Posts Tagged ‘Diktatoren’

Die Massenpsychologie der Zeugen Coronas

27. Januar 2022

Reich schrieb während des Zweiten Weltkrieges:

Die faschistische Mentalität ist die Mentalität des kleinen, unterjochten autoritätssüchtigen und gleichzeitig rebellischen „kleinen Mannes“. Es ist kein Zufall, daß sämtliche faschistischen Diktatoren aus dem Lebensbereiche des kleinen reaktionären Mannes stammen. Der Großindustrielle und der feudale Militarist nützt diese soziale Tatsache für seine Zwecke aus, nachdem sie sich im Bereiche der allgemeinen Lebensunterdrückung entwickelt hat. Die mechanistisch autoritäre Zivilisation erhält in Gestalt des Faschismus nur vom kleinen, unterdrückten Manne wieder, was sie seit Jahrhunderten an Mystik, Feldwebeltum, Automatismus in die Massen der kleinen unterdrückten Menschen gesät hat. Dieser kleine Mann hat dem großen Mann sein Verhalten allzugut abgeguckt, und er bringt es verzerrt und vergrößert wieder. Der Faschist ist der Feldwebel in der Riesenarmee unserer tief kranken, großindustriellen Zivilisation. (Die Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 15)

80 Jahre später hat sich nur die Dekoration geändert. Der Kleine Mann sehnt sich weiterhin nach Weisung und Orientierung, aber gleichzeitig rebelliert er nach wie vor gegen „die da oben“. Daß sich das „die da oben“, also die Großkapitalisten, zunutze machen, eben das konstituiert den Faschismus. Heute ist es der Gesamtkomplex von offen rassistischem „Antirassismus“, frauenverachtendem Transgender, umweltvernichtendem „Klimagedöns“ und jetzt die massenmörderische Corona-Hysterie: sei solidarisch, halte Abstand und laß dich impfen und vor allem – halt dein Maul! Hier vereinigt sich die Rebellion gegen wirklich das Leben selbst mit einer sowohl kindlichen als auch kindischen Unterwerfung gegenüber dem Staat und der Großindustrie, die den kleinen Mann kontrolliert – nicht zuletzt über die Medien und den Wissenschaftsbetrieb, über sogenannte „Journalisten“ und „Wissenschaftler“, die widerlichen Speichellecker des Großkapitals.

Ich weiß, das ist Querdenken, Geschwurbel und Verschwörungstheorie. Was uns von allen linken und rechten und meinetwegen „mittigen“ Analysen des Geschehens abhebt, ist unser charakteranalytischer Blick auf das Weltgeschehen. „Verschwörung“ meint für uns in erster Linie emotionale Verschwörung:

Man muß den Charakter des kleinen unterdrückten Menschen jahrelang gründlich studiert haben, so wie sich die Dinge hinter der Fassade abspielen, um zu verstehen, auf welche Mächte sich der Faschismus stützt. (ebd.)

Reichs Gründe der Abkehr von der Tagespolitik (Teil 3)

5. Juli 2021

von Robert Hase

Reich gibt sodann Aufschluss darüber, wieso Tagespolitik, in die sich auch die besten und ehrlichsten Sozialisten und Liberalen verstrickt hatten, sinnlos ist. Nach der Erkenntnis der biosozialen Katastrophe des Menschentieres entfernte sich die Gruppe der Sexualökonomen im gleichem Maße von der Tagespolitik, wie die Forschungen in die Tiefe vordrangen. Sie verstanden den Widerstand der Politiker, die die Verantwortung trugen, die Größe des Problems, das die „Gesellschaft des irrational reagierenden Menschentieres“ darstellt, zur Kenntnis zu nehmen. Denn je mehr man darüber erfuhr, desto aussichtsloser erschien es, desto schrecklicher erschien die gesellschaftliche Illusion von der Möglichkeit des Fortschritts „ohne Beseitigung jener menschlichen Struktur, die sich nach einem Führer sehnt“. (3)

Je dringlicher die Tagespolitik nach praktischen Maßnahmen rief, desto schärfer trat der Befund der Naturwissenschaft hervor: Die soziale Misere hat ihre Wurzeln weit, weit tiefer unten, als die Politiker es zu erkennen wagten. Sie ist verankert in der gepanzerten Charakterstruktur der Menschenmassen. Diktatoren sind nicht wichtig. Wichtig sind nur die Menschenmassen. Sie allein tragen, so Reich, die Verantwortung. Sie allein können sich selbst bewältigen. Reich betrachtet den Menschen als das einzige Tier, das den Kontakt zum Leben verloren hat, das unbeweglich wurde und aus seiner biologischen Steifheit heraus das heutige Chaos geschaffen hat. Die Voraussetzung für jede echte Freiheitsbewegung sei, so Reich weiter, die Beseitigung der Bedingungen und Institutionen, die eine Charakterpanzerung schaffen.

Dies war eine erschütternde Erkenntnis, denn sie zeigte, wie sinnlos es wäre, nur gegen Diktatoren und die politische Maschinerie zu kämpfen! Das würde nichts ändern, denn die hilflosen, obrigkeitshörigen Massen würden sofort neue Diktatoren der einen oder anderen Art schaffen und sich ihnen unterwerfen. (Wie gesagt: nur die Menschen selbst können sich bewältigen! [PN]) „Der Faschismus verdankt seine Macht der sozialen Hilflosigkeit der Massen und der unbewussten Sympathie vieler demokratischer Politiker für den Faschismus (München, 1938; Stalin-Hitler-Pakt, 1939).“

Anschließend behandelt Reich den Unterschied zwischen praktischer Arbeit und Ideologie: Die Parole „Bejahung des jugendlichen Sexuallebens“ klinge einfach, selbstverständlich und „revolutionär“, sei aber nur ideologisch, weshalb, wie er später schrieb, die historische Sexpol auf jeden Fall scheitern mußte. In dem hier beschriebenen Text schlägt Reich stattdessen vor, man solle es doch einmal praktisch versuchen, die Hindernisse zu beseitigen, die einer Jugendgruppe auf dem Weg zu einem gesunden Sexualleben entgegen stehen. Dabei werde man unweigerlich scheitern, solange man nicht wisse, wo man den Feind zu suchen hat: im Parteisekretär, der um die „Reinheit“ der Parteiideologie besorgt ist, im Schuldirektor, der um seinen Job fürchtet, und im Jugendlichen selbst, der unter Orgasmusangst leidet, ganz zu schweigen von Ministern und Staatsanwälten gleich welcher Parteiideologie.

Reich stellt fest, dass der Faschismus wie Unkraut wucherte, und das nicht nur in den Kreisen der Kapitalisten, sondern auch in den Kreisen des „kleinen Mannes“. Dass die Kapitalisten den Faschismus für ihre Zwecke nutzten, als er einmal da war, und dass wiederum der kleine Mann den Kürzeren zog, sei eine andere Geschichte. Wenn der Faschismus endgültig besiegt werden solle, müsse man sich klar vor Augen halten, dass all die nationalistischen Diktaturen, die den Weltkrieg entfachten, ihre Kraft aus den unterdrückten Massen bezogen. Das hätte mit Ökonomie direkt nichts zu tun, sondern sei Ausdruck der Massenstruktur, ein biopsychologisches Problem, das psychohygienische Maßnahmen in gigantischem Ausmaß erfordere. Kein Soziologe oder Politiker des vergangenen Jahrhunderts hätte voraussehen können, dass die unterdrückten Massen selbst eines Tages den irrationalen politischen Veitstanz unterstützen würden.

„Das war 1939 klar und der Krieg hat diese Erkenntnisse bestätigt. Aber ich wagte es erst 1942 aufzuschreiben und es wurde erst 1943 veröffentlicht („Der biologische Rechenfehler im menschlichen Freiheitskampf“, lnternat. J. of Sex-economy and Orgone Research, 2, 1943, 97-121).“ (4)

Fußnoten

(3) Führer im engl. Original

(4) 1946 in der englischen Ausgabe integriert als 2. Unterkapitel von Kapitel X.

Siehe https://www.bibliotecapleyades.net/archivos_pdf/masspsychology_fascism.pdf

In der von Higgens-revidierten Ausgabe Kapitel XII. Siehe https://d-nb.info/1012166651/04

Buchbesprechung: THE MASS PSYCHOLOGY OF FASCISM (Teil 5)

26. Oktober 2020

von Paul N. Mathews

 

Reich blickte mit Hoffnung auf Amerika, ungeachtet echter Missstände und Ungerechtigkeiten. Aber die Aktivitäten und Verzerrungen der Freiheitskrämer ließen ihn um den Fortbestand Amerikas als Bastion der allmählichen sozialen und sexuellen Revolution fürchten und das versetzte ihn wegen der Säuglinge und Kinder in Sorge.

Das lag daran, dass er deutlich sah, wie wenig die Freiheitskrämer die charakterologischen – bzw. biologischen – Voraussetzungen für die Selbstverwaltung und die Fähigkeit der Massen in dieser Hinsicht verstanden. Die Tendenz, sowohl in Skandinavien als auch in den Vereinigten Staaten, vom Privat- zum Staatskapitalismus überzugehen, hielt er angesichts der bestehenden Charakterstruktur für bedrohlich. Dieser Prozess erschien ihm als der eigentliche Mechanismus zur Schaffung eines faschistischen Staates – wie in Nazi-Deutschland und der Sowjetunion (1, S. 280-284)h. Obwohl er keine große Bewunderung für engstirnige Kapitalisten hatte, setzte Reich sie nicht mit Faschisten gleich, sondern betrachtete sie als Anhänger einer Wirtschaftsphilosophie und -praxis, die in einer gepanzerten Welt zu erwarten sind, genauso wie auch Sozialisten. Für Reich waren die Übel des Staatskapitalismus nicht auf dessen kapitalistische Züge zurückzuführen, sondern auf die Unfähigkeit der Massen, ihr Leben selbst zu verwalten, wodurch immer mehr Macht an Bürokraten verlagert wurde, die sich in Führeri verwandeln (7, 8)j. Der charakterologische bzw. biologische Faktor ist viel tiefer als alle Klassen- oder Wirtschaftsunterschiede und überschreitet alle Grenzen.

Der wesentliche Bestandteil für eine gesunde Gesellschaft ist der Kontakt zum Kern. Hier bot Reich eine höchst sinnvolle Herangehensweise für das menschliche Dilemma an: Arbeitsdemokratie, die die besten Merkmale der kapitalistischen Individualität und des Unternehmertums und der sozialen Kooperationsfähigkeit in sich vereinte, jedoch über beides hinausging durch ihre Betonung freudvoller Arbeit auf der Grundlage genitaler Gesundheit. Ein System ohne willkürliche Klassifikationen von Proletariat und Nichtproletariat, sondern das vielmehr all jene umfasst, die die „lebensnotwendige Arbeit“ als Ausdruck ihrer natürlichen Fähigkeit zu Arbeit, Liebe und Wissen leisten.

 

Anmerkungen des Übersetzers

h Massenpsychologie, ebenda, S. 251-255.

Zitate: „So grundverschieden auch die staatliche Kontrolle der sozialen Produktion und Konsumtion in Rußland, Deutschland, Skandinavien und den Vereinigten Staaten aufgrund der historischen Entwicklung ausfiel, es gab dennoch einen gemeinsamen Nenner: die Unfähigkeit der Menschenmassen zur Selbstverwaltung der Gesellschaft, und aus dieser gemeinsamen Grundlage der staatskapitalistischen Entwicklung folgt logisch und einfach die Gefahr der Entwicklung autoritärer Diktaturen. (…) Es gibt in Wirklichkeit, gesehen von der Struktur und Ideologie der arbeitenden Menschenmassen, keine einzige konkrete Garantie dafür, daß sich aus der staatskapitalistischen Richtung keine Diktatur entwickelt.“

„Der deutsche und der russische Staatsapparat waren aus alten Despotismen hervorgegangen. Das charakterliche Untertanentum der Menschenmassen war daher in Deutschland und Rußland außerordentlich stark. So führte in beiden Fällen die Revolution mit der Treffsicherheit irrationaler Logik zu neuem Despotismus. Verglichen damit ging der amerikanische Staatsapparat aus Menschengruppen hervor, die sich dem europäischen und asiatischen Despotismus durch die Flucht in eine jungfräuliche, von aktuell wirksamen Traditionen freie Gegend entzogen hatten. (…) Wenn wir den Tatsachen gerecht sein wollen, dann müssen wir, ob wir es wollen und mögen oder nicht, feststellen, daß die Diktatoren Europas, die sich auf Millionenmassen stützten, durchwegs aus den unterdrückten Volksschichten stammen.“

„Der Einfluß der Charakterstruktur der Menschenmasse ist entscheidend für die Staatsform, gleichgültig ob sie sich durch Passivität oder durch Aktivität ausdrückt.“

i Im Original steht: führers

j Hayek: Der Weg zur Knechtschaft. Olzog, München 2009. (Erstübersetzung: Eugen Rentsch, Erlenbach-Zürich 1945.)
Burnham: Das Regime der Manager. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1951

 

Literatur

1. Reich, W.: The Mass Psychology of Fascism. Translated by Theodore P. Wolfe, M.D. New York: Orgone Institute Press, 1946.
7. Hayek, F. A.: The Road to Serfdom. Chicago: University of Chicago Press, 1962.
8. Burnham, J.: The Managerial Revolution. New York: John Day Co., 1941.

 

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Charles Konia.
Journal of Orgonomy, Jahrgang 5 (1971), Nr. 1, S. 107-112.
Übersetzt von Robert (Berlin)