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Arbeitsdemokratie: Religion ist Ahnen- und Nachfahren-Kult

23. November 2023

Robert A. Harman hat die These aufgestellt, daß die Gesellschaft durch langfristige Verpflichtungen zusammengehalten wird. Ich schulde dir etwas. Das bindet uns über längere Zeiträume aneinander. So wird das Netz der Arbeitsdemokratie gewoben. Ich gebe dir etwas (Ladung), also schuldest du mir etwas, bis du deine Schuld mir gegenüber begleichst bzw. „entlädst“.

Das hat mich auf den Gedanken gebracht, daß entsprechend jede Religion auf der Erde ursprünglich kaum etwas mit Mystik und „Erlösung“ zu tun hat, vielmehr beinhaltet sie Opfergaben an die Götter als Antwort auf deren „Arbeit“ (es regnen lassen, Früchte produzieren, Feinde fernhalten usw.), so wie unsere Opfergaben sie für uns arbeiten lassen (es regnen lassen, Früchte produzieren, Feinde fernhalten usw.). Das lebt unmittelbar im Katholizismus weiter: die Heiligen sind nicht wirklich tot, sondern genauso Teil der Kirche wie die Lebendigen und im Volksglauben haben sie ähnliche Funktionen übernommen, wie einst bestimmte heidnische Götter. Man denke nur an Petrus, der frappant an Poseidon und Thor erinnert. Die Gläubigen sind dergestalt in ein dichtes Beziehungsgeflecht eingebunden mit „Gaben“, Verpflichtungen und Hoffnungen, die auf die Zukunft gerichtet sind und weit weit in die Vergangenheit zurückreichen.

Religion ist eine Art „Arbeitsdemokratie“, die auf orgonotische Funktionen projiziert wird, die in dem Sinne fehlinterpretiert werden, daß sie personalisiert sind (die Götter). Ich bezweifle, daß bisher jemand die Verbindung zwischen Religion und Arbeitsdemokratie gesehen hat, aber sie ist so offensichtlich, wenn man die tatsächliche Praxis des Katholizismus sieht: ein ziemlich kompliziertes „Geschäft“, das verschiedene Engel und Heilige, Maria, Christus, den Vater und den Heiligen Geist, Opfergaben und Erntedankfeste umfaßt. Der Kathole fühlt sich in diesem Netz geborgen und die Gemeinschaft hat eine fast unzerstörbare Dauer.

Genau deshalb waren Länder wie Polen und Irland stets solche geschlossenen Gesellschaften, die selbst in der Diaspora ihre nationale Identität bewahrten. Von daher auch die Versuche der Weltverschwörer gegenwärtig insbesondere Irland durch forcierte „Migration“ seiner Identität zu berauben und etwa in Amerika seit Jahrzehnten der Versuch durch Städteplanung die geschlossenen Gemeinschaften von Iren, Polen, Italienern, etc. mit ganz ähnlichen Mitteln zu zerschlagen. Kein „ethnisches Gestrüpp“, soll sich dem freien Fluß des Kapitals entgegenstellen. (Was selbstredend auch im Interesse der Kommunisten ist!)

Wir denken, Religion sei die persönliche Beziehung zu Gott oder „Christus“ in der Gegenwart. Ursprünglich war die Religion jedoch Ahnenverehrung, ähnlich der besagten Verehrung der Heiligen im Katholizismus. Im Sinne von Harmans Zeittheorie war es eine arbeitsdemokratische Verpflichtung gegenüber der Vergangenheit, die die Grundlage für unsere Gegenwart bildet. Eine auf den Himmel projizierte Beziehung. Und die Götter waren ein Ausdruck unseres Engagements für die Zukunft, das Ich-Ideal und in gewisser Weise die Kinder der Zukunft, die auf den Himmel projiziert wurden.

Ursprünglich gehört die Religion nicht zum psychologischen Bereich des Einzelnen, sondern eher zum sozialen Bereich. Ethnologen haben nie eine Gesellschaft ohne Religion gefunden. Religion ist eigentlich ein Element der Arbeitsdemokratie, d.h. ein Engagement über Raum und vor allem Zeit hinaus. Das ganze mystische Brimborium mit persönlicher „Erlösung“ ist eine Verfallserscheinung.

Das wird unmittelbar evident, wenn man die Vorgehensweise von christlichen Missionaren bei Naturvölkern betrachtet. Hier werden stets die Außenseiter und Sonderlinge angesprochen, die sich eben nicht im, nennen wir es mal, „Glaubensnetz“ ihrer Gemeinschaft geborgen fühlen und deshalb sozusagen einen „direkten Draht“ zu Gott suchen. Von diesen Randständigen her wird dann langsam von den Missionaren die Gemeinschaft aufgerollt, wobei darauf bedacht gelegt wird, nach und nach das „Netz“ zu zerstören. Das diese Missionare objektiv im Interesse amerikanischer Kapitalinteressen arbeiten, paßt ins Bild.

Übrigens haben wir im Recht etwas ganz ähnliches. Und ist Recht von Religion überhaupt trennbar? Ich denke nicht nur an das Gesetz Mose und die Scharia, sondern auch an die Tabus und Gebote der Naturreligionen. Wieder: von Mystik und „Erlösung“ ist da wenig die Rede.

Die untergründige Identität von Religion, Recht und „bioenergetischer Spannung“ im Sinne Harmans sieht man an der Tatsache, daß auch das Recht in gewisser Weise den Tod nicht kennt. Das bezieht sich natürlich in erster Linie auf das Erbrecht, aber auch generell hat die „juristische Person“; etwas Unkörperliches, etwas, was nicht an Zeit und Raum gebunden ist. Nochmals: mit Mystik hat das zunächst einmal gar nichts zu tun, aber alles mit der Arbeitsdemokratie.

Der Christusmord aus christlicher Sicht

10. August 2023

Ein offenbar blutdurstiger und gleichzeitig gerechtigkeitsfanatischer Gott läßt seinen einzigen Sohn ermorden, um ein über die Generationen übermittelte „Erbschuld“ zu tilgen, für die er selbst verantwortlich war und auf deren Tilgung er hätte verzichten können. Nach Reich verbirgt sich hinter dieser absurden, alptraumhaften Geschichte der Haß auf das Lebendige allgemein und auf das Neugeborene („das eigene Kind“) insbesondere.

Interessanterweise war Reichs dezidiert jüdischer Lehrer Freud von einem geradezu gegenteiligen Mythos beseelt: die „Urhorde“ wird vom „Urvater“ tyrannisiert, bis sich dessen Söhne zusammenrotten und ihn erschlagen. Der Christusmythos würde, so Freud, seine befreiende Kraft dadurch gewinnen, daß am „Gottessohn“ die Sühne für den „Urvatermord“ vollstreckt wird. Aber noch heute seien es geborene Mörder, die Vaterfiguren wie Freud ständig bedrohen, – wie Reich es tat.

Um zu begreifen, was sich tatsächlich hinter dem Christusmord verbirgt, müssen wir zu Abraham zurück, der seinen Sohn Isaak zu opfern bereit war, weil Gott dies zur Schuldtilgung von ihm verlangte. Doch stattdessen befielt in letzter Sekunde ein mit allen Vollmachten ausgestatteter Engel Gottes (tatsächlich der präinkarnierte Christus) Abraham, als Ersatz für das Sohnesopfer ein Lamm zu nehmen, das an Stelle von Isaak geschlachtet wird. Und schließlich, im Neuen Testament, opfert sich der nunmehr inkarnierte Christus selbst in Gestalt „des Lammes“ (die zweite Person Gottes). Statt einen Sohn von den Menschen zu fordern, gibt Gott den Menschen seinen eigenen einzigen Sohn. Die Botschaft ist also: hört damit auf eure Kinder zu morden, um mir, dem Gottvater, zu dienen.

Dazu passen die vorangegangenen Reden Jesu, die sich durchgehend darum drehen, daß Gott alles tut, ins dreckigste Schlammloch oder den dichtesten Dornenbusch kriecht, um auch noch das letzte „verlorene Schaf“ zu retten. Es ist Gott, der mit seiner Liebe die Menschen verfolgt. Er will keine Opfer, sondern ganz im Gegenteil opfert er sich selbst. Man muß nichts tun, außer sich als sein Schaf zu erkennen geben („man muß an ihn glauben“), dann schenkt er, der gute Hirte, einem die durch nichts sonst verdiente Rettung.

Uns heutigen sagt das rein gar nichts. Schafe? Schuld? Buße? Opfern? Rettung? Gott? Doch bis vor zweitausend Jahren und noch heute in der gesamten nichtchristlichen Welt, reichen Menschen durch buchstäbliche Opfergaben oder durch die Befolgung religiöser Vorschriften Gott etwas dar, damit er sich ihrer erbarmt. Sie dienen sich Gott an, verfolgen ihn sehnsuchtsvoll, buhlen um seine Liebe. Die mörderischen Kinder flehen den Vater an, ihnen doch zu verzeihen! Deshalb kann die christliche Lehre vom bedingungslos liebenden Gott für einen Israeli, einen Iraner, einen Koreaner, einen Ureinwohner Neuguineas etc. etwas ungemein Befreiendes sein und etwas zutiefst Überzeugendes haben, eine revolutionäre Offenbarung, – während wir in der Wolle gefärbten christlichen Europäer nur desinteressiert mit den Schultern zucken.

Ihnen – die alle ihren Göttern bis heute Lämmer oder irgendwelche anderen Tiere opfern! – sagt der christliche Glaube geradezu das Gegenteil dessen, was er uns „Post-Christen“ sagt. Wir sehen in Christus den sinnlos geopferten Isaak, während sie ganz im Gegenteil die Botschaft aufnehmen: „Höre auf Isaak zu opfern!“ Gott will Isaak nicht, auch kein Surrogat, sondern ganz im Gegenteil gibt er seinen eigenen Sohn. Gott will nicht, daß du ihn mit deiner Liebe beschwichtigst, sondern ganz im Gegenteil, daß du seine Liebe akzeptierst, – daß du glaubst, vertrauen hast, dich hingibst, UNGEPANZERT bist.

Man verstehe mich nicht falsch: Ich bin dezidiert kein Christ! Ich glaube aber (Reich hat das angedeutet), daß keine andere Religion so „orgonomisch“ ist, wie das Christentum. Außerdem glaube ich, daß das Christentum das Römische Reich und damit die menschliche Zivilisation schlechthin gerettet hat. Ohne Christentum gäbe es keine Wissenschaft, es gäbe schlichtweg keine Welt, sondern nur irgendwelche von einander isolierten Reiche die ohne gemeinsame Geschichte kommen und gehen! Die Orgonomie wird diese Welt vor dem Untergang in die Barbarei retten, ähnlich wie es das Christentum in Bezug auf das Römische Reich getan hat. Der Anfang ist genauso mickrig und Mitleid erregend wie damals.