[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]
Mit seinen Ausführungen über die kosmische Überlagerung in der dritten Ausgabe der Charakteranalyse hatte mich Reich Mitte der 1970er Jahre: von einem Tag auf den anderen war ich „Reichianer“. Das böse Erwachen kam mit einiger Verzögerung: unvermittelt saß ich mit Leuten in einem Boot, mit denen ich nichts zu tun haben will und die m.E. nichts von Reich verstanden haben! Ich kann mich beispielsweise an meine rasende Wut erinnern, als ich schließlich Alexander Lowen und seine „Bioenergetik“ durchschaute.
Nun, wo ich mich nicht nur mit Stirner, sondern endlich auch mit der Stirner-Literatur auseinandersetze, muß ich mit einigem Entsetzen konstatieren, in welchem schier erdrückendem Ausmaß sich die Anhänger Silvio Gesells („rostendes“ Schwundgeld) der Stirner-Bewegung parasitär aufgepfropft haben. Es scheint praktisch unmöglich sich mit der Stirner-Rezeption zu beschäftigen, ohne dieser vermeintlich „freiwirtschaftlichen“ Heilsdoktrin ausgesetzt zu sein, die einzig und allein ärmere Bevölkerungsschichten treffen würde, denen buchstäblich das wenige Ersparte bzw. Aufgesparte unter den Händen förmlich zerfließen würde. Das überträgt sich schließlich auf die Fundamente der Gesellschaft selbst, da die bioenergetische Spannung erlischt (Krebs!). Die Österreichische Schule sagt dazu alles Notwendige: „Wer den Zins abschafft, ermöglicht heute Investitionen, die sich unter normalen Marktbedingungen nie gelohnt hätten. Und es erlischt die Bereitschaft, Konsumverzicht im Heute zu üben, um im Morgen konsumieren zu können. Es entwickelt sich eine Freibiermentalität, die eine Gesellschaft verarmen läßt, weil sie ihren Kapitalstock zerstört.“ – Der Gesellianismus ist eine geradezu perfekte Entsprechung zum Lowenschen Primitiv-Reichianismus, der keinerlei bioenergetische Grundlegung hat und wirklich nur Schaden anrichtet.
Da es nie so etwas wie einen „LaMettrie’smus“ gegeben hat, stellt sich hier das Problem kaum, wenn man mal von der relativ häufigen und wirklich nervigen Gleichsetzung mit De Sade absieht.
Es scheint so, daß Reich und Stirner und La Mettrie in der gepanzerten Gesellschaft nur in beschnittener, wenn nicht schlichtweg kastrierter Form zu Wort kommen. Insbesondere Reich wurde von Anfang an von Marxisten mißbraucht, um ihre pseudoreligiöse Todgeburt von Ideologie (hinter allem stecken gesellschaftliche Beziehungen) an den Mann bringen zu können: statt auf „Gott, der hinter allem wirkt“ wird ständig auf „die Gesellschaft“ verwiesen. Ja, ich weiß, eine Oblate ist, wenn sie geweiht ist, nicht mehr das, was sie ist. – Stirner muß dafür herhalten Anarchisten und Libertären ein Fundament zu geben. LaMettrie soll der Postmoderne bei der „Wiederverzauberung“ der Welt helfen. Allen fehlt das Bewußtsein dafür, was eigentlich den Kerngehalt der Leistung der großen Drei ausmacht und daß dieser Kern jedweden Kompromiß, jede Verwässerung ausschließt. Von daher auch meine ganze Empörung angesichts all dieser „-ianer“ und daß ich trotz aller Differenzen treuer, ja, „Laskaianer“ bin!
Es gibt nur zwei Arten der „Regulierung“ eines Individuums bzw. einer Gruppe von Individuen: Selbstregulierung oder Fremdregulierung. Entweder wird ein Baby gestillt, wenn es Hunger hat, oder man zwingt ihm seine Regeln auf, wobei die eine Regelung, die andere zwangsläufig nach sich zieht, bis wir vollkommen verpanzerte Individuen und eine verpanzerte Gesellschaft vor uns haben. Irgendwelche Kompromisse zwischen Selbstregulierung und Fremdregulierung können nur im Chaos enden. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: das anfangs selbstgesteuerte Baby wird renitent, quengelig, zieht sich in sich zurück oder fordert ständig Aufmerksamkeit etc. Beim von Anfang an in ein Korsett von Regeln gesperrten Baby sieht es kaum anders aus, vor allem wird es nicht mit Dankbarkeit und Zuneigung reagieren, wenn man es „befreit“ und damit den Boden unter den Füßen wegreißt.
Das erklärt auch Reichs tiefsitzende Verachtung für „Liberale“, Stirners Verachtung für „fromme Atheisten“ und die LaMettries für zutiefst reaktionäre angebliche „Aufklärer“.