle Identität von sexueller Energie und Geld aufzeigt:

Normalerweise wird mehr Energie aufgebaut, als der Körper entlädt; wenn dies immer so weiterginge, müßte der Organismus ständig wachsen und platzen. Um ein stabiles, ökonomisches Energieniveau aufrechtzuerhalten, muß die überschüssige Energie in mehr oder weniger regelmäßigen Zeitabständen abgeführt werden. Diese ökonomische Energieabfuhr ist die Funktion des Orgasmus.

Baker selber zieht die Verbindung von Geld und (sexueller) Energie, wenn er im Rahmen seiner Darstellung der Orgasmustheorie schreibt:

Normalerweise wird mehr Energie erzeugt, als verbraucht werden kann. Energie wird im Körper angesammelt wie Geld auf der Bank für Notlagen. (…)

Auch in der „Psychoökonomie“ wird Geld mit genitaler Libido gleichgesetzt (Gold mit analer Libido). So steigt der Wert des Dollars in Übereinstimmung mit dem Bild, das wir uns vom amerikanischen Präsidenten, von seiner „Potenz“ machen (dementsprechend steigt der Wert des Goldes, wenn der Präsident als schwach erscheint). Die Psychoökonomie behauptet auch, daß Geld, genauso wie die genitale Libido im moralischen Menschen, mit Schuld verbunden ist und daß deshalb reich gewordene Nationen alles tun, um ihren Reichtum wieder zu verlieren und sich so von den Schuldgefühlen zu befreien – durch Kriege, unsinnige babylonische Großprojekte oder durch „Revolution“ und Umsturz. Die sozialistische Ideologie lebt von diesen Schuldgefühlen!

Zu derartigen Vorstellungen, zu dieser kurzschlußartigen Verbindung von Psychoanalyse und Ökonomie, wäre ähnliches zu sagen wie meine Ausführungen über die „Psychohistorie“, aber ein Fünkchen Wahrheit steckt sicherlich drinnen.

Was den Energiecharakter des Geldes ganz allgemein betrifft, hat schon Heraklit gesagt:

Alles ist Austausch des Feuers [= Energie] und das Feuer Austausch von allem, gerade wie für Gold [= Geld] Waren und Waren für Gold eingetauscht werden.

Im Tausch liegt das wahre Geheimnis des Geldes. Genauso wie bei den Bionen Energie aus zerfallender Materie fließt, oder wie Reich die Energie aus den Muskelverspannungen löste, macht im wahrsten Sinne des Wortes Geld die Güter „liquide“. Es löst den Wert aus der Materie, es durchbricht die „Panzerung der Güter“ und läßt die Energie zwischen Geber und Nehmer ohne Einschränkung fließen. Erst durch das Geld können wir ein beliebiges Gut „verflüssigen“, erst so Teelöffel gegen eine Briefwaage eintauschen. Ich brauche eine Briefwaage, mein Bürobedarf-Händler aber nicht meine wertvollen Teelöffel, die ich erst beim Antiquitätenhändler in Geld auflösen muß, das mir den Austausch mit dem Händler für Bürobedarf ermöglicht.

Es wäre natürlich lächerlich einfach zu behaupten, daß wir einen Teelöffel in Geld auflösen könnten. Was wirklich „aufgelöst“ wird, ist das „Mana“ im Teelöffel. (Nicht ohne Grund sprach Marx vom „Fetischcharakter der Waren“!) Es ist das Wert-Gefühl, das wir mit dem Teelöffel verbinden. Dies heißt, in Wirklichkeit tauschen wir keine Teelöffel gegen Briefwaagen, sondern die Gefühle, die wir mit ihnen verbinden. Das Geld ist hier einfach nur das Wertzeichen – die Verkörperung des Mana. (Man denke an das Geschehen auf einem Flohmarkt!)

Genau wie die Sexualität wird so auch die Ökonomie nicht von „rationalen“ Überlegungen und rein quantitativ faßbaren Faktoren bestimmt, sondern von Gefühlen. Wert entsteht buchstäblich durch unsere „Bewertung“. Wird die freie Welt nicht vom linksliberalen Charakter kastriert, verhält sie sich in dieser Hinsicht auch nicht anders als jede Gruppe genital gesunder „Wilder“. So schloß Bronislaw Malinowski, auf den sich ja Reich immer wieder berufen hat, aus seiner Untersuchung der Ökonomie der Trobriander in Argonauten des westlichen Pazifik (Frankfurt 1984), daß Wert aus den Emotionen erwächst, die die Dinge umgeben,

die durch Befriedigung menschlicher Bedürfnisse Empfindungen zu wecken vermöge. Auch der Wert handwerklich hergestellter Gebrauchsgegenstände muß aus dem emotionalen Wesen des Menschen erklärt werden (…).

Dem hingegen hat Marx in seiner objektivistischen Wertlehre den „Wert“ vollständig vom Gefühlsleben des Menschen abgetrennt. In Das Kapital erklärt er den Tauschwert mechanistisch als „eine bestimmte gesellschaftliche Manier (…), die auf ein Ding verwandte Arbeit auszudrücken.“ Wie genau in den Gütern „geronnene“ Arbeitszeit es schafft, auf dem Markt die Preise zu bestimmen, hat aber noch nie jemand erklären können. So gaben die Ökonomen die traditionelle scholastische und mechanizistische Arbeitswertlehre auf (Marx war als Ideologe nur ihr konsequentester Vertreter) und ersetzten sie durch die „subjektive Wertlehre“: mechanistische „Physik“ wurde durch Psychologie ersetzt.

Nun werfen die Marxisten gerade Reich den „umfassenden Versuch einer psychologischen Revision des Marxismus“ vor (so z.B. Siegfried Kätzel in seiner ideologiegeschichtlichen Studie Marxismus und Psychoanalyse, Berlin „DDR“ 1987). Unbegreiflicherweise ist aber in der Reich-Marx-Diskussion m.W. noch nie ein Zusammenhang zur Wertlehre hergestellt worden, entstand doch die subjektive Wertlehre um das Jahr 1870 gleichzeitig mit dem Aufkommen des psychologischen Denkens.

Marx ging also vom Produzenten und seinem Arbeitsaufwand aus. Dazu gehörte auch, daß im „Historischen Materialismus“ die Produktion und nicht die biologische Bedürfnisstruktur des Menschen „Unterbau“ der gesellschaftlichen Entwicklung ist. So ist es bezeichnend, daß die Marxisten Reich des weiteren vorhielten, er wäre kein „historischer Materialist“ und daß er stattdessen „einem primitiven Bedürfnismaterialismus, der nur eine Kehrseite des Idealismus ist“, fröne. Kätzel wirft Reich vor, mit der Einordnung der biologischen Grundbedürfnisse in den Unterbau, habe Reich „die marxistische Bestimmung des Verhältnisses von Produktion und Bedürfnis verfehlt“. Denn für Marx habe „die Produktion den Ausgangspunkt und das übergreifende Element der Entwicklung dargestellt, während die Konsumption als Bedürfnis selbst inneres Moment der produktiven Tätigkeit ist“. Demgegenüber habe jedoch Reich durch sein „extrem biologistisches Herangehen“, den Menschen aus dem „letztlich durch sozialökonomische Verhältnisse determinierten Lebensprozeß der Menschen“ herausgerissen.

Kätzel weist darauf hin, daß bereits 1932 der spätere Präsident der „DDR“, Wilhelm Pieck, als Vertreter des ZK der KPD Reich vorhielt: „Ihr geht von der Konsumption aus, wir aber von der Produktion; ihr seid daher keine Marxisten“ (Was ist Klassenbewußtsein?). Auf diese Auslassung Piecks stellte Reich die Frage, „ob die Bedürfnisse um die Produktion willen erfolgen oder ob nicht umgekehrt die Produktion der Bedürfnisbefriedigung diene“.

Wie wir aus den obigen Erläuterungen Kätzels ersehen, spießt genau diese Frage die Unvereinbarkeit der Reichschen und der Marxschen Herangehensweisen auf. Aus dieser theoretischen Konfliktsituation mit dem Marxismus entwickelte Reich langsam ein vollständig neues „Unterbau-Konzept“, das er „Arbeitsdemokratie“ nannte:

Da alle Arbeitsprozesse voneinander abhängen und miteinander organisch verflochten sind; da ferner die Konsumption die Produktion bestimmt, ist eine natürlich gewachsene und organisch funktionierende Organisation in der gesellschaftlichen Basis gegeben. (Massenpsychologie des Faschismus)

Dieser wirtschaftliche Organismus wird von einem ähnlichen orgonotischen Viertakt bestimmt wie der biologische Organismus:

Die funktionelle Identität von Arbeit und Sexualität gehört zu unseren täglichen Grunderfahrungen: Ich habe das Bedürfnis mich in diesem Blogbeitrag auszudrücken, meine Energie fließt zur Peripherie und verrichtet Arbeit, dadurch entsteht eine ständig ansteigende „Arbeitsspannung“, die mich dazu drängt, endlich die Frucht meiner Anstrengungen auf WordPress vor mir zu haben, woraufhin ich mich befriedigt und entspannt zurücklehne. Das daraus resultierende Selbstbewußtsein speist meine Sexualität, genauso wie diese für neue Inspiration und Motivation sorgt. So pendelt das Leben zwischen diesen beiden Polen:

Dem entspricht auch:

Grundlage dieser Pulsation ist die biologische Energie und ihr Viertakt. Marx hat diesen Viertakt negiert, indem er statt der Biologie die sozioökonomischen Verhältnisse als die Grundlage des Wirtschaftens nimmt. Diese Negierung zeigt sich insbesondere in seiner Wertlehre. Die Erstarrung, zu der dies führt, sieht man besonders klar in der von ihm geforderten Abschaffung des Geldes, mit dessen Hilfe wir die Güter „verflüssigen“. Letztlich läuft das ganze auf eine reglementierte Zuteilungswirtschaft hinaus, in der dem Träger des Arbeitsprozesses die Spannungslösung an seinem Arbeitsprodukt vorenthalten wird, was genauso verheerend ist wie ein Coitus interruptus.

Aus Sicht der Energontheorie von Hans Hass kann man Marx eine Drangsalierung des Wirtschaftsorganismus vorwerfen, denn „dem Menschen die Früchte seiner Tätigkeit zu entziehen bedeutet (…), dem Lebensstrom seinen stärksten und ursprünglichsten Impuls zu nehmen.“ Hass schreibt weiter:

Das Streben nach allem, was „Glück“ und Annehmlichkeiten schafft, wurde (…) zum stärksten Impuls für die Energonbildung – zur stärksten aller die Evolution vorantreibenden Kräfte. (Naturphilosophische Schriften, München 1987, Bd. 3)

Gerade diese Kräfte hat Marx mit seiner Dialektik der Entwertung des Lebendigen zerstört.

Trotzdem Hass, was die funktionelle Identität von „Wirtschaftsökonomie“ und Sexualökonomie betrifft, Marx einiges voraus hat, hängt Hass doch inkonsequenterweise der Marxschen Werttheorie an. Für Hass ist Geld „immer und ausschließlich ein Anweisungsschein auf menschliche Arbeitsleistung – deren Wert je nach Angebot und Nachfrage sowie sonstigen Umständen schwankt“. Karl Marx sei ebenfalls dieser Ansicht gewesen, denn nach Marx sei „durch die zu seiner Produktion erheischte Arbeitszeit“ der Wert des Geldes bestimmt und drücke sich „in jedem Quantum jeder anderen Ware aus, worin gleich viel Arbeit geronnen ist“. Hass‘ Anlehnung an Marx ist deshalb inkonsequent, weil Hass ständig die Rolle der Nachfrage hervorhebt und den Wert nach ihr schwanken läßt.

Dazu hat Alfred Stobbe in Gesamtwirtschaftliche Theorie (Berlin 1975) geschrieben:

Die generelle Hypothese, daß die relativen Preise der Güter allein durch die zu ihrer Herstellung gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit erklärt werden können, wird schon durch die Tatsache widerlegt, daß Preise aus Angebot und Nachfrage entstehen und sich demnach erst auf dem Markt entscheidet, wieviel Arbeitszeit gesellschaftlich notwendig ist.

Die Übereinstimmung in der Werttheorie führt bei Hass zu ähnlichen mechanistischen Konsequenzen wie bei Marx. So will Hass das „gerechte Abstimmungsverhältnis“ zwischen Arbeitgeber und -nehmer mit Hilfe des Computers bestimmen. Während heute die „gerechte Abstimmung zwischen Energonen verschiedener Integrationsniveaus“ (Angestellter-Betrieb, Bürger-Staat, Betrieb-Staat, etc.) nur durch „Daumenpeilung, Erfahrung und jeweilige Interessen“ versucht werde, würde man dies mit Hilfe der Energontheorie „nüchtern und gerecht“ durch Computer berechnen können. Andererseits sagt Hass aber auch wieder, daß nur in einer durch die Nachfrage geregelten Marktwirtschaft „die divergierende Interessen von Mensch und Lebensstrom einen Ausgleich finden“.

Man sieht den Widerspruch, bzw. die Inkonsequenz: Wird der Wert nun durch Arbeitsleistung bestimmt oder durch den Markt? Und kann man Arbeitsleistung durch die Arbeitszeit bestimmen? Werden Interessen nun durch Computer oder das freie Spiel der Kräfte, bzw. durch Angebot und Nachfrage ausgeglichen? Diese Art von Inkonsequenz findet sich auch dort, wo Hass einen Konflikt zwischen den Konsuminteressen des Individuums und den Interessen des Lebensstroms postuliert, was ja wieder seiner zuletzt zitierten Aussage widerspricht. Hass sagt einerseits:

Wo (…) Luxusstreben zum Selbstzweck wird, Schwäche erzeugt und zur Leistungsverweigerung führt, verliert es seien Selektionswert und wird zur Ursache des Untergangs der Kulturen. (Hass/Lange-Prollius: Die Schöpfung geht weiter, Stuttgart 1978)

Also schwächt der Konsum den Lebensstrom? Nein, er schwächt das Individuum, denn an anderer Stelle schreibt Hass, daß, vom einzelnen Energon aus gesehen, alle Gewinne „die in Luxuskanäle fließen, ein klarer Verlust“ sind.

Für den Lebensstrom dagegen sind sie es nicht. Vielmehr heizen sie die Gesamtentwicklung an – nicht unähnlich der kannibalischen Tätigkeit aller tierischen Energone. (ebd.)

Diese Widersprüche in der Energontheorie fußen sicherlich auch in einem mangelnden Verständnis der biosexuellen Funktionen in der Konsumption. Ist doch die Sexualität in sich selbst auch „widersprüchlich“, denn einerseits ist sie eine Entladungsfunktion, andererseits aber gibt sie unserem Energiesystem neuen Schwung und frische Energie. (Der Organismus erhöht automatisch sein Energieniveau, wenn eine geregelte Entladung gesichert ist.)

Die von den Massenmedien propagierte „nicht-koitale“ klitorale, phallische, prägenitale und pornographische Sexualität (in der die Genitalität mehr tabuisiert wird als im reaktionärsten Katholizismus) führt nicht zu Entladung und wohliger Entspannung, sondern erhöht nur die innere Spannung. Das dazu korrespondierende „fickende“ Konsumverhalten führt entsprechend zu innerer Leere und zur Zerstörung der Umwelt. Die Menschen finden keine Erfüllung und Entspannung mehr und suchen deshalb immer zerstörerische Reize. Es gibt demnach eine funktionelle Identität von kontaktloser Promiskuität und kontaktlosem Konsumrausch. Beide sind das Gegenteil dessen, als was sie oberflächlich erscheinen. In Wirklichkeit haben sie mit Sexualität und Konsum nichts zu tun.

Die Identität von Sexualität und Konsum sieht man auch daran, daß beide Ausdrucksformen überschüssiger Energie unglaublich prägbar, sublimierbar und pervertierbar sind. Hierzu schreibt Hass:

Essen, Kleidung, Wohnung, Ehe schaffen einen ziemlich festliegenden, ziemlich klar vorgezeichneten Bedarf. Alles, was darüber hinausgeht, aller „Kultur“- und „Luxusbedarf“, ist dagegen labil und beeinflußbar. Erziehung, Prägung und Mode spielen hier eine entscheidende Rolle. Sind erst die Grundbedürfnisse befriedigt, dann eröffnet sich eine Vielheit von Möglichkeiten, gewonnene Überschüsse annehmlichkeitssteigernd zu verwenden. (Naturphilosophische Schriften, Bd. 2)

Interessant ist auch, daß sich im Vergleich zum Tierreich erst beim Menschen Sexualität und Konsum ganz entfaltet haben. Hass:

Tiere freuen sich ebenfalls ihres Lebens, rollen zum puren Vergnügen auf dem Boden herum. Viel mehr „Luxus“ können sie sich aber mit ihren Überschüssen nicht leisten. Geht es einem Tier gut – dann pflanzt es sich fort. Beim Menschen ist es ebenfalls noch so – darüber hinaus aber wurde er zu einem Spezialisten in Schaffen von „Annehmlichkeiten“. (ebd.)

Neben der Entladungsfunktion von Sexualität und Konsum gibt es, wie gesagt, den revitalisierenden Aspekt. Durch Verkümmerung von Sexualität (Zwangsmoral) und Konsum (sozialistische Verzichtsideologie) entwickelt sich beim Individuum und im gesellschaftlichen Organismus langsam eine „Schrumpfungbiopathie“. Die Menschen dörren buchstäblich aus, weil ihre „Luxus-Bedürfnisse“ immer wieder frustriert werden und ihnen immer wieder eingebleut wird, sie sollten ihre „biologistischen“ Wünsche dem „sozialistischen“ Wohl opfern. Auch für die Gesellschaft als Ganzes bedeutet dies, daß sie langsam verfault, denn die „menschlichen Luxuswünsche“ sind der Antrieb der zweiten Hälfte der Evolution. Würden sie „erlöschen, dann fiele der gigantische vom Menschen geschaffene Energonbau wie ein Kartenhaus in sich zusammen“ (Hass/Lange-Prollius: Die Schöpfung geht weiter, Stuttgart 1978). Genauso wie für alle Tiere letztlich die Pflanzen die Energiequelle sind, ist in der Menschenwelt der Bedarf die Energiequelle der Berufstätigen. Konsumverzicht entspricht also genau einer Dürre in der Umwelt – DOR!

Daß sich eine orgonomische Ökonomie, wie sie Reich schon als „Marxist“ zu formulieren begann, nur im Kapitalismus entfalten kann, verdeutlicht folgende von Hass zitierte Aussage des Nationalökonomen Walter Eucken:

Bei Konkurrenz bestimmen die Konsumenten über Art und Umfang der Produktion, wobei die Unternehmer letztlich, wenn auch mit einem gewissen Spielraum, in ihrem Auftrag handeln.

Und was kapitalistische Besitzverhältnisse in einer Arbeitsdemokratie betrifft, hat Malinowski darauf hingewiesen, daß es keinerlei ethnographische Belege für einen „Urkommunismus“ gibt. Er nennt die Meinung, daß „Wilde keinen individuellen Besitz haben, (…) ein altes Vorurteil, besonders bei der Begründung (…) der sogenannten materialistischen Geschichtsauffassung.“ Obwohl „Großzügigkeit und Teilen der einzige Gegenstand strenger moralischer Grundsätze unter den Eingeborenen ist“, sei diese weitverbreitete falsche Auffassung genauso völlig irrig „wie die entgegengesetzte Phantasievorstellung vom besitzhungrigen, ohne Erbarmen alles zusammenraffenden Eingeborenen.“

In Christusmord warnt Reich vor jenen,

die die kämpferische Liebe zum Menschen (…) zu dem üblen Prinzip entstellten, daß der Mensch alles, was er besitzt, ohne Gegenleistung an Modju abtreten soll.

Sie verewigen nur das menschliche Elend. So „sind Sozialisten Feinde des Menschen“, denn

sozialistische Gesinnung führt unweigerlich zu Dirigismus (…) und zwar in dem Ausmaß, in dem Sozialismus ernstgenommen wurde.

Tatsächlich ist der internationale Kapitalismus und das internationale Finanzkapital, das ihn erst möglich macht, das größte Friedensprojekt der Menschheitsgeschichte. Roman Zakharenko (HSE International College of Economics and Finance) et al. zufolge verringert der Abbau von Handelsschranken zwischen Ländern die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konflikts und führt zu einer Senkung der Verteidigungsausgaben. Auch wirkt er sich positiv auf die Situation in benachbarten Ländern und der Welt als Ganzer aus. Die Forscher konzentrierten sich dabei auf drei Länderpaare: Israel und Jordanien, Nordkorea und Südkorea, Rußland und die Vereinigten Staaten. Was Israel und Jordanien betrifft, führte vermehrter Handel nicht nur zu einem Rückgang der Verteidigungsausgaben der beiden Länder, sondern auch der USA, Ägyptens und Saudi-Arabiens. Zakharenko zufolge führt jede zusätzliche Milliarde Dollar, die zwischen Rußland und den USA gehandelt wird, zu einer Reduzierung der Verteidigungsausgaben in der Welt von 115 Millionen US-Dollar. Entsprechend könnte ein Abbau der gegenwärtigen Handelsschranken zwischen den beiden Ländern aufgrund wechselseitiger Sanktionen zu einer Auflösung der bestehenden Konflikte beitragen. Wäre Rußland der Welthandelsorganisation 10 Jahre früher beigetreten, wäre es, so Zakharenko, vielleicht gar nicht zu Sanktionen gekommen. Die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen und die Entwicklung der Transportinfrastruktur trage dazu bei politische Spannungen zu lindern.